Srite 1076 Vr. Vloch's Vochrnkchrtfi Nr. 53 sie mag davon nichts hören. O nur kein fremdes Drittes in die weihevolle Ruhe ihres traulichen Heim, in ihr trotz aller wehmuthsvollen Erinnerungen so glückliches Stillleben. „Ich bin nie allein, Geliebter. Meine Gedanken beschäftigen sich immer mit Dir, mit den Eltern, mit unserem Heimgegangenen Lieblinge; ich weiß mich mit Musik, Handarbeit und Lectüre in den Stunden, wo Du mir ferne bist, zu unterhalten." Fast zwei Jahre sind seit Lillis Tod vorübergerauscht; Leonie ist keine sentimentale Statur, sie versenkt sich nicht in ihre Trauer, sie wühlt nicht in ihrem Schmerze, sie weiß, sie gehört dem Leben an und ist sich ihrer Pflicht bewußt; sie sagt sich, sie darf als Gattin eines so berühmten Mannes ihr Hails nicht mehr ganz der Gesellschaft verschließen. Früher boten ihr ihre Mutterpflichten oft einen erwünschten Vorwand, sich der Gesell¬ schaft zu entziehen; ihr Mann wird es nicht fordern, er ehrt ihre Trauer zu sehr; wie wird er sich freuen, daß sie ihr Haus wieder der Gesellschaft öffnen will. Eines Abends, die Gatten sitzen in Leonies traulichem Boudoir, sagte sie ihm, die Sitte der five o’clock teas in Eng¬ land und Frankreich gefalle ihr so sehr, dieselbe bürgere sich mehr und mehr in Deutschland ein, und wenn er seine Zustim¬ mung geben würde, wäre sie gern bereit, während der Winter¬ monate jeden Sonntag von fünf bis acht Uhr zu empfangen. Er ist entzückt und küßt sie dankbar; im Stillen denkt er: „Gelobt sei Gott! Sie hat eine hoch gemuthete Seele, einen starken Geist, sie kennt ihre Pflichten! Wie wird sie wieder bewundert werden, und „Mein" ist sie!" Laut sagte er: „Gewiß, mein Herz, Deine Idee gefällt mir sehr! Aber um Gottes Willen, Schatz, nur keine ästhetischen Thees ä 1a Bettina von Arnim, mit viel geistigem Genuß und frugalen Butterbrötchen! Wir sind am Ende des Jahrhunderts doch sehr materiell denkend geworden und kulinarische Genüsse müssen uns neben der geistigen Speise ausgetischt werden!" Seit Lillis Tode ertönte bis zu dieser Stunde in dem schönen Raume noch nicht ein so Helles Lachen, mit dem er diese Worte be¬ gleitete. „Sei unbesorgt, Geliebter", gibt Leonie freundlich lächelnd zurück, „ein lucullisches Buffet soll Dich und die Gäste stets befriedigen." Bald betrachtet es die gute Gesellschaft K's als eine be¬ sondere Auszeichnung, zu dem Sonntags-Empfange des Mosen- dorff'schen Ehepaares Zutritt zu haben; Fremde von Distiuction geizen um die Gunst, dort erscheinen zu können; man findet stets die geistreichste Unterhaltung, vorzügliche musikalische Vor¬ träge. Die schöne blasse Frau in ihrer Liefen Trauerkleidung ist die Seele des Hauses, der Mittelpunkt, um den sich der bevor¬ zugte Kreis in Verehrung und Bewunderung schaart. (Fortsetzung folgt.) Des Bäumchens Klage. Vom hochseligen Rabbiner Dr. E h r e n t h e i l in Hobic (Böhmen). Steht ein Bäumchen reich geschmücket, Harzig duftend im Salon; ^ Ringsum freudig, froh beglücket Mutter, Tochter, Vater, Sohn. Doch das Bäumchen traurig senket Erdwärts seine Zweiglein grün, Schaut so fremd sich uin und denket: Ach! Wo brachte man mich hin? Heilige Botschaft zu verkünden Frommen Christen zog ich ans, Doch als Zeugnis; eitler Sünden Glänz' ich in des Juden Hans. Hier, wo Makkabäersiegen Sollt' erglänzen helles Licht, Rufen Schatten grabentstiegen: „Hier ist Deine Heimat nicht!" Als sie tief in's Mark mir schnitten, That's im Innern mir so wohl, Bin ein Opfer frommer Sitten, Bin ein heiliges Symbol. Dacht ich — doch in jüd'schen Räumen, Da verfehlt' ich doch mein Ziel; Mag auch Schimmer mich umsäumen, Falschheit ist's und thöricht' Spiel. Herautgrder u. verautw. Redakteur: Dr. 3*itf 8. Bl« Falsches Spiel mit frommen Bräuchen, Es gereicht doch nicht zum Glück: Waldesbrüder, Tannen, Eichen, Könnt' ich doch zu Euch zurück! Literatur. „Mutter Eva". Der Dorfpoet. Die Aerztin. Mater Dolorosa. Drei Novellen von H. Hork-Steiner. Mit Illustrationen von A. Karpellus und Anderen. (Verlag der „Wiener