35 A. Benesra: Jüdische Büchersammlungen in alter und neuer Zeit. 36 Zweck habe ich Bücher aus allen Gebieten der Wissenschaft angekauft, manches in zwei oder drei Exemplaren . . Da er auf seine Bibliothek zu sprechen kommt, wird der etwas trockene und pedantische Gelehrte förmlich poetisch: „Mein Sohn! Die Bücher sollen deine unzertrennlichen Gefährten sein. Der Bibliothek¬ saal soll dir Garten und Park ersetzen. In diesem Garten lustwandelnd pflücke Blumen und sammle Früchte . . Hier folgt eine Keihe trefflicher Ratschläge betreffend die Oekonomie der für das Studium der Wissenschaften zu verwendenden Zeit, betreffend die Anordnung und Katalogisierung der Bücher und die Instandhaltung der Bibliothek . . . „Leihe deine Bücher allen denen, die keine eigenen besitzen, aber gib kein Buch aus dem Zimmer, bevor du es in die Liste der ausgeliehenen ein¬ getragen hast. . . Die Bücher, das ist dein kost¬ barster Schatz . . . Die Bücherschränke müssen schön und mit schönen Vorhängen versehen sein ..." Bei diesem steigenden Bedürfnisse nach Büchern ist es kein Wunder, dass der Buchhandel unter den Juden sich immer mehr entwickelte. Schon der Dichter Immanuel, ein Zeitgenosse, vielleicht ein persönlicher Freund Dantes, erzählt von dem Buchhändler Aharou, der aus Toledo nach Rom 180 hebräische Handschriften brachte, von denen der grösste Teil ihm unterwegs, in Perugia, von Liebhabern abgekauft wurde. In späteren Jahr¬ hunderten hat der jüdische Buchhandel - immer KAETHE MÜENZER. OELGEMAELDE. Frau aus der Bretagne. grössere Dimensionen angenommen. Benjamin Seev aus Arta (Morea) im 16. Jahrhundert erzählt, dass in seinem Heimatlande zahlreiche jüdische Buch¬ händler wohnen. Bei dieser grossen Anhänglichkeit der Juden an ihre Bücher ist es nur zu begreiflich, dass es im Mittelalter den jüdischen Büchern nicht besser erging als ihren Besitzern. Konnte man die Juden beim besten. Willen nicht ausrotten, so versuchte man wenigstens, ihre Lieblinge zu vernichten, wohl wissend, dass man jene durch nichts so hart treffen kann. Im Jahre 1230 befahl Papst Gregor XL, alle jüdischen Bücher, die Bibel ausgenommen, zu verbrennen. Diesem Beispiel folgte Ludwig der Heilige in Frankreich im Jahre 1240, die Päpste lnnocenz IV. 1244, Johann XXII. 1320, Bene¬ dict XIII. 1415. Im Jahre 1286 befahl Papst Honorius IV. dem Bischof von Canterbury, allen englischen Juden ihre Bücher abzunehmen und den Flammen zu überliefern. Julius III. verordnete im Jahre 1553, just am Laubhüttenfeste den Juden der italienischen Städte die Bücher zu konfiszieren und zu verbrennen. Diesem Edikt sind zahlreiche literarische Schätze zum Opfer gefallen. Der „schreckliche Tag" der Verbrennung blieb den Juden noch lange im Gedächtnisse hafften. Abraham Menachem Kohen Rapa aus Venedig, einer der Vorfahren der später nach Polen ausgewanderten und zur Berühmtheit gelangten Familie Rapoport, schildert in seinem Buche „Minchah ^Belulah" (Verona 1594) das furchtbare Ereignis, zu dessen Erinnerung er an jedem Jahrestag sein ganzes Leben lang fastete. Da die Juden — erzählt uns der Verfasser weiter — infolge der Vernichtung des Talmud sich der traditionellen Lehre beraubt sahen, fingen sie an, der Mystik zuzuströmen und versanken immer mehr in Aberglauben. Derselbe Verfasser zeichnete sich durch ein phänomenales Gedächtnis aus und konnte dem Herausgeber des Jalkut Schimeoni Mei'r Pring die Quellen aller in diesem Werke vorkommenden Zitate aus dem Talmud angeben. Mit dem Verbrennen des Talmud war dieser also noch lange nicht tot gemacht. Uebrigens musste die Totmachung dieses Buches immer von neuem vorgenommen werden. Papst Paul IV. beti aute mit dieser Arbeit das Inquisitions¬ tribunal, welches 1559 zu Krenona an die zehn¬ tausend Bände auf den Scheiterhaufen schleppte. Das Vernichtungswerk wurde fortgesetzt von Pius V. 1566, Clemens VIII. 1592 und 1594. Die jüdischen Bücher erlitten das Schicksal der Juden. In Deutschland brandschatzte Rupprecht II. die Juden im Jahre 1391 und verjagte sie dann; die geraubten Bücher schenkte er der fünf Jahre vorher gegründeten Universität zu Heidelberg, die aber alle, bis auf ein Talmudexemplar, wieder ver¬ kaufte. David Kalonymos, in Neapel, der aus Spanien stammte, erzählte 1506, wie in seinem Heimatlande und in Portugal oftmals eine Razzia nach der andern auf jüdische Bücher veranstaltet wurde, wobei der grösste Teil von ihnen unwieder¬ bringlich vernichtet wurde. Josef Hakkohen aus Avig- |