Redaktion: IT/3, Leopoldsgaffe 2«. Telephon Nr. 14723. Gp'bechstuttiren: An Wochentagen von 4 bis 6 Uhr nachm. Pbsiabresse: Jüdisches Volksblatt. Wien. Il>3. 8e»cdV«kS«n wegen verspäteter oder gar nicht erfolot.r Zu¬ stellung erbitten wir uns drlnaend. — IttatttukripU werden niedt rutüekgeitett». Poftsparkafsen-Konto 84703^. In das Slbbonement kann man täglich eintreien. Erscheint^ ' ** eitag. Eigentümer und Herausgeber: Jakob Kransi. Inserate übernehmen die flrmrn: M. vukes Nachf-, lsaasenftein L Vogler, Nudolf Masse, M. pozsonyi, a. Schalk! in Wien, ferner alle Nnnoncen- Expeditionen Im auslandc. Einzel - Nummer in Wien KV Heller. Administration: Il/3, Leopoldsgaffo 2. Telephon Nr. 14728. Abonnements - PreiS: Für Wien ». Ocstcrreich- Nngarn s. Frankozustellung: Ganzjährig. . . . K12. - Halbjährig . . . . K O.— Bierleljährig . . . K 3.— Für das gesamte Ausland samt Frankozustellung: Ganzjährig . Halbjährig . Vierteljährig. . K 13.00 . K 0.83 . 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Heute nähert sich allerdings selbst die ,„N nie F reie P r esse", die noch anlä߬ lich der bekannten Rede B a c r n r e i t h e r s in der vorletzten Session nur Spott und Hohn für diese Idee hatte, den Gedanken der natio¬ nalen Selbstverwaltung. P r a d e, einer der Führer der „Deutschen Volkspartei", plaidiert in der Weihnachtsnummer dafür, gleich Eh ia r i, als ob die Deutschen nie diese Idee als eine Lächerlichkeit von sich gewiesen halten Die „Teplitzer Zeitung" hat an eine Reihe von Reichsrats- und Landtagsabgeordneten eine Rundfrage gerichtet, wie sie sich die Lösung des politischen Streites vorstellen. Die meisten Ant¬ worten stimmen darin überein, daß eine Besse¬ rung der Verhältnisse nur von der n. a t i o n a- l e n A u t o n o m i e zu erhoffen sei. Abgeordneter Dr. Nits che antwortete auf die ihm gestellte Frage kurz: „Volks- I a u t o n o m i c i m R a h m e u d e s S t a a- tes." Abgeordneter Dr. G r a b m a y r: ^ „Es gibt nur ein Mittel: die möglichst vollständige Durchführung der national e u A u t o- n o m i e". Abgeordneter Dr. Licht: „Durch eine Verständigung ans gesetzlicher Grundlage, welche die nationale Selbstverwaltung einführt und sichert, dem Grundsätze, daß jede Nation deren Kosten selbst bestreite, Rechnung trägt, die Angestellten des Staates und der Länder ihrem Amtsgebiete entsprechend national son¬ dert, ans dem Reichsrate nationale Fragen ansscheidet, im Landtage nationale Minder¬ heiten vor Willkür, Gewalt und Unbilligkeit schützt, die deutsche Sprache als Vermittlungs¬ sprache sanktioniert und die Reform der Politi¬ schen Verwaltung mit diesen Neuordnungen in Einklang bringt." Abgeordneter v. Si i n k: „Man höre end¬ lich ans, die Nationalitätenfrage nach geogra¬ phischen, respektive historischen, das heißt Lan- desgrenzen regeln zu mellen, sondern gehe daran, dieselbe ausschließlich nationalen, d.iß heißt nach bestehenden Sprachgebieten zu re¬ geln; dann muß der Friede kommen!" Insbesondere wies dad „Indische Volks¬ blatt ans ihre Bedeutung für die Lösung der ö st e r r e i ch i s ch e n Jndenfrage hin. Doppelte Pflicht ist es daher, wieder die Stimme zu erheben, denn es besteht die Gefahr, daß e i n g r o ß e r M o m ent bei u n s I ud e n ein kle in es Geschlecht findet. Feuilleton. KnltuMIder aus dem Oheltoledeu in Urotzmh Von Adolf Steinschneider. (Schluß.) Moritz Steinschneider, der bekannte Bibliograph und Sanskritkeuner, Professor der Philologie in Berlin. Er wurde an die berühmte Universität in Oxford berufen, blieb dort fünf Jahre, um die dortige Bibliothek zn ordnen und z« katalogisieren. Später wurde er zum Ehren¬ doktor ernannt. Herr Hofrat Doktor Adolf Beer, Professor der Geschichte an der Polytechnik, Herrenhans- mitglied. Er verfaßte viele Geschichtswerke. Sein Hauptwerk waren die Volksschulgesetze, die er im Vereine mit Minister Hasner verfaßte und die vom damaligen Reichsrate trotz des heftigsten Wider¬ standes der klerikalen Partei angenommen wurden. Dieses Kodifikationswerk, welches ein Vorbild für alle Knlturstaaten Europas geworden ist, sichert ihm einen unsterblichen Namen. Er starb vor zwei Jahren und seine Leiche wurde nach Gotha zur Feuerbestattung gebracht. Herr Abraham Broch ist Sektionschef im Finanzministerium, Direktor der Triangulierungs- kommiffion, Ritter der Eisernen Krone. Bor einigen Jahren starb in Graz Herr Siegwund Beer als Oberst der Artillerie und in Krakau lebt Herr Mandl Major, in einem In¬ fanterieregimente. Herr Konrad