4. Dezember 1881 bestätigte und deshalb von der Staatsanwaltschaft wegen falscher Aussage angcklagt ward, wurde dieser heute in Berücksichtigung der Aus- führnngen des Bertheidigcrs Professor Nojenblatt frei- gesprochen. -\v- Lemberg, 21. Oktober. Es soll demnächst der Handelsvertrag mit Rumänien erneuert werden. Von Seiten des Herrn HaudclSlniuisters sind die sämmtlichen Handelskammern CiSleithanicnS zur Be- gutachtnng aufgefordert worden. Die hiesige Handels- kammer hat beschlossen, die Erneuerung des Vertrags zu befürworten, jedoch den Herrn Minister zu ersuchen, dahin^zu wirken, daß eine ungleichartige Behandlung der Oesterreicher, insbesondere der Juden, mit den Rumänen fernerhin ausgeschlossen bleibe. Es seien nämlich vielfach Fälle zur Kenntniß der Handels- kammer gelangt, in welchen die österreichischen Kauf- leute jüdischen Bekenntnisses in Rumänien manchen Unzuträglichkeilen ausgesetzt waren. Kolomca, 23. Oktober. Galizien zählt etwa 700000 Juden, welche sich ebensowohl auf das flache Land wie die Städte vcrtheilen. Sic bilden einen sehr markanten Thcil der Gcsammtbevölkcrnng, von welcher sie etwa 9"/« repräsentiren. Es ist eine durchaus irrige, wenn auch, wie ich auch bei meinem Verkehr mit dem AuSlande vielfach mich zu überzeugen Gelegenheit hatte, verbreitete Ansicht, daß die Israeliten Galiziens sich größtentheils dem Handel znwenden. In! Gegen- theil. Sie stellen zu fast allen Gewerken ein sehr be- deutendes Kontingent, zu den Schneidern und Schustern sowohl wie zu den Schmieden und Dachdeckern. Nicht minder i st der Gelehrten stand zahlreich durch sie ver- treten und endlich auch die Landwirthschaft mit über 300 Großgrundbesitzern und fast 600 Pächtern. Dabei darf nicht vergessen werden, daß es noch nicht lange her ist, seitdem die Schranken gefallen sind, welche ihnen die Betreibung von Landwirthschaft theils ganz unmöglich machten, theils bedeutend erschwerten. Ebenso täuscht man sich über den geistigen Zustand der galizi- scheu Judenschaft. Man kann mit Fug und Recht be- hanpten, daß sie zu dem intelligentesten und gebildetsten Theile der Bevölkerung zu rechnen ist und daß jene krasse Unwissenheit und Beschränktheit, welche hier zu Lande noch zu finden ist, bei den Juden kaum an- getroffen werden möchte. Die viel verschrieenen Chadorim haben doch die hierländischen Juden vor geistiger Ver- sumpsnng bewahrt. Man vergißt im Anslande vielfach, daß man zur Beurteilung der Kultur eines fremden Landes und dessen einzelner Vevölkerungsgruppen nicht den eigenen fremden Maßstab anzulegen hat, daß man vielmehr die Verhältnisse des zu beurteilenden Objekts an sich betrachten muß. Der Franzose hat sicherlich Recht, wenn er z. B. als Maßstab der Bildung seiner StammeSgenossen die Kenntniß der französischen Sprache und Literatur anwendet, wollte er aber auch den Deutschen ungebildet ncnüen, der Voltaire und Racine nicht kennt und keine Silbe französisch versteht, so würde er selbst die eigene Beschränktheit erweisen. Der galizische Jude hat durchweg einige Kenntnisse der heimischen Sprache, daneben aber auch der hebräischen Sprache nud der Religionswissenschaft. Und. da verräth es denn doch meines Erachtens einen nicht geringen Grad von Beschränktheit und ungerechten Vorurtheil, wenn, wie eS in der jüngsten Zeit oft geschieht, die galizische Judcnschaft von sich unendlich gebildet und weise Dünkenden als geistig verkommen verschrieen wird. Ich möchte diesen Herren die ernste Frage vorlegen, ob sich denn nicht vielleicht bei vielen ihres Gleichen eine erschreckende Unwissenheit und Unbildung in Be- zug auf jüdische Bildung und Kenntniß vorfindet? Nun, sie sind doch Inden und müßten in. dem speziell Jüdischen einige Kenntniß besitzen, so gut wie der Franzose und Deutsche im Französischen und Deutschen, wenn sie als nicht ungebildete Juden gelten wollen. Die Juden Galiziens nehmen es aber jedenfalls im Punkte der Bildung mit ihren Landsleuten, den Ma- suren, Lisowiaken, Goralen, Huzulen, überhaupt mit den Polen und Nuthenen im Allgen:einen noch aus. ־־ - Eine nicht zu leugnende Thatsache ist es aber, daß die Juden leider durchschnittlich sehr arm sind. Die Ur- sache dieser Erscheinung gründlich zu erkennen und das Mitttel zur Hebung der Armuth anzugeben, bin ich nicht vermessen genug. Es gehört dazu eine viel ein- gehendere Kenntniß aller einschlägigen Verhältnisse und eine gründlichere uatioualökouomische Wissenschaft, als ich besitze. Diese Kenntniß und Wissenschaft setze ich aber auch nicht bei den Heilkünstlern voraus, welche auf eine flüchtige und oberflächliche Orientierung ge- stützt, von oben herab eine Umgestaltung der Verhält- nisse reglementiren wollen. Ich begrüße aber jeden Schritt, welcher zur Hebung des materiellen Wohl- standes unternommen wird; wie ich auch ausdrücklich hcrvorheben möchte, daß ich einer Vessergestaltung des Jngendunterrichts gern das Wort rede. Wenn man also Veranstaltungen treffen will, um in erweitertem Maße als seither die Beschäftigung mit Ackerbau und Landwirthschaft unter den Juden zu verbreiten, oder die jüdische Volksschule zu verbessern, so wird kein Einsichtiger dem entgegentreten wollen. Wohl aber wird jeder Redliche und Gesetzestreue hierbei aus das Nachdrücklichste bevorworten, daß diese humanen Be- strebnngen nicht als Aushängeschild benutzt werden, um den Abfall und die Untreue von und gegen das jüdische Gesetz unter uns zu verbreiten. Man wird eS deshalb ganz begreiflich finden, wenn derartige Bestrebungen, so sie von einer Seite ausgehen, welche mehr oder minder |