JDEEHE ZEITUNG S8SS£ jUJSCHES ORGAN ■ Erscheint wöchentlich. — Redaktion, Administration und Inseratenaufnahme: Wien, II.,Stefaniestraße Nr. 12. — Sprechstunden ■ m täglich von 11—12 Uhr vormittags und 4—5 Uhr nachmittags. — Manuskripte werden nicht zurßckgestellt. — Abonnementspreise: Für Oester- _ ■ reich-Ungarn: Ganzjähr. K 10.—, halbjähr. K 5.—, Vierteljahr. K 3.—. Für Deutschland: Ganzjähr. Mk. 10.—, halbjähr. Mk. 5.—, Vierteljahr. * ■ Mk. 3.—. Für das übrige Ausland: Ganzjähr. Frcs. 15.—. Einzelexemplare 20 h. Postsparkassenkonto 104.067. ■ Nr. 1 Wien, Freitag, den 5. Jänner 1912 VI. Jahrgang JÜDISCHES VOLKSHEIM II., Stefaniestraße 12. Volkstümliche Vorträge im Jüdischen Volks¬ heime. Der Verwaltungsausschuß wird an allen Sonntagnachmittagen der Saison volkstümlich ge¬ haltene Vorträge wissenschaftlichen und! künst¬ lerischen Inhaltes, denen Kunstproduktionen (Ge¬ sang, Rezitation, Instrumentalmusik etc.) ange¬ schlossen werden, veranstalten. Die erste Veranstaltung findet am 7. Jänner 1912 statt. Herr Oberingenieur Fried wird über „Judentum und Weltgeschichte“ sprechen. Gesangsvorträge des Opernsängers Herrn Heinrich Sperber. Regiebeitrag 20 Heller. Beginn 4 Uhr nachmittags. JÜDISCHES VOLKSHEIM II., Stefaniestraße 12. Samstag, den 6. Jänner 1912, abends ha Ib S Uhr, im Saale des „Jüdischen Volks¬ heim“, II., Stefanicstraße 12 KONZERT-AKADEMIE Herr Emil Scharff (Violine). .. ^ ;Fräulei nGisq, .S.i n g c.r. (Klayiey). _ Herr Dr. Benno Wünsch (Rezitationen, Johann Strauß-Theater). Programm: 1. Antonio Lotti: Arie J. S. Bach: Air J. S. Bach: Souate E-dur für Violine (solo). 2. Henry Vieuxteinps: Rcverie. M. Hau¬ ser: Ungarische Rhapsodie op. 43 (Herr Emil Scharff). 3. B a ch-T a u s s ig: Tokkata und Fuge (D- moll). P a g a n i n e - L i s z t: La Campanella (Kla¬ viervirtuosin Frl. Gisa Singer). •I. Felix Mcndelssohn-Bartoldi: Violin- Konzert (E-molI op. 64). 5. Chopin: Nokturno (Cis-moll). Liszt-Verdi: .Rigoletto-Paraphrase. 6. Rezitationen (Herr Dr. Benno Wünsch, Johann Strauß-Theater). .7. Henry Vieuxtemps: Ballade et Polo¬ naise. ■ Klavierbegleitung: Herr Louis Dite. Karten zu K 2.— und K 1.— sind im Jüdi¬ schen Volksheim erhältlich. JÜDISCHES VOLKSHEIM II., Stefaniestraße 12. Das gefertigte Kuratorium gibt den Gesinnungsgenossen und den P. T. jüdi¬ schen Korporationen und Vereinen be¬ kannt, daß die Sitzungs- und Versamm¬ lungsräume im Jüdischen Volksheime der Benützung übergeben wurden. Für größere Veranstaltungen und Versammlungen stehen große Saallokali¬ täten für Sitzungen, Besprechungen und dergl. eingerichtete Sitzungszimmer zur Verfügung, welche mietweise vergeben werden. . Die Herren Interessenten werden er¬ sucht, ihre bezüglichen Wünsche dem ge¬ fertigten Kuratorium schriftlich oder in der Zeit von 11 bis 12 Uhr vormittags und 5 bis 7 Uhr abends, im Büro des Volksheimes mündlich bekanntzugeben. Das Kuratorium des Jüdischen Volksheimes II., Stefanicstraße 12. Versprechen uor Oer Wahl. Zur Frage des Wahlrechtes in die Wiener Kultusgemeinde. Die meisten Herren, welche heute in der Wiener Kultusstube sitzen, haben als Kandidaten ijn Aufrufen, Zirkularen und Ansprachen das Versprechen gegeben, im Falle ihrer Wahl, für die Ausdehnung des Wahlrechtes in die Kultusgemeinde auf weitere jüdische Kreise energisch ein¬ zutreten. Sie haben dieses Versprechen gebrochen und bis heute nichts getan, was als energisches E in treten für die Demokratisierung des Kul¬ tus Wahlrechtes bezeichnet werden könnte. Das ungeheuerliche Steuermini¬ mum von zwanzig Kronen ist geblieben, ebenso die Kurieneinteilung, desgleichen die dreijährige Seßhaftigkeit und die ein¬ fach monströse Bestimmung, daß das ein¬ malige Versäumen des Zahlungstermines den Juden, welcher 50 Jahre hindurch seine Steuer pünktlich entrichtet hat, des Wahlrechtes-Tjeraubt.