Seite 34 Dr. Bloch's Wmhvnfchrifk. Nr. 3 Herren täglEvor der Nase um, sitzen in großen Aemtern und tragen güldene Ketten. Ja, diese großen Diebe lassen vielmals die Kleinen hängen, gerade als wenn nur das gemeine Stehlen verboten wäre und nicht viel mehr das oeffentliche Rauben und Wuchern. Durch strenge Reichs- gesetze sei den Juden das Wuchern verboten worden, aber die Christen thun es der Zeit mit Finanzen und Wuchern den Juden weit bevor und rennen oftmals mit dem Judeuspieß viel stärker als die Juden selber, welche gelbe Ringe vor Jahren tragen mußten." — „Aber mit den Christen",*) sagte ein anderer katholischer Prediger im Jahre 1585, „soll man, wie viele Weltweisen wollen, fein sachte thun, wenn vom Wuchern und wucherlicheu Para¬ siten und Contracten die Rede kommet; nur die Juden soll mau schimpfiren, mit Füßen treten, ihnen alles Unglück auf den Hals wünschen, sie als Feinde Gottes und der Menschen verspeien. Mit Verlaub, Herr Gevatter und christlicher Wucherer: ich halt dafür, daß die getauften Juden viel ärger und ärgerer Strafe schuldig sind, denn die ungetauften, und daß das gottlose Laster des Wuchers, so von den Juden auf die Christen übergegangen, von diesen heftiger denn von jenen geübet wird." „Unvergleichlich schlimmer aber als . alles ausländische Hausirerthum wirkten auf Handel und Wandel und den gesammten Volkswohlstand"**) die jud en freien Auf¬ kaufs- und Preissteigerungsgesellschaften der Höchstätter in Augsburg, welche im Jahre 1529 mit einer Summe von 800.000 GÄdeu (nach dem heutigen 8—lOfach höheren Geldwerthe circa 20 Millionen Kronen) fallirten; des Georg Neumayer, der im Jahre 1572 seine Gläubiger um 200.000 Gulden (also circa 5 Millionen Kronen) betrog, der Brüder Manlich, welche sich zwei Jahre darnach mit einer Schulden¬ last von 700.000 Gulden für zahlungsunfähig erklärten; der „Thüringischen Handelsgesellschaft des Pfefferhaudels zu Leipzig", deren stille Gesellschafter nächst dem Chur¬ fürsten August von Sachsen die Könige Sebastian und Heinrich von Portugal waren und deren wucherische Aus¬ beutung unsägliches Elend über Mitteldeutschland brachte, u. s. w. Die Liste dieser nichtjüdischen Ausbeuter¬ gesellschaften könnte mit Dutzenden von Namen noch ergänzt werden. Nur noch zwei Facten aus der neueren und neuesten Zeit. Ueber Sicilien, aus welcher Insel einst die Juden ver¬ treiben worden, schrieb Frau Jessie Willario, eine geborene Engländerin und italienisch-englische Schriftstellerin: „Seitdem der bigotte Ferdinand die Juden von der Insel vertrieb, betrauert von der ganzen Bevölkerung, die von ihnen weder ausgebeutet noch bedrückt wurde, ist die arme Insel von christlichen Harpyen verzehrt worden, die mit bei¬ spielloser unerhörter Frechheit, sowohl vermögliche Leute als arme Arbeiter aussaugen. Und aus der neuesten Zeit: Der streng autisemitsch gesinnte Großgrundbesitzer und Oberst- lieutenant a. D., Herr von Könneritz hat große Besitzungen in Sachsen, welche er aber fast alle in Pacht vergab. Trotz¬ dem er aber nicht blos ein Urteutone und christlich getauft ist, gehört er auch zu jenen Leuten, die nicht genug entrüstete Worte über den angeblichen Wucher der Juden finden. Aber siehe da: Auf den Pachtzetteln, worauf den Pächtern die vierteljährliche Pachtrate quittirt wird, steht folgender Vermerk: „Wer den vierteljährlichen Pacht bis 15. April, 15. Juli u. s. w. nicht gezahlt hat, hat alsdann pro Mark und Tag drei Pfennige Verzugszinsen zu ent¬ richten." Das sind also 1095 Percent! Der landläufigen Meinung, die übrigens auch in den Kreisen der höheren Intelligenz nicht selten anzutreffen ist, nach dankt die christliche Welt die Abschaffung des Wuchers, des Geldzinses, dem Wirken der christlichen Kirche, wie die Entstehung des Börsencapitales den Juden. Beides ist zum *) Ebenda. **) Ebenda. Theile