Löwe, Hofschauspieler, eines der begabtesten und gefeiertsten Mit-glieder der k. k. Hofbühne. In Triest lebt jctztin Pension Herr Moritz Funk der als Schiffsjunge dahinkam und bis zum Schiffskapitän avancierte. Herr Baurat Mor. Fleischer. Ec hat unter Dombaumeister Schmidt als dessen Adlatus bei Erbauung des neuen Rathauses mitgewirkt. Er ist ein Meister der Gotik. Viele monumentale Gebäude in Wien und in der Provinz sind von ihm und nach seinen Plänen errichtet worden, unter anderen die israelitischen Tempel im VI. und VIII. Bezirk. Auch in der Industrie und im Verkehrswesen haben sich einige hervorgetan, so Vizepräsident der Wiener Kultnsgemeinde kaiserl. Rat Moritz Hirsch welcher als kleiner Angestellter in einem Spedi¬ tionshause ansing, später die Firma Hirsch und Karpeles gründete, welche j-tzt Schenker und Cie. firmiert und durch seinen Geist und seine Begabung zu einem Welttransporthanse ersten Ranges gestaltete. Herr Professor Ignatz Brüll, Musiker und Komponist allerersten Ranges. Die von ihm komponierten Opern wurden an der hiesigen Hof¬ oper sowie an fast allen Bühnen Europas mit großem Erfolge aufgeführt. Die von ihm komponierten Sonaten und Quartette werden überall als geniale Werke bewundert. Hiermit ist die Zahl der hervor¬ ragenden Prvßnitzer nicht erschöpft, nur der Raum gestattet eö nicht, sie alle anzuführen. Diese alle waren und sind Söhne Proßnitz' auf welche die jüdische Gemeinde stolz sein kann, und diesen Ruhm, Die nationale Autonomie wird sich selbst¬ verständlich in ganz Oesterreich allmählich durchsetzen nnd sie wird nicht einmal an der Leitha Hall machen. Tenn sie verlangen nicht nur die Deutschen in Böhmen und Mähren, sondern auch die Tschechen in Schlesien und Niederösterreich, die Ruthenen in Galizien, die Slowenen in Steiermark, Kärnten, Gürz und Istrien, die Italiener in Tirol und die Polen in Schlesien. Aber auf der Tagesordnung steht heute die Frage in Tiro! und in M ä h r e n. Letzteres kommt hier in Betracht. Tenn kommt die Frage der nationalen Autonomie hier zurLösung ohneAnerkeungderjüdischen Nation, so ist damit ein gefährliches, verhängnisvolles Präjudiz geschaffeu, daS die Entwicklung der jüdischeu Nation in Österreich auf eine schiefe Ebene drängen kann, wo es dann kein Aus¬ halten gibt. Noch einmal nnd vielleicht zum letzten Male bietet sich dem jüdischen Volke in Oesterreich, wo infolge der Vielheit der Nationen so günstige Vorbedingungen herrschen wie nirgendwo, die Gelegenheit, die staatliche Anerkennung seines Volkstums zu erzwingen, eine Gelegenheit, die es schon einmal verpaßte. Umsomehr mußman es verurteilen, wenn von sonst gut jüdischer Seite im Angesicht der geschilderten Sachlage der Rat erteilt wird, ein¬ fach fatalistisch die Hände in den Schoß zu legen und für die mährische Judenschaft keine andere Wahl empfohlen wird, als entweder für die Deutschen (und das hält er für rationeller ) jiesen Aufschwung hatte sie zumeist der Aufmunterung denes Rabbiners vor 60 Jahren zu verdanken, der den ersten Keim dazu gelegt hatte. Der Name dieses bahnbrechenden Mannes ist Hirsch B. F a s s e l. Später wurde er nach Groß-Kanizsa berufen, wo er vor 10 Jahren hochbetagt starb. Sein Nachfolger in Proßnitz war Dr. Adolf Schmied!, der auserlesene Kanzelreduer, der nun seit langer Zeit hier in Wien im Leopoldstädter Tempel zur Be¬ wunderung seiner zahlreichen Freunde seines Amtes waltet. Mit Befriedigung milß konstatiert lverden, daß alle diese angeführten hervorragenden Männrr Juden geblieben sind und treu zu ihrem Volke halten mit Ausnahme des Baurates Beer, der vor zirka 40 Jahren unter Minister Leo T h n n, um die Professur zu erlangen, sich taufen ließ, trotz dieser Taufe aber dennoch Teilnahme für seine früheren Glaubensgenossen bewahrtes?). Durch den freie« Geist war zwar die starre Orthodoxie gewichen, aber ein milder, religiöser Sinn herrscht doch noch beim großen Teile vor. Der Tempelbesuch war ein reger, die Feste wurden ordnungsmäßig gehalten. Am Erew Peßach wurden in allen Häusern Brot- und Semmelreste gesammelt, selbe auf einem freien Platze zu einem Scheiter¬ haufen aufgespeichert und feierlich verbrannt. Dann wurden alle Wohirränme, alles Geschirr gescheuert und gewaschen, man könnte beinahe sagen desinfiziert. In mehreren Lokalen wurden Mazzos ge¬ backen und der Sederabend in fast allen Familien mit jüdischer Innigkeit abgehackten. Am Ausgange des P ßach füllten sich die Gassen mit Verkäufern von Brot nnd Semuieln und gierig kauften die |