*gO«-Mt ' . -. l^j, „ -J.j4,.M..I ) — 287 — Weater, Musik und bildende Kunst. In den jüngst bei I. Kauffmann in Frankfurt a. W. erschienenen Buche „Mischael Sachs und Moritz Veit, Briefwechsel, herausgegeben von Ludwig Geiger" finden wir folgendes unter dem frischen Eindrücke am 17. März 1840 über Lißt niedergeschriebene Urteil von Sachs in einem Briefe an Veit: Ich kam Donnerstag um halb drei Uhr eben aus Liszt's Concert nach Hause und eine Ahnung ordent¬ lich ließ mich sogleich nach Brief fragen; , ich hatte so gewiß auf einen gerechnet! und nun hatte ich Ihren Brief! — Zuerst von Liszt! Ich war ungemein gespannt, und mußte anderthalb Stunden warten, ehe er anfing! denken Sie sich diese Pein! Endlich fing er an! Haben Sie schon einmal einen Musikstrom rauschen hören? wo keine Rede von einem Instrumente als Substrat, keinem Künstler als Producirenden auch nicht von Melodie als dem Producirten sein kann — sondern ein — ich möchte sagen, unerzeugtes Rauschen, wo man die Augen zumacht, um nichts von den Be¬ dingungen zu wissen, und ein unabhängiges, unbedingtes, ein Mirakel sich zuzu- muthen? — Hören Sie Liszt! — Haben Sie aber schon einmal einzelne niusika- schen Funken sprühen, kleine Elfen, Genien (nicht wie in Mendelssohn's himmlischer Ouvertüre zum Sommernachtstraum, die ist blos eine musikalische Paraphrase des Textes! — und das Geisterhafte ist mehr — so zu sagen — anomato-poetifcf), das Wort im Ton nachbildend, wie sonst das Wort den Schall nachbildet —) ätherisch, glockenartig tanzen, Hüpfen sehen — oder können Sie sich Thautropfen, wie sie in einem Blumenkelche perlen — als Töne denken? — Nein! Woher sollten Sie's auch können? ans dieser verrückten Beschreibung? — Aber Sie werden Liszt hören, und wenigstens einige raison in meinen Unsinn bringen, der diesmal leider so viel Sinn enthält, den nur kein Mensch herausfindet! — Er hat zum Schluß ein ave Maria gespielt, daß mir das Herz stille stand und meine Seele athemlos stille stand und horchte, und auch 1*/s—2 Thränen, keine sentimentalen — sondern triumphirende — waren — glaub' ich — in meinem Augen. Ich habe anfangs ihn nur bewundert, zum Liebhaben h t er mich erst allmählich gezwungen, nnd dar¬ um trau' ich meinem Eindrücke. Wissen Sie? ich möchte ihn einen Friedrich Rückert auf dem Pianoforte nennen! Er macht die halsbrechendsteu Wortspiele und Reime und die kühnsten Sprachbildungen und Verdrehungen — einen ganzen Hariri mit allen Künsten und Windungen und Sprüngen; so erschien er mir zuerst, die unge¬ heuerste Technik, die übermütigste Despotenherrschaft über das Instrument! Als Dichter, als beseelter und beseelender, der die Form als bloßes Medium des Ge¬ haltes mit großmüthiger Selbstverleuglmng zu handhaben wisse und bescheiden sein könne — erst später. Sie werden ihn hören! und Sie müssen nun unausweichlich an mich denken! Hätte ich Zeit gehabt — ich mußte die Predigt schreiben — und zwar dem Amalek und Haman das Genick brechen, was vorigen Sabbat von 10—11 |