191 192 EINE NEUE SPINOZA - BIOGRAPHIE . " Vau Beruh . M ü n z . IE » ) Nachdruck verboten . Aus Pietät für den Vater verschloss Spinoza jedoch seine Ueberzeugung in sich , bis das Trauerjahr nach ihm verstrichen war . Dann brach er offen . mit den jüdischen Satzungen , übertrat sie und wurde , da er um keinen Preis zu einer Sinnesänderung zu bewegen war , am 27 . Juli 1656 mit dem grossen Banne belegt . So stiess die Amsterdamer Gemeinde einen der edelsten Juden , den sie mit Stolz zu den ihrigen hätte zählen können , mit Schimpf und Schande , unter den schreck¬ lichsten Flüchen und Verwünschungen von sich . Freuden¬ thal folgt nur dem Beispiele Spinozas , seiner Forderung , die Menschen und ihre Handlungen nicht zu ver¬ abscheuen , sondern zu verstehen , wenn er dieses un¬ selige Anathema mit der ihm eigenen vornehmen Ob¬ jektivität betrachtet und demgemäss milder beurteilt , als man gewohnt ist : „ Man wird sich vor allem sagen , dass es doch eine wesentlich härtere Strafe ist , nach schrecklichen Folterqualen lebendig verbrannt , als nach einem strengen Verhör aus der Gemeinschaft der Juden verbannt zu werden . Auch wird man das Verfahren der jüdischen Gemeindebehörde billigerweise nicht nach den Gesinnungen der Gegenwart , sondern nach den Anschauungen ihres Zeitalters beurteilen müssen . Wie weit aber stehen diese von den unserigen ab ! . . . . Selbst in den Niederlanden verfolgten und verketzerten die verschiedenen Glaubensparteien einander oft aufs bitterste . Auch hier wurden diejenigen , welche es wagten , den Dogmen ihrer Kirche zu widersprechen , zwar nicht zum Scheiterhaufen verdammt , aber doch oft genug mit schweren Strafen von den Staatsbehörden belegt . . . . Selbst die sehr duldsame Sekte der Mennoniten strafte mit Entziehung des Abendmahls , mit Exkommunikation und Untersagung alles freund¬ schaftlichen Verkehrs „ die hartnäckigen Sünder , Ketzer und die , welche in der Lehre irrten " . Menno , der Begründer der Sekte , nannte den Bann „ das Kleinod der Kirche , ohne das eine Gemeinde wie eine Stadt ohne Mauern und Tore sei " . Es ist nicht verwunder¬ lich , dass in dieser Umgebung die jüdische Gemeinde von Amsterdam durch ein gleiches Mittel das Umsich¬ greifen der Ketzerei zu verhindern suchte . Ausser¬ dem gilt es zu bedenken , dass die Juden Spaniens um ihrer Religion willen die grausamsten Verfolgungen tapfer ertragen hatten . Sie atmeten in den duldsamen Niederlanden auf und gründeten hier neue Gemeinden . Sie waren glücklich , ihrer Religion wieder leben zu können . Eine gewaltige Erbitterung musste sich daher ihrer bemächtigen , als ein junger Glaubensgenosse , der Spross einer angesehenen Familie , auf den sie so grosse Hoffnungen gesetzt hatten , es wagte , ihren alt¬ ehrwürdigen Glauben offen für einen grossen Irrtum und damit alle ihm gebrachten Opfer für eine Torheit zu erklären . Dass die Gemeinde Spinoza als einen Feind ansah und ihn aus ihrer Mitte entfernte , wird man ihr daher nicht zum Vorwurfe machen können . Uebt doch noch heute jede Gemeinschait das Recht , ein Mitglied von sich zu weisen , das sich ihren Satzungen und Verordnungen widersetzt . Nur die rohe , mittelalterliche Form , in der man den Bann verhängte , schreit gen Himmel . Er blieb denn auch trotz der Flüche , die auf sein Haupt herabbeschworen wurden , für alle Zeiten das , was sein Name besagt , ein „ Gesegneter " . ! ) Siehe „ Ost und West " Heft 2 . Der Exkommunikation folgte bald eine andere , Strafe . Da er im Gegensatze zu seinem älteren Zeit¬ genossen Uriel da Costa seinen inneren Frieden über alles schätzte und daher nackensteif blieb , stellte R . Morteira dem Amsterdamer Magistrat vor , dass Spinoza durch seine Ansichten über die Bibel sich auch gegen die christliche Religion vergangen habe , und forderte seine Entfernung aus der Stadt . Dieser Forderung wurde nach einigem Zögern Folge geleistet . Und so ward Spinoza auf einige Monate aus Amsterdam verwiesen . Schwere innere Kämpfe müssen die nächsten Jahre ausgefüllt haben . Heisst es doch in der die Wurzeln seines Denkens und Strebens bloss - legenden Einleitung zu der um das Jahr 1661 ver - fassten Schrift : „ Ueber die Läuterung des Verstandes " , dass auch er lange Zeit nach den Gütern verlangt habe , welche die grosse Menge für die höchsten hält , nach Reichtum , Ehre und Sinnengenuss ; die Erfahrung aber habe ihn gelehrt , dass diese vermeintlichen Güter eitel und nichtig , ja oft verderblich seien , und dass alles , wovor man sich fürchte , nur insoweit gut oder schlecht sei , als unser Gemüt dadurch erregt werde . Darum habe er sich nach langer , eindringender Ueber - legung und nach manchen Rückfällen in die alten Irr¬ tümer endlich entschlossen , die sicheren Uebel für ein einziges wahres Gut aufzugeben , für die Liebe zu Gott , dem ewigen und unendlichen Wesen und die Einheit mit ihm . Wer dieses Gut erworben habe , der allein geniesse höchstes , nie endendes Glück . Der Bann hatte den Bruch mit den Verwandten und Stammesgenossen herbeigeführt . Freunde und Schüler traten an ihre Stelle und Hessen Spinoza nicht völliger Vereinsamung anheimfallen . Sie rekrutierten sich zumeist aus den Sekten der Kollegianten und Mennoniten , zu denen er sich schon vor der Ablösung vom Judentum hingezogen fühlte , weil sie die Haar¬ spaltereien der Theologen verwarfen , keine Priester hatten , sich von dem äusserlichen Treiben der kirchlich Gesinnten fernhielten und sich zu einem einfachen und lebendigen Glauben bekannten , der sich in Werken der Charitas äussert . Sie wollten wahre Jünger Jesu sein und legten den höchsten Wert auf stille Herzens¬ frömmigkeit und Taten der Barmherzigkeit . Dadurch wollten sie ein Reich Gottes auf Erden gründen und seine Kirche auf Liebe und sittlicher Reinheit aufbauen . Einer der glühendsten Verehrer Spinozas war der Amsterdamer Kaufmann Simon Joosten de Vries . Noch im Tode gab er seiner Liebe und Fürsorge für den Freund und Meister ergreifenden Ausdruck . Mit Glücksgütern reich gesegnet , hatte er noch bei Leb¬ zeiten Spinoza eine Summe von 2000 Gulden schenken wollen . Spinoza aber hatte das Anerbieten mit der Begründung abgelehnt , dass er eine so grosse Summe nicht nötig habe , und dass ihr Besitz ihn seinen wissen¬ schaftlichen Untersuchungen abwendig machen könnte . Nun wollte de Vries , als er im Jahre 1667 sein Ende her¬ annahen fühlte , Spinoza zum Universalerben einsetzen . Auch dies wies unser Philosoph rundweg mit der Er¬ klärung ab , der gesetzmässige Erbe , Simons Bruder Isaak , dürfe seines Rechtes nicht verlustig gehen . Darauf hinterliess de Vries dem Bruder sein ganzes Vermögen , jedoch unter der Bedingung , dass Spinoza zeitlebens eine zu seinem Unterhalt ausreichende Rente beziehe . Diese nahm Spinoza an , er setzte sie aber |