301 302 SONNENTHAL Von Max Schacherl. Ein Charakter handle und spreche nie über seine Welt hinaus; aber für das, was in seiner Welt möglich ist, finde er die reinste Form und den edelsten Ausdruck. Hebbel. Sonnenthal!... Nicht Erinnerungen sind es, die der Name weckt. Nicht ein Zurückdenken an Stunden höchsten, edel¬ sten Genusses; frisch und unverwelkbar leben diese Stunden in uns fort, steht er selbst vor uns, klingt seine volle, weiche Stimme an unser Ohr. Als wäre es gegenwärtig, so können wir es noch empfinden, so können Sonnenthal als „Wilhelm Teil". Adolf von Sonnenthal. als müsste der schwere Vorhang sich wiederheben, als müsste Sonnenthal Nathan wieder erscheinen und froh und freudig rufen: „Da bin ich wieder, liebe Kinder! . . . Nein, ge¬ denken wir seiner, so ist keiner von uns älter ge¬ worden, der Greis und der Jüngling, das junge Mäd¬ chen und die alternde Frau — dieselben sind sie, er¬ innern sie sich der Abende im Burgtheater. Wie ein geheimes, lockendes Wer¬ ben war sein Spiel, war die bestrickende Melodie seiner Stimme. Es war, als spiele er nicht für alle, sondern für jeden besonders. Wenn er von dem kühnen, heissen Stre¬ ben junger Liebe sang, des Lebens reinste Freude und unendlichstes Leid Nachdruck verboten. wir's noch iühlen. Er ist nicht mehr. Aber „Nathan" ist geblieben und „König Lear", der „Wallenstein", und mit' ihnen alF die gebroche¬ nen Helden und unge¬ brochenen Charaktere, denen er sein volles, heisses Leben gegeben. Nun hat er, der so oft die Tragödie des Sterbens gespielt, dem Spiel ein Ende gemacht. Sein Stück ist aus, der Vor¬ hang fällt. Aber noch immer will die Menge nicht weichen und blickt auf jene Bretter, die er zu einer Welt gewandelt, die ihm die Welt schlecht¬ hin bedeuteten. Es ist, Sonnenthal als „Nathan der Weise" |