82 sollte jedes Einzelne der Art vor den Richterstuhl einer hier jedenfalls inkompetenten Zeitbildung und ihrer mit¬ unter sehr unzuverlässigen Organe gebracht werden, um daselbst seine Bestätigung oder sein Verdammungsurchcil zu erhalten. Beobachtung der Speisegefttze, der bisher übliche Gottesdienst, Sabbath- und Fcsttagsfeier u. a. m. sollen nicht etwa nach ihrem Verhältnisse zu den ih¬ nen zu Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen der Religionsurkundcn, des Pentateuchs, des Thalmuds und seiner compctcntcn Erklärer, sondern nach ihrem Ver¬ hältnisse zur Zcitbitdung, genauer zum ,/Zeitgeist" ge¬ prüft und gewürdigt werden, und darnach sollte ihre Anerkennung oder Verwerfung erfolgen. Die Zcitbil- dung kann aber hier allenfalls nur die Controlle bilden zu den auf historisch-religiösem Grunde von der gesetz¬ lichen Autorität gewonnenen Bestimmungen, um bei ei¬ ner zu auffallenden Divergenz Beider um so eher die allenfalls nöthige Berichtigung herbeizuführen und das vielleicht mit uutcrgelaufcne Zrrthümliche zu entfernen, etwa wie nach der Ansicht Einiger der sogenannte ge¬ meine Menschenverstand den speculativen zu controllircn habe. Aber für eine Quelle negativer oder positiver Bestimmungen in religiösen Dingen, im G e g e n ja tz e zu den Aussprüchen der als solche anerkannten Religions- quellen kann die Zeitbildung in den Augen jedes Unbe¬ fangenen und wahrhaft religiös Gesinnten auch nicht mit dem geringsten Scheine gelten. Zudem ist ein wesent¬ licher Grundzug christlich-germanischer Bildung: Innig¬ keit des religiösen Glaubens, gcmüthvolle Hingebung an Gott und das Göttliche, so daß an einen eigentlichen Widerspruch zwischen christlich-germanischer Bildung und der Ausübung jüdisch-religiöser Satzung als Befolgung, wenn auch nur vermeintlicher, göttlicher Gesetze gar nicht zu denken. Ein Widerspruch der Art ist mithin nicht gegen die germanisch-christliche Bildung überhaupt und ihrem Wesen nach möglich, sondern nur gegen eine Form derselben, gegen eine Zeitbildung und zwar in sofern diese nicht nur nicht vom religiösen Elemente beherrscht und durchdrungen ist, sondern mit dem Hauptaugenmerk auf Alles das, was zunächst äußere sociale Vorcheile bietet, nämlich zur Erwerbung von Reichthümern, von Glanz, Ehre und Einfluß dient, das religiöse Moment sogar sich unbedingt unterzuordnen oder zur größer« Bequemlichkeit ganz von sich auszuscheidcn unternimmt, so daß wie das jüdische, eben so gut jedes andere reli¬ giöse Moment, in seiner selbstständigen, absoluten Gel¬ tung ihr widerstreben muß. Eine solche Bildung, die man mit großem Rechte und unter Zustimmung der be¬ deutendsten und zuverlässigsten Autoritäten in diesen Din¬ gen vorzugsweise die moderne, unsere Zeitbildung nennen kann, und welche die Materialistische Denkweise als das Charakteristische unserer Zeit bezeichnet, dagegen den religiösen Ernst, den schönsten und erhabensten Zug eines wahrhaft menschlichen Gemüthes nicht einmal zu ahnen, viel weniger zu begreifen vermag, muß sich allerdings mit tiefem Unwillen abwenden von dem Juden, welcher an einer auffallenden, für ihn in religiöser Idee und Satzung begründeten Eigenthümlichkeit festhält, auf die Gefahr hin, damit dem Hohne und Gespötte, jeder De- müthigung und Zurücksetzung Preis gegeben zu seyn, für abergläubig und vorurtheilsvoll zu gelten, und des¬ halb selbst auf Vortheile seiner socialen Stellung wie auf den Verkehr mit ausgezeichneten Personen bei besondern Gelegenheiten, wenn es nöthig wäre, ferner auf aus¬ zeichnende Behandlung, auf Gunst- und Achtungsbezei¬ gung, sowie auf Genüsse mancherlei Art verzichten zu müssen. Gleichwohl gehört dieser Jude, wenn er die Blüthe christlich-germanischer und europäisch-wissenschaft¬ licher Bildung in sich ausgenommen, und mit der treuen Anhänglichkeit an die jüdisch-religiösen Satzungen unge¬ achtet ihres, wenn man will, orientalischen Colorits und Charakters zu vereinigen verstanden, mit zu den erha¬ bensten Gestaltungen und erfreulichsten Ergebnissen der Geschichte, als lebendiger Zeuge nämlich von der gro߬ artigen Unbefangenheit und Freisinnigkcit, mit der ein Volk, und wohl das Einzige, und zwar das nach seiner welthistorischen Bedeutsamkeit, wie nach seinem innern und äußern Nationalleben so eigentlich und pur exeellenee religiöse Volk, einer dem Boden einer ihm fremden Re¬ ligionsform entkeimten Cultur sich hingiebt; als leben¬ diger Zeuge zugleich für die über alle Verschiedenheit der Ncligionsformcn hinauslicgendc und von aller Ver¬ schiedenheit der Glaubensbekenntnisse unberührte höhere Einheit der wahren Religion und der wahren, wohlver¬ standenen Menschcnbildung." Es wird nun der Schluß gemacht, daß der zeit¬ gemäß gebildete Rabbmatscandidat in der Richtung der Zeit befangen scy und daher ein Vertrauen bei Ent¬ scheidung der rituellen Fragen nicht anjprechen könne. (Fortsetzung folgt.) Geschichte des Tages. Frankfurt a. M. den 31. Jan. In Nr. 4 der „allgemeinen Zeitung des Judenthums" in einem aus Frankfurt datirten Artikel, schüttet ein Eiferer für das pharisäische Judenthum seinen frommen Zorn über die „Ge¬ sellschaft zur Morgenröthe" aus, daß sie dem Herrn Cremieur ein Festmahl gegeben, welches riEHlD jubereitet war, eine Hand¬ lungsweise, die — wie der werkheilige Rabbanite meint — nicht nur religiös verpönt, sondern sogar für das Judenthum ent¬ ehrend sey. Wie lange noch werden die Thalmudgläubigen die reine Religion eines Jesaias, eines Jeremias, eines Micha mit dem Ceremonienglauden der Pharisäer verwechseln? Wie lange noch werden sie das Judenthum durch die Satzungen, welche die mit Unwissenheit gepaarte Grübelei schwärmerischer Rabbinen ersonnen und dem blindgläubigen Volke aufgebürdet hat, in den Augen der gebildeten und denkenden Welt entehren? Wie lange noch werden sie fortfahren, sich den Fortschritten der Ci- vilisatton und des bürgerlichen Lebens zu widersetzen? Die Mitglieder der „Gesellschaft zur Morgenröthe", die sich nicht zu |