Sette 36 Dr . Bloch ' s Wochvnfchrifk . Nr . 3 gespielt , den reichsten Actien - Gesellschaften Deutschlands Millionen - gewinnste auf Kosten der Stadt Wien zugeschanzt hat . Die Aus¬ schreitungen der Arbeitslosen , mag auch die Verzweiflung und die Noth ihre Aufregung entschuldigen , müssen allerdings hintan¬ gehalten werden ; Gewaltacte darf man nicht dulden . . Das Geringste aber , was man von einer einsichtsvollen Verwaltung fordern könnte , wäre eine eingehende objective Prüfung der mannig¬ fachen Beschwerden , die von den Arbeitslosen gegen das Arbeitsver¬ mittlungsamt erhoben werden . Sie behaupten , daß unter ihnen die¬ jenigen bevorzugt werden , die der christlich - socialen Partei angehören , und daß insbesondere socialdemokratisch gesinnte Arbeitslose von den Beamten absichtlich zurückgesetzt und mit Arbeit nicht bedacht werden . Sind diese Beschwerden begründet oder nicht ? Darüber fehlt uns jede Beruhigung , und es ist nur die Schuld der herr¬ schenden Partei , insbesondere aber des Bürgermeisters , wenn einem großen Theile der Wiener Bevölkerung das Vertrauen in die Gerechtigkeit und Unparteilichkeit der kommunalen Aemter abhanden gekommen ist . Vorstand des Arbeitsvermittlungsamtes ist bekanntlich der Herr Prochaska , dessen Eignung für diese Stelle ausschließlich aus seiner Stellung als christlich - socialer Parteigänger abgeleitet wurde , und der ja eigentlich nur im Geiste des Dr . Lueger handeln würde , wenn er nur christlich¬ socialen Leuten Arbeit gibt . Wenn es dem Dr . Lueger gestattet ist . zu erklären : „ Socialdemokraten und Deutschnationale werden nicht angestellt und nicht befördert " , warum sollte der in der Lueger ' schen Apportierschule herangebildete Prochaska nicht sagen dürfen , Socialdemokcaten und Deutschnationale bekommen keine Arbeit ? Ist das Eine keine Rechtsverletzung und kein Mißbrauch der Amtsgewalt , so ist es auch das Andere nicht , und das Wort „ quod licet Jovi , non licet bovi " hat innerhalb der christlich¬ socialen Parteiherrschaft keine Geltung . Dort sind sie alle auf Einen Leisten zugeschnitten , die Joves und die boves . Von jüdischen Arbeitslosen wollen wir gar nicht sprechen , denn daß ein christlich - socialer Antisemit um jüdische Arbeiter sich ar - nehmen sollte , das wäre eine directe Versündigung gegen das Parteiprogramm . * * * Der Allgemeine Wiener Jugendhort - Verein weiß von der socialpolitischen Einsicht und von der Menschenfreundlichkeit des herrschenden Parleiregimcs ebenfalls ein Lied zu singen . Dieser Verein übte ein Werk , durch welches er das Wohlwollen der Havraueke sich unbedingt verscherzen mußte . Er unterrichtete sechzig bis siebzig arme Kinder , verköstigte sie , bekleidete und beschenkte sie zu Weihnachten und hielt sie zur Arbeit an . Wahr¬ scheinlich vernachlässigte aber der Verein die Erziehung der in seiner Obhut befindlichen Zöglinge zum Judenhaß . Vielleicht unterließ er es , seine Lehrsäle mit dem Bilde des Dr . Lueger zu schmücken . Genug daran , daß dieser Jugendhort weder eine antisemitische noch eine clericale Institution war , und das war gewiß ein hinreichender Grund dafür , daß die Commune dem Vereine die Localitäten kündigte , die er mit großen Kosten hatte adaptiren laffen , um dieselben , wie der Vereinsvorstand mit¬ theilt , einem „ confeffionellen Vereine " zu überweisen . Was für ein confeffioneller Verein das ist , wurde leider nicht mitgetheilt . Der Jugendhort - Berein aber mußte seine Auflösung beschließen , und er faßte diesen Beschluß mit dem Ausdrucke des Bedauerns darüber , daß nun „ arme Kinder jene Hilfe entbehren müffen , die zu leisten dem Vereine bei anderem Verlauf der Ereignisse möglich gewesen wäre " . Die Vereinsleitung hat sich da über das Gebühren der Commune sehr vorsichtig ausgedrückt , es ist aller¬ dings nicht das erstemal und wird voraussichtlich nicht das letztemal sein , daß Werke der Humanität und Nächstenliebe seitens der derzeitigen Gemeindeverwaltung in so empörender Weise unterdrückt werden . * * * Die „ Deutsche Zeitung " bekundet lebhafte Sympathien für Marokko und freut sich darüber , daß in diesem intereffanten Lande , wie sie zu wissen glaubt , die Juden mehr verachtet werden als die Christen . Da hat ' s die „ Deutsche Zeitung " viel bequemer als die Juden . Sie braucht , um verachtet zu werden , nicht nach Marokko zu gehen . 