- Das bestehende Wählunrecht — auf die Bezeichnung „Wahlrecht“ hat ja die Anhäufung bor¬ nierter Paragraphen wirklich kein An¬ recht — hat es glücklich bewirkt, daß von 180.000 Wiener Juden kaum 10.000 in den Wählerlisten zu finden sind. In der letzten Sitzung des Wiener Kultusrates !h|at sich die Unlust der Herren, ein feierlich! gegebenes Verspre¬ chen einzulösen und ihre Rückständig¬ keit und Verständnislosigkeit für alle volkstümlichen Forderungen neuerlich und kraß dokumentiert. Anläßlich der Budgetdebatte wurde von einigen Her¬ ren, die mehr als schüchterne Anregung gegeben, man möge doch endlich das horrende Steuerminimum auf zehn Kro¬ nen herabsetzen und den berüchtigten Streichungsparagraphen aus der Welt schaffen. Beide Forderungen sind unter den Tisch gefallen, es bleibt beim Alten. Das starre Festhalten, der Kultusräte an den reaktionären Bestimmungen un¬ serer Wahlordnung ist eigentlich uner¬ klärlich. lEin ähnliches Vorgehen ist sonst nur bei Körperschaften zu beob¬ achten, die Machtfaktoren sind, die star¬ ken sozialen und politischen Einfluß aus¬ üben. Da will man sich ein Privileg durch engherzige Wahlvorschriften sichern. Aber unsere lieben Herren Wiener Kultusräte werden sich doch nicht etwa ernstlich jeinbilden, daß sie Träger starken, sozialen und politischen Einflusses sind, daß sie gesellschaft¬ liche Machtfaktoren sind? Die verächt¬ liche Geringschätzung, welcher sich die Kultusgemeinde heute in Volkskreisen und in den Kreisen der Intelektuellen er¬ freut, ist ja sprichwörtlich. Für wen ist denn Iheute die Kultusgemeinde Autori¬ tät? In den breiten jüdischen Volksmas¬ sen, die man jedes Mitbestimmungsrech¬ tes beraubt hat, herrscht begreiflicher¬ weise eine direkt feindselige Stimmung und das besser situierte Bürgertum ver¬ hält sich absolut gleichgiltig, weil ja von der Kultusstube nichts ausgeht, was In¬ teresse erwecken könnte. Das einzige Mittel zur Behebung die¬ ses Uebelstandes wäre die Umwandlung der (heute lediglich administrativ arbei¬ tenden Kultusgemeinde in eine jüdi¬ sche Volksgemeinde, welche alle Interessen der jüdischen Bevölkerung in ihren Wirkungskreis einbezieht. Eine solche Körperschaft müßte sich des grö߬ ten Ansehens erfreuen und wäre jn Wirk¬ lichkeit Trägerin großen wirtschaftlichen und politischen Einflusses, ihre Funk¬ tionäre Machtfaktoren. Um aber zur Volksgemeinde zu werden, muß man in erster Linie das Volk heranziehen und ihm das Mitbestimmungsrecht einräu¬ men. Wenn heute die Wiener Kultusräte sich gegen ein demokratisches Wahlrecht sträuben, so benehmen sie damit nur ihrem Amte jede Bedeutung, sie erhalten nicht ihre Macht, sondern sie ver- ■ rrsgem-sie. -. Die Fama erzählte, daß wohl nicht wenige Wiener Kultusräte bereit wären, das Wahlrecht zu erweitern, aber daß der Präsident Dr. Stern davon absolut nichts wissen will und die Herren ein¬ fach niederhält. Daß Dr. Stern enra- gierter Feind jeder volkstümlichen Er¬ weiterung des Wahlrechtes ist, wissen wir Zionisten aus eigener Erfahrung, ebenso daß er in der Abwehr bezüglicher Bestrebungen auch recht brutal werden kann. Aber schließlich ist doch der alte Herr nicht allmächtig und die Furcht vor ihm zumindest lächerlich. Die Her¬ ren Kultusräte sollten doch überlegen, ob die Starrköpfigkeit eines alten Mannes etwas so Erhabenes ist, daß man sich von ihr ins Bockshorn jagen lassen und ihr zuliebe wortbrüchig werden muß! Rote fissimilation. Wir haben zu wiederholtenmalen die ver¬ logene Haltung der Sozialdemokratie gegenüber der Judenfrage besprochen und dargelegt, daß nur die Tatsache, daß assimilatorische Juden' an der Spitze dieser Partei stehen, schuld daran ist, daß in Theorie und Praxis die österreichi¬ sche Sozialdemokratie in der Judenfrage ihre eigenen Grundsätze mit Füßen tritt. Diese Verlogenheit, die am Ende aber doch dazu führen muß, daß die Partei endlich einmal die jüdischen Führer aus ihren nationalen Or¬ ganisationen hinausweist und sie zwingt, sich einer jüdischen Sozialdemokratie anzuschließen, war naturgemäß in keinem Falle größer, als in dem jahrelangen Kampf, den die assimilato¬ rischen Führer gegen die Anerkennung der sepa¬ raten Organisation des jüdischen Prole¬ tariats — allerdings aussichtslos — geführt haben. Wir haben diesen Kampf in sefnen einzelnen Phasen als einen solchen der Assimilationslüge gegen die Wahrheit des jüdischnationaten Ge¬ dankens mit lebhaftestem Interesse verfolgt und den Ausgang richtig vorausgesagtr Die Aner- 2. ’S |