Mode", Wien, Leipzig, Berlin, Stuttgart.) Elegant brochirt 1 fl. 20 kr. — 2 Mark. In vornehmstem Einbande 1 fl. 80 kr. = 3 Mark. Der Verfasser, dessen Erstlingswerk „Anti" berechtigtes Aufsehen erregt hat, bietet in den drei unter dem Titel „Mutter Eva" vereinigten Novellen feinsinnige Beob¬ achtungen der weiblichen Natur. In so ergreifender Weise wie in der Novelle „Mater Dolorosa' sind selten die Mysterien des Mutterherzens enthüllt worden. Es ist die Geschichte einer Mutter und ihrer Liebe zum Sohne, einer Liebe, die sich in selt¬ samer, fast unglaublicher Weise bei seinem Tode zeigt. Der fast unmöglich scheinende Vorgang ist psychologisch so tief begründet, daß man dem Autor eine Kenntniß des Mutterherzens zuerkennen muß, die geradezu einzig genannt werden kann. — „Der D o r f p o e t" schildert die Liebe eines slavischen Schullehrers zur Tochter des reichen ungarischen Gutsherrn. Die Conflicte, die sich daraus ergeben, bieten Gelegenheit, die seltsame Grenz¬ welt im Norden Ungarns kennen zu lernen, aus der fast nie ein Lebenszeichen zu uns dringt. — In der räumlich größten Novelle „Die Aerztin" erzählt Aork-Steiner von einer hochbegabten Frau, die Medicin studirt, später heiratet und ihren Beruf auf¬ gibt, nach dem sie sich immer wieder zurücksehnt. Diesen inneren Conflict stillt die Geburt eines reizenden Knaben. Als dieses Kind jedoch erkrankte, änderte sie heimlich die Art der Therapie, die der behandelnde Arzt im Einvernehmen mit ihrem Manne festgesetzt hat, weil sie ihre Methode für richtiger hält. Das er¬ gibt einen Abschluß von mächtiger Wirkung, den man im Buche selbst Nachlesen muß. Allen Freunden und Gegnern der modernen Frauenbewegung wird diese Novelle interessante Beiträge zur Psychologie der Frauen bieten. Briefkasten. F. Grollmann, Riga. 10 fl. dankend erhalten. ^ W. Str., Wien. - In seiner Weihnachtsnummer erzählt das „Deutsche Volksblatt" eine Geschichte von einem gewissen Strach- Podrany, der als Externist eines Wiener Blattes von einer Dame ein Feuilleton entgegengenommen, sich dann als Stellvertteter des Feuilletonredacteurs ausgegeben, in das Haus der Dame unb. in deren Freundeskreis eingedrängt, sich als volkswirthschaftlicher Redacteur der „Neuen Freien Presse" entpuppt habe und schließlich als Schwindler entlarvt worden sei. Dieser Strach-Podkany soll angeblich Jude sein, und Herr Vergani schickt der Geschichte folgende lehrreiche Betrachtung voraus: „Das Jüngel, das nach Wien konnnt und erst mit Zünd¬ hölzchen hausiren geht, wird Zeitungsherausgeber und Millionär, ob¬ gleich er keinen deutschen Satz schreiben kann." Das ist das natur¬ wahre Porträt Vergani's selbst. Weder unter den Beamten der Nord¬ bahn, noch unter Wiener Journalisten gibt es einen Herrn, der Str ach oder P o d k a u y hieße. Die Namen sind ebenso wie Alles, was daran geknüpft wird, e r st u n k e n und erlogen. Aber alle typischen Kenn¬ zeichen Strach-Podkany's passen genau auf den Herausgeber des „Deutschen Volksblatt". G. K. Der Aufruf für arnie hungernde Schulkinder, welcher auch die Unterschrift des antisemitischen Lehrers Sekora trägt, er¬ schien nur in den sogenannten „Judenblättern", nicht aber in den christlich¬ socialen Blättern. Man weiß eben, daß die menschenfreundlichen Christ¬ lich-Socialen für solche Zwecke kein Geld haben. Wir wetten aber Zehn gegen Eins, daß bei der Vertheilung der von Juden gesammelten Spenden die jüdischen Schulkinder leer ausgehen werden. H. L—y. Die Mittheilung ist interessant. Auf dem Karme¬ literplatze feilscht eine Christenfrau um einen Christbaum. Da kommen zwei Jndenfraueu und fischen ihr den schönen Baum um einen höheren Preis weg. Entrüstet ruft die Christenfrau: „Laßt uns unsere Christ¬ bäume ! Vertheuern wir Euch etwa Eure Mazzes?" — Der Unfug, daß Juden ihren Kindern Christbäume aufputzen, kann nicht schärfer ironisirt werden. der Correspondenz aus Pribram in der letzten Nummer er Stein irrthümlich aus Czaslau genannt. Es aus Radnitz heißen. 4 Sohn, Wie», VIII., Lvuhrnftwerstr. 46. |