319 wie der berühmte Religionshistoriker Overbeck , der Freund Nietzsches , die , ,Blicke in die Religionsgeschichte “ mit anerkennenden Worten aus seiner Bibliothek hervorzog ; dieses Buch wie Joels Schriften zur Aufhellung , ja beinahe zur Wiederentdeckung der jüdischen Philosophie des Mittelalters , in der er sich nächst Munk als damals besten Kenner fühlen durfte , dann seine Nachweise der jüdischen Quellen Spinozas , taten ihre anregende und vielfach überzeugende Wirkung in den Kreisen der Wissenschaft , mochte auch z . B . seine fiktive Auffassung Aristobuls sich nicht durchsetzen und die Forschung inzwischen für Spinoza weitere Quellen fest - gestellt haben . Er war ein vielseitiger und scharfsinniger Geist , der in der Wissenschaft zu größerer Leistung und Bedeutung gelangt wäre , wenn ihm das Amt dafür Zeit gegönnt hätte . Warüm ging er nicht den Weg eines Hermann Cohen , eines Moritz Lazarus , eines Jakob Bernays zur reinen Wissenschaft in akademischer Wirksamkeit ? Er hat seine ernstlichen Studien der Philosophie und der klassischen Philologie nicht nur mit der Doktor - , sondern auch mit einer Oberlehrerprüfung abgeschlossen , die er in humanistischen Fächern noch besser als im Hebräischen bestand , in dem er doch schon durch seinen Vater bis zu 18 Jahren gründlich geschult war . Als aber mein Vater im preußischen Kultusministerium anfragte , ob der jüngere Bruder als Jude Aussicht auf Anstellung im höheren Schuldienst habe , antwortete der damalige Minister : , ,Raten Sie Ihrem Bruder umzusatteln . “ Dann durfte Manuel Joel ja am Breslauer Rabbiner־־ seminar sich ebensowohl als Lehrer in Gymnasialfächern betätigen wie als Prediger . Die Berufung an die große Synagoge entschied für letzteren Beruf . Als aber weitere Schriften den starken Ausweis seiner wissenschaftlichen Neigung und Befähigung brachten , als manche Stimmen ihm nun zur Habilitation an der Universität rieten , und auch seine Gattin sich zu deren Sprachrohr machte , brachte er sie zum Verstummen durch die neckende Frage : Du willst wohl Frau Professor heißen ? Derselbe Mangel an Ehrgeiz , der bei seiner Ablehnung der zwei Rufe nach Berlin mitsprach , hat ihn wohl auch vom Beginn einer akademischen Laufbahn zurück - gehalten . Aber der Grund lag noch tiefer . Er sprach mir einmal mit einem leisen und doch tiefgehenden Bedauern davon , daß er nicht in der Wissenschaft seinen ganzen Mann stellen durfte , — , ,obgleich ich meinen Beruf sehr liebe, “ fügte er hinzu . Ja , er liebte seinen Beruf ; er w : ar eben keine aus - schließliche Gelehrtennatur wie etwa sein Freund Jakob Bernays , von dessen weltfremdem , unpraktischen Wesen er manche heitere Anekdote erzählte . Er wollte wirken ; denn er liebte die Menschen und suchte mit dem Wahren zugleich das Gute . Eine sonnige , kindliche Güte lag in ihm , die schon seine Wohltätigkeit so notorisch machte , daß seine Empfehlungen unter den Almosensuchern wie Börsenpapiere gehandelt worden und einer auf das Türplakat , ,Verein gegen Haus - bettel “ die Worte schrieb : , ,aber geben tut er doch . “ Seine Wohl - tätigkeit war verankert in seinem sittlich - religiösen Bewußtsein , zuletzt in seiner Weltanschauung . Dieselbe Menschlichkeit , die ihm das Amt der Seelsorge schätzbar , ja heilig machte , wuchs ihm aus zur Humanität des Geistes , trieb ihn , auch Menschen der Vergangen - |