18 e g r i m . Der neue Magistratsdirector . Es ist durchaus keine gleichgiltige Sache , wer an der Spitze des Wiener Magistrates steht . Dieses Gemeindeverwaltungs¬ organ soll eigentlich der Berather des Gemeinderathes sein , der theils wegen seiner wechselnden Zusammensetzung , theils weil er der Parteieinwirkung sich nicht zu entziehen vermag , weder die Continuität aufrecht erhalten , die Tradition bewahren und mit Objektivität Vorgehen kann , noch auch jenes Maaß von admini¬ strativen Kenntnisien und jene Gründlichkeit besitzt , die Vor¬ aussetzung einer guten Verwaltung sind . Diese dem Gemeinde - rathe fehlenden Eigenschaften sollte der Magistrat ersetzen . Ueber - dies ist aber der Magistrat auch die politische Behörde erster Instanz und als solcher sollte er noch vielmehr von jedem Partei¬ geist frei sein . Denn die Staatsverwaltung hat in Austheilung ihrer Dienstleistungen das „ gleiche Recht für Alle " zum obersten Princip zu machen , ohne welches der gesummte Bau das Fun¬ dament verlieren würde , und der Wiener Magistrat als Bezirks¬ hauptmannschaft dürfte sich von der Linie , die für die gesammte Staatsverwaltung gilt , auch nicht um eines Haares Breite ent¬ fernen . Wie der Magistrat zusammengesetzt ist , muß daher als eine alle Bewohner dieser Stadt sehr nahe angehende Angelegen¬ heit angesehen werden . Der Magistrat greift ins Familienleben , ins Gewerbeleben , in Handel und Verkehr ein ; er ist im Bau¬ wesen eine maßgebende Instanz , er hat im Schulwesen einen großen Einfluß . Ob er sich dabei vom Rechte leiten läßt oder dem Parteidictat Folge leistet , ist daher eine so wichtige Frage , daß daran Niemand gleichgiltig vorübergehen kann und daß es selbst des Staates , in dessen Namen der Magistrat so viele Functionen ausübt , nicht unwürdig wäre , eine strenge Controle darüber zu führen , ob sein Organ in seinem Sinne oder in wessen Anderes Sinne thätig ist . Hat nun der Magistrat eine solche Bedeutung , so kommt es natürlich umso mehr darauf an , wer an seiner Spitze steht , wer sein unmittelbarer Leiter ist , wer den geistigen Impuls gibt , dem dieser Riesenkörper folgt , wer den Ton anschlägt , auf den dies ganze Orchester gestimmt wird . » Es stinkt der Fisch vom Kopfe " — das Sprichwort ist ein Wahrwort und kaum hat es sich anderwärts jemals so bewährt wie in der Wiener Gemeindeverwaltung . Am Wiener Magistrat kann man förmlich Studien machen , wie sich der Einfluß des obersten Leiters jeweilig geltend gemacht hat . Der oberste Leiter ist natürlich der Bürgermeister , und wie sein Charakter beschaffen ist , so bilden sich ihm nachfolgend seine Untergegebenen . Der ethisch hochstehende Felder hatte den Magistratsdirector Grohmann , die Oberbuchhalter Brodhubcr und Schmid zu Gehilfen — Dr . Lueger findet den Dr . Weiß - kirchner . Von Felder bis auf Lueger ist der Magistrat von einem dem Gemeinderath nahezu coordinirten , selbstbewußten , aus¬ schließlich seinem besten Wissen und Gewissen , seiner freien Ueber - zeugung folgenden , nicht selten opponirenden , allgemein geach¬ teten Organ zu einem bloßen Willensvollstrecker des Commandos eines Parteiführers herabgesunken , und aus diesem Verhältniß heraus erklärt es sich , daß auf die tüchtigen und gewissenhaften Organe der Gemeindeverwaltung der ersten Zeit der autonomen Gemeindeverwaltung nach und nach Männer folgten , die ent¬ weder ihre früheren Ueberzeugungen verleugneten oder , soweit sie keine Gesinnung kundgegeben haben , jetzt die herrschende Gesinnung sich aneigneten , wie der Bediente eine Livree anzieht . Es wurde also nicht die Leistung in der Verwaltung , sondern die der Partei geleistete Gefolgschaft das Kriterium für Ernen¬ nung oder Beförderung , und dieses Princip sehen wir auch in der Berufung des Dr . Weißkirchner an die Spitze des Magistrats verwirklicht . Vergebens suchen wir in den ihm zu Ehren gedich¬ teten Biographien irgend eine That , durch die er seine Befähi¬ gung als Magistratsleiter bewiesen hätte . Die so viel gepriesene „ Reform der Armenverwaltung " ist umsomehr eine Carricatur auf eine wahre Reform , als weder in den Personen noch in den Instructionen eine wesentliche Aenderung eintrat und die neu¬ eingesetzte „ Central - Commission " eine Körperschaft ohne Pieni¬ potenz ist und den Namen „ Central " nicht verdient , da sie auf ganz einseitiger Berufung basirt ist . Diese „ Reform " — und dann eine angebliche „ Reorganisation des Magistratsdienstes " sind aber auch das Einzige , was man von der Berwaltungs - thätigkeit des neuen Magistratsdirectors zu erzählen weiß . Was man aber nicht erzählt und doch zu seiner Charak¬ teristik viel mehr dient , das find seine im Landtag und im Reichsrath , sowie in Wählerversammlungen gehaltenen Reden , in denen ohne irgendwelche besondere Sachkenntniß blos der |