355 des Gewissens und der Kulturzugehörigkeit , die auch eine Art von Gewissensfrage fst . Ich bedaure nur , daß Rosenfeld die Selbstverwal¬ tung in die Hand der Kulturgemeinden legen will . Er beruft sich dabei auf die Beselersche Judenordnung , und wir stimmen ihm darin zu , daß diese einen beträchtlichen Fortschritt bedeutet . Aber sie ist theo¬ retisch unzweifelhaft noch sehr unvollkommen . Denn die Juden als Religionsgemeinschaft und die Juden " als Sprach - und Kulturgemein¬ schaft fallen auch in Galizien und Polen durchaus nicht zusammen . Wer die Kulturangelegenheiten in die Hände der Religionsgemeinden legt , muß die Gefahr in Kauf nehmen , die polnisch assimilierten Juden zu vergewaltigen und im schlimmsten Fall aus der Religionsgemcinde herauszudrängen . Die theoretisch richtige Lösung ist offenbar die , neben den religiösen Korporationen , die Juden aller sprachlichen und kulturellen Zugehörigkeit umfassen , nationale , , Volkuni versittiten " zu errichten , die sich nur aus den „ Bokennorn " des jüdischen Sprach tu ins . zusammensetzen . Was nötig ist , ist reinliche Scheidung des Unter¬ schiedenen , Organisation des Zusammengehörigen . Von hohem Interesse sind die historischen und soziologisch - theo¬ retischen Kapitel der kleinen Schrift . Besonders schlagend ist , was R . über die Art und Weise sagt , wie die Polen bisher die „ Assimilation der Juden " aufgefaßt haben . Sie haben in Galizien , wo sie seit 50 Jahren unumschränkt regierten , auch nicht das mindeste getan , um die Juden mit polnischer Sprache und Kultur zu tränken und wirtschaftlich der sogenannten Wirtsbevölkerung anzugleichen . Sie haben all das , d . h . die echte Assimilation , im Gegenteil eher verhindert . Assimilation heißt ihnen nichts anderes als die blinde Gefolgschaft der jüdischen Masse bei den Wahlen und ihr Bekenntnis zur polnischen Gemeinschaft bei der Statistik , die auch nur ein Mittel für Wahl - und Herrschaftszwecke ist . Solange die Juden diese rein passive Rolle als Stimmvieh , nament¬ lich gegen die Ruthehen , spielten , waren die Polen zufrieden . Und in dieser Beziehung soll es , darüber können vereinzelte Äußerungen wohl¬ meinender Idealisten nicht forttäuschen , auch beim Alten bleiben . Die starke Minderheit , die mehr als ein Zehntel der gesamten Bevölkerung Galiziens ausmacht , und die etwa ein Viertel so stark ist , wie die Polen im Westen und die Ruthenen im Osten , soll nach wie vor staatsrechtlich als nicht existent oder vielmehr als staatsrechtlicher Bestandteil des Polentums betrachtet werden , soll aber gleichzeitig nach wie vor als Fremdvolk sozial niedergehalten und wirtschaftlich immor mehr ihrer Existenzmittel beraubt werden . Ein seltsames Paradoxon : offiziell sollen sie Polen sein , offiziös aber als Nichtpolen drangsaliert und ent¬ wurzelt werden . Wir haben hier die widerspruchsvolle Logik der auf¬ kommenden polnischen Bourgeoisie , die die Juden als Werkzeug ihrer politischen Macht nicht aus der Hand geben , und die sie andererseits als wirtschaftliche Konkurrenten iii Gewerbe und Handel ausschalten will . Der verstiegene Nationalismus ist auch hier , wie überall in der Welt , das ideologische Mäntelchen des zwischen den kapitalistischen Elementen tobenden Konkurrenzkampfes . R . sagt ausgezeichnet : „ Im |