320 heit verstellend sich nahe zu bringen , hieß ihn auch für die Zukunft Gegensätze versöhnlich ausgleichen , weitete ihn zuletzt zum philo - sophischen als synthetischen Geist und bildete ihn selbst zum har - monischen Charakter . Aus bejahendem , vertrauenden Geist quoll sein Glauben wie sein Denken und darum gab es in ihm zwischen beiden , zwischen Herz und Kopf , nicht jenen Zwiespalt , der den Zeitgeist in so laute Extreme zerriß . In einer Zeit , die da schwankte zwischen konventionellem oder romantischem Traditionalismus und dem , ,neuen Glauben ‘ ' oder Unglauben eines David Friedrich Strauß und schon eines Hackel , in dieser Zeit , in der Manuel Joel selbst verdiente Führer des jüdischen Gemeindelebens innerlich ungläubig fand , stellte er selber in seiner Person eine lebendige Verbindung jüdischen Glaubens mit wissenschaftlich bewußter moderner Kultur dar , und so durfte gerade die Vereinigung des Predigers und des Gelehrten in ihm , dieses Priestertum eines , ,Weisen, “ dem Judentum zum Segen gereichen . War es doch damals , als zur Rettung vor dem vorherrschenden Unglauben der Protestantismus sich auf die sozial - praktische , ja sozialpolitische Mission warf , wie der Katholizismus auf die Erneuerung der Hierarchie im Unfehlbarkeitsdogma , in seinem inneren Halt am meisten bedroht , wenn nicht Persönlichkeiten wie Manuel Joel als Retter des Alten im Neuen auf die Schanze traten . Er selber war weit davon entfernt , sich für einen großen Mann zu halten ; aber ob nicht etwas von jenem Kennzeichen , das er diesem gab , von der Vereinigung für unvereinbar geltender Eigen - schäften , ihm selber innewohnte ? Als Nahestehender habe ich zuletzt kein Recht ihn einzuschätzen ; aber wenn ich den Gesamteindruck meiner Erfahrungen bekennen darf : es war mir auf meinem Lebens - weg beschieden , so manchem bedeutenden Mann nahe zu kommen , aber kaum einem , dem gleich ihm die geistige Bedeutung so unmittel - bar aufgeprägt war , so anspruchslos anhing , der wie er so natürlich , so naiv in einer Atmosphäre von Geist atmete , so ungewollt , un - gemacht eine innere Würde zur Schau trug als harmonisches Maß . Er brauchte nicht erst von seinem philosophischen Lehrer Trendelenburg , dem Erneuerer des Aristoteles , dessen Lehre zu vernehmen , daß die Tugend die Mitte zwischen Extremen sei ; er trug in einer Zeit , die teils im nüchternen Materialismus am Boden kroch , teils im hohen und hohlen Pathos ausschweifte , jene klassische Tugend der Mitte , jene reife Besonnenheit in sich , die ohne Zwang der Gegensätze Herr wird , die fest auf der Erde stehend sich doch von höherer Macht erhalten und erhoben fühlt , jenes Ethos , das sein Leben , sein Denken , sein Glauben als verbindende Kraft durch - drang und das unserer wirr suchenden Zeit wieder so dringend nottut . Joel als Semmarlehrer und seine Wahl zum Rabbiner in Breslau . Von A . Eckstein in Bamberg . Das 10 jährige Lehren und Wirken M . Joels am jüd . - theo - logischen , Seminar zu Breslau ( 1854 — 1864 ) bedeutete in seinem Leben gleichsam die Frühlingszeit , in der seine große Begabung zu |