Herausgegeben und redigiert von LEO WINZ. Bezugs- und Insertions-Bedingungen auf der letzten Textseite. Alle Rechte vorbehalten. Heft 8/9 ~~ August/September 1904 IV. Jaln g. DR. HERZL UND SU Von Professor Dr. H. Man hat mich oft gefragt, was mich wohl dazu bewogen hat, den leider so früh verstorbenen Dr. Theodor Herzl beim Sultan einzuführen, und ob es etwa speziell jüdische oder rein humanistische Motive gewesen sind, die hierzu als Anlass gedient. Wenn ich Judentum und Humanismus unter ein und dieselbe Rubrik stelle, so habe ich mich klar genug ausgedrückt, um angedeutet zu haben, dass ich das Judentum, so¬ wie jede andere Religion, vom rein humanistischen Standpunkte betrachte und für die unterdrückten Bekenner dieses Glaubens ebenso gern in die Schranken trete, als ich dies für Moslimen, Buddhisten und Christen zu tun bereit bin, falls sie Verfolgungen ausgesetzt wären. Unglücklicher¬ weise ist es aber eben das Schicksal des Juden *) Der berühmte Orientalist und Forschuugsreisende. Herr Prof. Dr. H. Vambery, bekanntlich einer der besten jetzt lebenden Kenner Vorderasiens und der Türkei, durch lang¬ jährige persönliche Freundschaft mit dem regierenden Sultan und seinem Hause verbunden, war so liebenswürdig, uns den vorstehenden Artikel zur Verfügung zu stellen. Da der geehrte Verfasser in der Sommerfrische weilt und sich seiner Tagebücher und Denkwürdigkeiten nicht bedienen konnte, ist der Artikel im Verhältnis zur Wichtigkeit des Themas kurz gefasst worden. Hoffentlich werden wir nächstens in der Lage sein, weitere Mitteilungen über dieses Thema zu bringen, sobald gewisse schwebende diplomatische Schwierigkeiten beseitigt sein werden. Die Redaktion von ..Ost und WesV\ LTAN ABDUL HAMID.*) Vambery (Budapest). Nachdruck verboten. in Europa und in Asien, welches das Mitleid jedes fühlenden Menschen am meisten erweckt. Wenn ich auf meinen Wanderungen und während meines langen Aufenthaltes in den verschiedenen Ländern der Islamwelt die Lage der Juden des nähern betrachtete, so fand ich, dass sie im grossen und ganzen unter Oezbegen, Turkomanen, Persern, Türken und Arabern wohl oft verhöhnt und misshandelt, aber nicht so systematisch ver¬ folgt und auf solch raffinierte Weise gepeinigt werden, wie dies in dem sogenannten zivilisierten christlichen Abendlande geschieht. Als ich nach längerer Abwesenheit nach Europa zurückkehrte, hat mich nichts so sehr angeekelt und empört, als die in gewissen Ländern so üppig gedeihende Schandpflanze des Antisemitismus und die lächerlich blöden Ausreden, mit welchen die Existenz der¬ selben gerechtfertigt wird. Nun, so weit haben es die heidnisch-barbarischen Asiaten noch nicht gebracht! Da ich aus diesen meinen Gefühlen und Empfindungen kein Hehl gemacht und da ich mich darüber auch schriftlich geäussert, so näherte sich mir Dr. Herzl und erkundigte sich des öfteren über das Schicksal der einzelnen jüdischen Fragmente im Osten. Später, als ihm meine freundschaftlichen Beziehungen zu den Türken und mein Verkehr mit Sultan Abdul Hamid be¬ kannt wurden, rückte er mit dem Anliegen seines Herzens heraus und bat mich: ich möchte mich |