2 MENORAH Wladimir Jabotinsky / „Schutzjuden" i. Einer der verhängnisvollsten Fehler der Zionistcn war es, die Auflösung der jüdischen Bataillone in Palästina zuzulassen. In den jähren 1918/19 standen dort 5000 jüdische Soldaten. Im Frühjahr 1920 sind es nur mehr 400 ge¬ wesen. Anfang 1921 wurde auch dieser Rest demobilisiert. Dadurch hat¬ ten sich die Zionisten frei¬ willig in die Rolle derer begeben, die im alten Deut¬ schen Reiche als „Schutz¬ juden" bezeichnet wurden. Der Status „Schutzjuden" entstand manchmal da¬ durch, daß ein Kurfürst oder Markgraf einer be¬ stimmten Zahl Juden ge¬ stattete, sich in seiner Resi¬ denz anzusiedeln, und über¬ nahm die Verpflichtung, sie vor Angriffen des Pöbels zu schützen. Dabei ver¬ loren „seine" Juden jenen letzten Rest von Menschen¬ rechten, mit denen ihre Glaubensgenossen in ande¬ ren Gemeinden noch rech¬ nen konnten. Und das war ganz natürlich. Da jeder Versuch des Pöbels, mit den angesiedelten Juden aufzuräumen, für den Kurfürsten die Notwen¬ digkeit mit sich brachte, seine Landsknechte aufzu¬ bieten, eventuell auch Ver¬ luste an Toten und Ver¬ wundeten zu verzeichnen, konnte er mit einem ge¬ wissen logischen Rechte von „seinen" Juden alles verlan¬ gen und ihnen alles ver¬ bieten, unter dem einfachen Vorwande, daß es sonst zu einem Aufruhr des Pöbels kommen könnte. War der Kurfürst dazu Diplomat, so erfand er Volksunwillens, wann immer Schlimmer war es in jenen seid in der Vergangenheit entwickelt hat. Der grund¬ legende Unterschied besteht nur darin, daß bei anderen kolonisatorischen Unternehmungen diese bewaffnete Macht von dem kolonisierenden Volke selbst aufgestellt wurde, während in unserem Falle die Pflicht zum Schutze englischen Trup¬ pen obliegt, die aus Soldaten und OiTizicien noch ein schlauer die Gefahr eines ihm paßte. Fällen, da JUDA MAKKABI Tuschzeichnung Von Uriel Birnbaum (Wien) fremder Nationen bestehen. Bei dem geringsten t > gegen die Juden gerichteten „Volksaufrühr" wird aktiven Eingreifen auf diese der Kurfürst ehrlichen Willens war. Hier er¬ langte der Pöbel tatsächlich eine unbeschränke Herrschaft über die Juden. Es genügte, daß ein beliebiger Mönch die Anzeichen eines Volksauf¬ ruhrs inszenierte, um den Kurfürsten zu veran¬ lassen, von „seinen Beschützten" widerspruchslose Erfüllung aller Forderungen der Menge :/u ver¬ langen. Und dies ist mutatis mutandis das genaue Vorbild unserer derzeitigen Situation in Palästina. Wir kolonisieren das Land gegen den Willen der einheimischen Bevölkerung, deren Zahl im Lande etwa siebenmal größer ist als die der dort an¬ sässigen Juden. Deshalb kann sich unsere Kolo¬ nisation nur unter dem Schutze einer bewaffneten Macht entwickeln, wie sich jede Kolonisation die Pflicht zum Soldaten fallen, und bei allfälligcn Verlusten der Truppen werden in den in England veröffentlich¬ ten Listen der Opfer die Namen „Peter Robinson" und „John Smith" erscheinen. Und sollte sich einmal der Zwang ergeben, aut die Menge zu feuern — eine Handlung, die fiii einen intelligenten Soldaten weit unangenehmer ist, als sein eigene? Leben zu riskieren — so wird diese unangenehme Pflicht auch auf die „Peter Robin¬ son" und „John Smith" fallen. In diesem Um¬ stände liegt die Wurzel unserer Tragödie. Der Verfasser dieser Zeilen ist sicher nicht geneigt, Sir Samuel oder die zionistische Organisation zu rechtfertigen. Wäre das Vorgehen dieser beiden haktoren stets zielbewußt und stark gewesen, so hätten nie die Fülle des bei keiner zivilisierten Verwaltung zulässigen Unfuges vorkommcnl^JiRichtung tätig ist. Rechnet können, die man jetzt in Palästina beobachten kann. Aber selbst im günstigsten Falle wäre es über eine Beseitigung des Unfuges nicht hinaus¬ gekommen. Denn es ist nicht denkbar, jene gün¬ stigen Verhältnisse zu schaffen, die Voraus¬ setzung einer größeren Kolonisation sind, solange wir in Palästina die Rolle der „Beschützten" spielen, deren Schutz engli¬ sche, irländische und indi¬ sche Soldaten besorgen. Um das zu verstehen, genügt es, die Argumenta¬ tion unserer Gegner zu ver¬ folgen. Es sind drei Grup¬ pen: die palästinische Ver¬ waltung, deren Vertreter Sir Samuel ist; die arabi¬ sche Bevölkerung, vertreten durch den arabischen Kon¬ greß, die arabische Delega¬ tion und die arabische Presse, schließlich ein gro¬ ßer Teil der englischen Öffentlichkeit, deren Stim¬ mung in der guten Hälfte der englischen Presse Aus¬ druck findet. Bereits nach dem Pogrom in Jaffa — Mai 1921 — sind Sir Samuel zahlreiche Anfragen aus dem Jischub wie auch seitens seiner Freunde in England zugekommen. Mit Erstaunen fragten alle, worauf diese unerwartete Nachgiebigkeit gegenüber dem Ansturm der Araber zurückzuführen war. Ich kann auf Grund genauer Kenntnis des Materials feststellen, daß in allen Antworten, die Sir Samuel auf Anfragen und Proteste gab, ausgeführt war: „Eine feste Politik sei nur dann möglich, wenn wir bereit wären, äußerstenfalls die bri¬ tische Garnison voll auszunützen, was in England sicher nicht populär wäre, auch abgesehen von der Frage, ob eine solche Taktik wünschenswert wäre." Dasselbe Argument — aber schon in Form einer Drohung — zieht sich wie ein roter Faden durch alle Vorstellungen der arabischen Delega¬ tion, die während dieser Zeit London aufgesucht hat. In ihrer Darstellung wird dieses Argument ungefähr so ausgedrückt: „Wenn ihr (die Eng¬ länder) die Juden nicht wegschaffen wollt, werden wir gezwungen sein, dies mit eigenen Mitteln durchzuführen, und dann werdet ihr eure Truppen gegen uns einsetzen müssen mit Opfern für uns und für euch, überlegt euch also, ob ..." Noch deutlicher und charakteristischer traten diese Argumente in der englischen antizionistischen Presse hervor. Ich habe schon erwähnt, daß die ,gutc Hälfte der englischen Zeitungen in dieser man aber nur mit |