871 H. York-Steiner: Koriander, der Chasan. 872 die intimen Gerüchte das Interesse noch erhöht — aber das alles schwand, als Koryan das Preislied anstimmte. „Morgendlich leuchtend in rosigem Schimmer," klang es von der Bühne her. Alle "Welt kannte die Tonfolge, jede Phrase und alle Steigerungen, und alle meinten, das Lied zum erstenmal zu hören, es ertönte voll Poesie, voll sieghafter Kraft mit einer fremdartigen Beimischung, die den Eindruck eher steigerte. Seine Hoheit hatte das Zeichen gegeben, und das ganze Haus erhob sich zu einmütigem Beifall. Die Kollegen waren voll rührender Aufregung. Ihre Künstlerseelen, die sonst unter einem Wust von Klein¬ lichkeiten, Routine und Selbstsucht verschüttet lagen, waren aufgerüttelt, sie gaben sich rückhaltlos dem Genüsse und der Freude über den Sieg des jungen Künstlers hin r Die Vestro nahm ihn beiseite und flüsterte ihm zu: „Gelt, nach diesem Erfolg bist nicht mehr bös auf mich — gelt, nein?" Er atmete tief auf und schüttelte den Kopf. — — Der Erfolg blieb ihm treu, er sang voll Kraft und Poesie und wuchs auch als Darsteller. Einmal fragte ihn Bierbaum — als die Vestro längst verheiratet war und das Theater verlassen hatte: „Geh, sag' mir einmal, wieso ist denn eigentlich Deine Umwandlung geschehen? Du bist ja seit Deiner Reise ein ganz anderer Mensch, ein anderer Sänger." Koryan schwieg lange, als müsste er sich be¬ sinnen. „Ja," meinte er endlich, „so oft ich auf die Bühne komm 1 , bild' ich mir ein, es ist Sabbat." Und Bierbaum verstand ihn doch nicht. — — — HEBRÄISCHE GESANGE. Eine Erwiderung. Sehr geehrte Redaktion! Im Novemberheft (No. 11) Ihrer geschätzten Monatsschrift _, ; Ost und West" ver¬ öffentlichten Sic eine Beurteilung meiner Sechs hebräische Gesänge (von Lord Byron) nach jüdischen Melodien", die den Anschein erweckt, meine musikalische Arbeit in einem wenig günstigen Licht erscheinen zu lassen. Es sei mir daher gestattet, in sachlichem Interesse dieselbe auch von einer anderen Seite be¬ leuchten zu dürfen. Ks war nicht meine Absicht, mit meinen ..hebrä¬ ischen Gesängen" («lies ist der allgemein üblicheTitel, den z. 1). auch Kol). Schumann gebraucht), moderne Musik¬ stücke aus einzelnen hebräischen Motiven, \\\c etwa das Bruchsche ..Kolnidrei", zu komponieren; noch weniger wollte ich sie neben die herrlichen ..Kruste. Cresängc'' von Brahms gestellt wissen. Ich glaubte vielmehr, dass die Verbindung der von jüdischem (»eist durchwehten Byronschcn Gedichte mit den aus dem jüdischen Gemütsleben entsprungenen alten nrigina 1 melodien eine dem jüdischen Kmpfinden ent¬ sprechende Stimmung erzeugen müsste, und in diesem Sinne habe ich versucht, mir passend scheinende Texte und Melodien zu vereinigen und den Original¬ weisen in Stil und Charakter entsprechende J ■> eg leit u n gen u nte rzu 1 e g en. Dass nach dieser Richtung mein Versuch auf künstlerischer Grundlage als gelungen zu betrachten ist, beweisen die vielen zustimmenden Kritiken und Zuschriften hervorragender Künstler. So schreibt Tgnaz Brüll in Wien: ...... Ks ist zu verwundern, wie vortrefflich Sie den Texten die altjüdischen Weisen anpassten. Die Gesänge machen ganz den Kindruck von Original-Kompositionen und zwar von herrlichen Original-Kompositionen. Wie tief und schein sind diese Weisen ! Ihre B e g 1 e i t u n g stets ch a r a k t e - ristisch, interessant, die Melodie hebend und sie nie überwuchernd . . . Acimlich und durchaus zustimmend äusserten sich die Musikkritiker und Komponisten Prof. J. Sittard, Prof. Emil Krause, Prof. Jul.Spengel, Prof. Arnold Krug u. v. a. Gestützt auf solche Dokumente künstlerischen Wertqs glaube ich, in meinen hebräischen Gesängen insbesondere dem geehrten Leserkreis von „Ost und West" ein Stück jüdischer Kunst empfehlen zu können, das textlich und musikalisch seinem jüdischen Empfinden entsprechen dürfte, und das geeignet er¬ scheint, im Konzert wie im häuslichen Kreise als wünschenswerte und gern begehrte Gabe begrüsst zu werden. Hamburg. Hochachtungsvoll M. He nie. Abonnementspreis für das Jahr in Deutschland und Oesterreich Mark 7,— (Luxusausgabe Mark 14,—), für das Ausland Mark 8,— (Luxusausgabe Mark 16,—). für Russland ganzjährlich 4 Rubel. Einzelhefte ä 35 Kop. _ _______. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, durch alle Postämter des Deutschen Reiches unter No. 5785 a der Postzeitungsliste und durch die Expedition dieser Zeitschrift. Anzeigen 75 Pfennig die viergespaltene Petitzeile, grössere Anzeigen nach Tarif, bei Wiederholungen Rabatt. Stellen-Gesuche und -Angebote zum halben Preise. Adresse für die gesamte Korrespondenz: Verlag „Ost und West", G. m. b. H., Berlin NW. 23, Altonaerstr. 36. Verantwortlicher Redakteur: Leo Winz, Berlin, Altonaerstr. 36. — Verlag Ost und West, G.m.b.H., Berlin NW. 23, Druck von Pass & Gar leb, Berlin W. 35. |