307 Dr. M. Ehrenpreis: Boris Schatz. B. SCHATZ. DENKMALSENTWURF. II. Schatz wurzelt mit seinem Können und Em¬ pfinden in der Judengasse, und was er schafft, trägt ihren Stempel. Das ist seine starke und schwache Seite zugleich. Er hat kein Auge für den Reiz des formvollendeten menschlichen Leibes, für den machtvollen Ausdruck überschäumender Kraft, für die tiefe Poesie der Linien. Er hat nicht umsonst seine goldigsten Jahre im freudlosen Bethamidrasch verlebt; er ist auch als Künstler der gebeugte, verdüsterte Ghettojude geblieben, der das Golus in Thon formt. Das Golus, — noch nicht das Judentum. Das ist nicht dasselbe. Hierin gleicht Schatz den meisten Schaffenden im heutigen Judentum. Was heute in Litteratur und bildender Kunst als jüdische Kunst gilt, ist zum grossen Teile nur Goluskunst. Darin liegt ein grosses Miss Verständnis, Denn es giebt Judentum vor und neben dem Golus, diesseits und jenseits vom Ghetto. Aber in unseren Litteratur- und Kunstschöpfungen begegnen wir nur sehr selten dem vorexilischen Judentum und fast nie dem neuen Juden von heute. Sie Alle erzählen uns von denselben Hausierern und Melamdim, Schad- chonim und Krämern, von demselben grauen und hoffnungslosen Elend eines gefängnisartigen Daseins. Sie malen die Form oder den Inhalt, den Körper oder die Seele dieser finsteren Welt, aber iminer bleiben sie innerhalb ihrer Mauern. Der neue Jude, der Jude von heute mit seinem neuen Glauben und seinen neuen Hoffnungen, ist für diese Kunst noch nicht geboren. Zu viel Arme¬ leutegeruch ist in ihr und zu viel Jammer und Trübsal. Und man möchte doch fürs Leben gerne auch ein wenig froh werden. Auch das Jüdische, das ich bei Schatz finde, ist Goluskunst, noch nicht Judenkunst. Auch er steckt noch ganz im Ghetto und hat noch kein Auge und kein Ohr für das werdende jüdische Leben jenseits vom Ghetto, für das gesunde, junge, zukunfts¬ freudige Juden¬ tum, das vor unseren Augen zur Höhe, zu seiner Höhe'em¬ porstrebt. Seine Kunst ist düster, wie unser Leben düster ist. Er hat auch bisweilen Humor, aber Golushumor (der Schadehen); er meisselt bisw r eilen zarte Poesie, aber Goluspoesie (Se¬ gen des Rabbi, Hawdala). Nur in seinem „Makka- bi tt spricht er eine andere Sprache, die neue und alte Sprache des freien und aufrechten Juden. Diese herrliche Statue mutet mich an ß. SCHATZ. IM KRIEGE. |