nur zutreffend. Verbot nun auch die Kirche lange Zeit hindurch den Wucher und stellte sie denselben bei ihren Gläubigen unter die strengsten Kirchenstrafen, so war gerade doch auch die Kirche jene Institution, welche der Geldwirthschaft zum Siege über die Natur alwirth schuft verhalf und durch diesen Sieg nicht blos zur Schöpferin des Börsencapitales wurde sondern auch dem Geldwucher den sie so heftig bekämpfte, zur neuen Anerkennung verhalf. Es war die Zeit der größten Machtentfaltung der Kirche, als die Kreuzzüge zur Eroberung des heiligen Landes von ihr inscenirt wurden. Die Behauptung dieser Macht¬ stellung nun und noch mehr die Kreuzzüge verschlangen aber ungeheure Summen, die durch die normalen Abgaben in Form von Zehnten, der Annaten- und Palliengelder umso¬ weniger gedeckt werden konnten, als diese zumeist in der landesüblichen Münze oder gar in Naturalien entrichtet wurden. Es war darum für die römische Curie, in deren Caffen sich diese Abgaben sammelten, nöthig, sich der Ver¬ mittlung von in Italien ansässiger Handelshäuser zu be¬ dienen, die zufolge ihres Reichthums und Ansehens in der Lage waren, der römischen Curie deren Steuern nicht nur einzucassiren und in italienischen Münzen auszuzahlen, son¬ dern erforderlichen Falles, was nur zu häufig auch der Fall war, derselben auch Vorschüsse auf erst fällig werdende Kirchenabgaben zu geben. In der Natur der Sache lag es nun, daß diese zugleich auch den Geldwechsel besorgenden Kaufhäuser nur der christlichen Gemeinsamkeit angehörten. Da nun aber diesen durch die kirchlichen Gebote und Verbote ver¬ boten war, für gewährte Vorschüsse und directe Darlehen Zinsen zu begehren, so mußte man sie durch anderweitige Entschädigungen und Gewährung von Privilegien schadlos zu halten suchen. Das Princip des absoluten Zinsverbotes war damit schon durchbrochen und die Florentiner Kaufleute wußten das sofortige Zinsnehmen auch gar bald und im Einverständnisse mit der Kirche selbst zu umgehen*) und für ihre der Kirche oder einzelnen Prälaten gegebenen Vor¬ schüsse die höchsten Wucherzinsen zu erzielen. Und „gerade Florenz, dessen großartiges Bankwesen im Wucher seinen eigentlichen Ursprung im Gegensätze zu anderen Städten, wo der Geldwechsel allein die Banken erschaffen, hatte, erfreute sich des nicht zu unterschätzenden Vortheiles, mit den Geistlichen jenes Landes in einer immer enger wer¬ dender Verbindung zu stehen, das der Curie vor allem Anderen wegen der ihm entströmenden Geldmassen als „ein Garten von Kostbarkeiten und ein unerschöpflicher Brunnen" erschien. Kaufte doch die mächtigste Florentiner Zunft, die Arte di Lana, die Wolle in England an und unterhielt die Arnostadt mit einem vollen Drittel aller englischen Klöster commerciellen Verkehr."**) In welcher Weise man nun das directe Zinsnehmen, welches nur den Juden allein gestattet war, zu umgehen wußte, hiefür gibt ein Schulbeispiel der Abt von Glaston- bury, der im Juni 1293 bei einem in England vertretenen Hause aus Lucca eine Summe Geldes borgte. In der be¬ treffenden Schuldurkunde mußte^er sich verpflichten, auf alle, ihn schützenden Privilegien zu verzichten und seine Schuld in fünf Raten abzutragen, andernfalls aber für den Schaden aufzukommen und außerdem als Strafe 200 Mark zur Unterstützung des heiligen Landes Denjenigen zu zahlen, die die Kreuzzugssteuer einsammeln würden.***) Auf diese „echt-arische" (!) Art erhöhten die Banken den Zins. Andererseits wieder mußte der Schuldner in der Schuldverschreibung eine höhere Summe angeben, als er tatsächlich erhielt, und außerdem sich gefallen lassen, daß ihm eine sehr kurze Frist, meist nur sechs Monate, zur ziusenfreien Rückzahlung der Schuld gewährt wurde und *) Ebenda. **) Die finanziellen Beziehungen der Florentiner Bankiers zur Kirche" von Georg Schneider. ***) Ebenda. |