699 war, weil sie sich sonst gewisse Begriffe von Sittlichkeit nicht erklären konnte, die den ״Ariern" durchaus fremd sein sollen? Nun, seid klug wie die Schlange, wenn ihr fromm wie die Taube euch gebt, dachte die ״Kreuz- zeitnng". Sie nimmt eine unschuldige Taubcnnlicne an und fragt in kindlicher Einfalt, welche ganz vergißt, aus welchem Anlaß sie den Semiten in dem Graef- schen Prozeß gesucht und gesunden hatte, in ihrer Nr. 248 ganz verwundert: ist eS denn ein Verbrechen oder eine Schande, ein Jude zu sein? Nein, Ver- ehrteste, gewiß nicht! Aber gieb doch anch gesalligst Antwort: ist es ein Verbrechen oder eine Schande, kein Jude zu sein? Nun, so sprich doch den reinen Ariern nicht ihre arische Abstammung ab! Das Schönste ist aber, daß die ״Kreuzzeitung" zugiebt. Professor Graef scheine ״nach näheren Erkundigungen" allerdings zu jener altevangelischen Pastorcnsamilie zu gehören, — aber — und dieses ist das Köstlichste — ״es ist That- fache", daß — Frau Professor Graef von jüdischer Abstammung sei! Diese Dame hat aber, wie männiglich bekannt, mit dem Prozesse nicht das Mindeste zu thun. insbesondere nicht mit den gewissen Anschannngen, die darin zu Tage treten. So ist die ״Kreuzzeitung" mit ihrer findigen Erklärung von dem Tropfen semitischen Bluts abgeführt und der famose Hieb war in die Lust geführt. Sie ist überhaupt in der Angabe der jüdischen Konfession von Personen sehr bedeutend. In derselben Nr. 248 berichtet sie nach dem ״Schl. M. Bl." aus Lubliuitz, daß der ״jüdische" Kaufmann und Stadt- rat(} Roth aus Gutteutag wegen Wuchers und Wechsel- fälschuug zu fünf Jahren Zuchthaus verurt heilt sei. Sehr schön und sehr lehrreich, daß wir nunmehr wissen, daß man Kaufmann, Stadtrath, Jude und dennoch ein Spitzbube sein könne. In derselben Nr. 248 finden wir beispielsweise die famofc Entmündigungsgeschichte, in welcher kein Jude eine Rolle spielt, — es wäre doch auch höchst lehrreich zu erfahren, welcher Konfession die Familie angehört, in deren Schooß dergleichen sich ereignet. Es wird in derselben Nummer von diversen Vergehen und Verbrechen berichtet, ohne daß die ״Kreuz- zeitung" die Konfession der Uebelthäter mitzutheilen für gut findet. Warum aber gerade bei einem jüdischen Missethäter die Qualität der Konfession hervorheben? Es wäre doch sehr instruktiv, hierüber eine klare, wahre, unverklausulirte Belehrung zu erhalten. R. München, 17. Oktober. München ist zwar kein Tisza-Eßlar, aber doch ist vor einiger Zeit hier ein Fall passirt, der uns ein wenig nach jenem kleinen Städtchen hinversctzt. Vor einiger Zeit verschwand nämlich plötzlich eine 17jährige Gärtnerstochter; man vermuthete das Mädchen sei geraubt zu unsittlichen Zwecken. Indessen hat sich nunmehr die Sache dahin geklart, daß das Mädchen seinen Eltern entlaufen ist; äugen- blicklich befindet cs sich wieder bei denselben. Doch kam, bevor man Näheres über den Verbleib deS Mäd- chens wußte, dem Vater ein Brief zu, nach welchem das Mädchen von Israeliten geraubt worden sei, um für israelitischse Knltuözweckc Christenblut zu bekommen!!! — So geschehen in der Hauptstadt Bayerns im Monat Oktober deS Jahres 1885. — Die 18 in der Jahreszahl scheint גחמה zu sein. R. München, 21. Oktober. In der heutigen Plenarsitzung der Kammer der Abgeordneten wurde der Antrag Gabler, wonach die Kammer S. M. den König bitten soll, die Bevollmächtigten Bayerns beim Bundes- rathe zu beauftragen, dahin zu wirken, daß a) die ordinirtcn Geistlichen vom Militärdienste befreit seien, b) daß die Kandidaten der katholischen und protestantischen Theologie bereits nach sechswöchiger aktiver Dienstzeit bei einem Infanterieregiment zur Reserve zu beurlauben seien, mit 86 gegen 54 Stimmen angenommen. Wir fragen mit dem Staatsminister Frcihern von Feilitzsch, welcher sich im klebrigen gegen den Antrag'aussprach —: warum sind im Anträge nicht anch die Rabbinats- kandidaten aufgeführt, welche sich in der-gleichen Lage befinden, wie die katholischen und protestantischen Kandi- baten? — Sollte es vielleicht maßgebenden Persönlich- feiten möglich sein, noch nachträglich in diesem Sinne einen Zusatzantrag zu bewirken? M. Würzburg, 23. Oktober. Der Redakteur des ״ Frank. Volksbl." scheint keine Gelegcnheiit un- benutzt vorübcrgehen zu lassen. So hat er, da er ja wegen seiner SchwurgerichtSsitznng (das GerichtSgeaäude liegt an der Domstraße) die Domstraße besuchen mußte, anch gleich gefunden, daß es eine Schmach und Schande sei, wenn jetzt in Würzburg in den Schauläden jüdischer Optiker (an der Domstraße) die Photographie der aus dem Skandalprozeß Graef bekannten Straßendirne Bertha Rot her prangen. — Man sicht, daß der Herr Redakteur es auf seinem Wege durch die Dom- straße sehr eilig (!) hatte (Schwurgericht!!), sonst hätte er auch bemerkt, daß gleiche Bilder in den Läden eines christlichen Zigarrcnhändlcrs hängen. Uebrigens hat er auch vergessen, die Konfession der Bertha Rother anzuführen. H. Würzburg, 18. Oktober. Vorgestern wurde von dem unterfränkljchen Schwurgerichte der zeichnende Redakteur des..Fränkischen Volköblattes", Schrift- setzer Stumpf, wegen Beleidigung des deutschen Kaisers zu 2 Monat 15 Tagen Gefängniß ver- urtheilt. — Wir können uns trösten; das antisemitische Hetzblatt verschont ja weder Majestät noch Würde mit seinem Geifer. Also dürfen wir uns nicht be- klagen. — UebrigenS gewinnt jo der Redakteur Muße, neues Gift auszubrüten, das, wie wir sehen, ja nur ihm selbst Schaden bringt. |