M E IM O RAH Illystrated Monthly For The Jewith Home illui'tr .monatotch rift für dlb jüdische familie \ ■:RI,A(i F. H Kl).\ KTIOX: WIKX «YIKX.XA IX. r.K/., MKIKUiASSK 31 ; TKI.Kl'I|( )X 15-5-97 DRUCK: »ELÜEMiJIIL*, WIKX. IX.. IIKKtKi. 31 J. .J.UIRCUXf NU. 0 Al'.OX'X KM K.XTS- T. 1 X S KU A T K X A I KT I! \ (1 K NIMMT MI'. AD.MIXISTKATIOX WIKX YIKXXA ix.. r.KK<;(;.\ssK:n. kxk.kj.kx ti.k. AUS UNSERE!? ZEIT I. Inszenierung und Taktik der antisemitischen Studentcnkrawallc an der Wiener Universität weisen einen Grad von Zielbewußtscin und poli¬ tischem Raffinement auf, der ohne die Voraus¬ setzung einer sehr geschickten und einflußreichen Leitung gar nicht denkbar wäre. Wer näher zusieht, wird sich in Zukunft davor hüten, von Temperamentausbrüchen ciner verbitterten und durch vermeintliche Provokationen unzurechnungsfähigen Jugend zu sprechen. Man bedenke: zuerst flackern die Demonstrationen gerade in den Hörsälen zweier jüdischer Profes¬ soren, Tandler und Grünberg, auf, die als en- ragierte und prominente Sozialdemokraten be¬ kannt sind, gleichsam um die Identifizierung des akademischen Judentums mit dem Marxismus zu demonstrieren. Der Schachzug gelingt, die Sozialdemokratie muß, so gerne sie sonst in der Juden frage schwer¬ hörig ist, zu dieser Provokalion Stellung nehmen. Nun plötzlich wendet sich das Blatt: die Ruhe¬ störer fühlen sich verpflichtet, allen nichtjüdischen Sozialisten spontan die Versicherung zu geben, daß sich die Krawalle lediglich gegen die Juden richten, die gewarnt werden, den akademischen Boden zu betreten. Damit ist es den großen Unbekannten, die hinter diesen Auftritten stehen, in geradezu raf¬ finierter Weise geglückt, die So¬ zialdemokratie, die schon zum Ver¬ lassen ihrer Vogclstraußpolilik ge¬ nötigt wurde, vor das Dilemma zu stellen, der er¬ hofften Neuregelung der akademischen Jüdcnfrage entweder freie Hand zu lassen oder aber sich als „Judenschutztruppe" vor aller Welt zu kompro¬ mittieren. Grund genug anzunehmen, daß die Krawalle wieder einmal nur Mittel zu einem ganz anderen Zweck sind. Diesem sehr geschickt arrangierten Vorgehen gegenüber wirken die von ehrlicher Entrüstung erfüllten Abwchrmaßrcgeln des Wiener Juden¬ tums zwar höchst sympathisch, doch allzu primi- Spez; allst für Jlrtdnischc Wäscht hraiil- (tn.sufatfiuKjcn ü >< M. &i« k iiiiii$»'or (ipf/rihitlrl 1SSS Telephon^') IV Vf., M(in<(hil('rr Str. }U Mc::ni,hi Uv. So lange wir Juden nicht mit kühlem Kopfe und warmem Herzen uns einer politischen Auffassung unserer kritischen Situation hingeben werden, ist kein Ende der ständigen Konflikte abzusehen. Gerade jetzt, wo das provozierend rüde Vorgehen des Radauantisemitismus allmählich weitere, nicht- jüdische Kreise zur Verurteilung dieses Treibens nötigt, wäre der richtige Moment zu zielbewußten und weitblickenden \'erständigungsversuchen mit dem ruhig denkenden Teile unserer Umgebung. Noch viel mehr als der Rektor der Wiener Universität, der katholische Theologe Döller, der inmitten stark antisemitischer Einflüsse bisher vor¬ bildlich korrekt vorgegangen ist, hat sich der Erz- bischof von München, Kardinal I'aulhabrr, in der Judenlrage exponiert, der in einem Schreiben an den Reichskanzler wie in einer Predigt am Allerseelenlage äußerst scharf gegen den haken- krcuzlerischen Antisemitismus .Stellung genommen hat. Es ist bezeichnend für die Uj,o der Dinge, daß in einem erzkatholischen, monarchistischen und vorgeblich chauvinistisch-christlichen Lande dieser schöne Schritt des höchsten kirchlichen Oberhauptes, eines Fürsten der römischen Kirche, der überdies noch durch vertraute Beziehungen zu dem Thronanwärter, dein früheren Kronprinzen Rupprecht, eine besonders prägnante Stellung einnimmt, seinem Urheber eine Mut gemeinster Beschimpfungen eingetragen hat, die — auf den gesamten katholischen Klerus als „Judenpfaf¬ fen" (!) ausgedehnt -— wieder eine außerordent¬ lich scharfe Verurteilung in der gesamten alpen- ländischen, auch österreichischen katholischen Presse gefunden haben, eine Konstellation, auf die vielleicht auch die Differenzen zwischen den Wiener deutschvölkischen und deutschkatholischen Studenten zu¬ rückzuführen sind. Gerade in diesem wichtigen Zeitpunkt verbreitet sich die Nach¬ richt, daß in Genf Verhandlungen zwischen dem \ atikan und dem ökumenischen Patriarchat begonner haben, die auf die Beseitigung des Schismas, die Vereinigung der sei! 1000 Jahren verfeindeten katho¬ lischen Konfessionen hinzielen. Ge¬ lingt dieser Plan, der nicht aus¬ sichtslos sein soll, so bedeutet dies einen ganz ungeheuren Macht- Zuwachs des päpstlichen Stuhle? im nahen Osten, also auch in Pa¬ lästina, Syrien und Mesopotamien, eine Entwick¬ lung, der auch England nichts in den Weg zu legen scheint, und die Frankreich unterstützen wird, das nach der berühmten Maxime G a in- Waldeck-Rousseaus und Combes niemals seinen Antiklerikalismus zum Exportartikel gemacht hat. Gibt es einen Weg für das Judentum, die wichtige Unterstützung, die sich unvermutet an der Isar gehend machte, am Jordan wiederzu¬ finden? ------ch. Othmar Schiff Grüßte internationale .Kunstwerkstätte für Perücken, Scheiteln und Transfor¬ mationen liefert seit mehr als anderthalb Jahrzehnten den vornehmen orthodoxen Damen aller Lander Peiticken. Spezialität: Bramscheiteln, diese werden der AAadcheufrisitr mit verblüffender Täuschung nachgemacht Wien, I., Kärntnerring Nr. 6 (k'eKeni'iber dem Hotel Bristol) |