Nr. 17 Dr. Blochs Wochenfch-M. Sette 291 MUS assimilieren. So durchaus unähnlich sind sie uns gar nicht, die wir infolge längerer Fesselung, .als letz¬ tes europäisches Volk, auch heute erst die volle Befreiung unserer Energien erleben. An dem Ruhm, den deutsche Arbeit, geistige und materielle, heute in der Welt ge- nietzt, haben jie redlichen Anteil genommen. Warum ihnen nicht freiwillig auch den Anteil an der Regierung geben, ehe sie ihn sich auf dem Wege des Parlamentaris¬ mus erzwingen? Literatur. Cine dem Judentums feindselige Bemerkung in einem Schnlbuche. -Es ist eine bekannte Tatsache, daß wir Juden in manchen Schulbüchern und in von Schülern gerne benützten und viel gelesenen Hilfswerken sehr schlecht wegkommen, was wohl sehr zu bedauern ist. Der Keim des Judenhasses wird schon in die jugendlichen Herzen verpflanzt und geht später zur unheivollen Saat auf. Das begreift Jeder, der weiß, wie den Schülern das Schulbuch oft die einzige, von ihnen auch als solche geschätzte Quelle ist, aus der sie ihr Wissen schöpfen. Die Verfasser von Schulbüchern sollten es sich deshalb be¬ sonders angelegen sein lassen, jedes feindselige Wort zu vermeiden, durch das ein jugendliches Gemüt in seinen heiligsten Gefühlen ver¬ letzt werden könnte. Ich muß hier wohl nicht auf das Gedicht ver¬ weisen, das wir in vielen Lesebüchern finden, in dem erzählt wird, wie der Jude durch den Wald ging und die goldenen Blättchen des Baumes, der sich ein anderes Laub wünschte, in den Sack steckte. Als hätte dies ein Nichtjude nicht auch getan. In dem Lesebuche von Kummer und Steyskal, das in unseren Gymnasien eingeführt ist, steht in dem für die VIU. Klasse bestimmten Teile kein Wort von Heine. Meine Schüler fragten mich schon öfter mit einem bemerkens¬ werten Lächeln nach dem Grunde. — Leider schenken jüdis^e Eltern ihren Kindern gerne die illustrierte Literaturgeschichte von König, in der über Heine und von jüdischen Eltern abstammende Schriftsteller nicht allzu freundlich geurteilt wird. Wundern wir uns dann über den Mangel an Selbstachtung, den wir leider so oft bei unserer Jugend beobachten können? Da blätterte ich vor einigen Tagen in dem von Dr. Friedrich Bauer. Dr. Franz Jelinek und Dr. Franz Streinz herausgegebenen, vom Ministerium approbierten und im k. k. Schulbücherverlaae er¬ schienenen „Leitfaden der Literaturgeschichte für österreichische Mittel¬ schulen" (I. Teil, für die V. Klasse) und fand auf Seite 43 dieses Büchleins folgende Ausführung über den Gral. „Mit dem Namen Gral (aus dem Lateiniscl en Gradalis) bezeichnet man eine stufenförmig vertiefte Schüssel, in der mehrere Speisen angeordnet werden konnten. Aus einer solchen Schüssel hat Christus beim letzten Abendmahle ge¬ speist." (Wir denken wohl da am besten an die Sederschlüssel.) „In ihr hat Joseph von Arimathia" (das biblische Ramathaim) „das Blut des gekreuzigten Heilands aufgefangen. Seither hat der Gral wunder¬ tätige Kraft. Der Anblick des Heiligtums erhielt und beglückte jahre¬ lang Joseph von Arimathia im Kerker, wohin ihn der Haß der Juden gebracht hatte." Nun fragt jeder Unbefangene: Ist dieser letzte Satz gar so notwendig, daß er in ein Schulbuch aus¬ genommen werden mußte? Kann durch eine solche Bemerkung die Ein¬ tracht und Liebe der verschiedenen Bekenntnisse gefördert werden? In den Evangelien steht von all dem nichts. In den Evangelien des Matthäus, Marcus und Lucas wird nur davon erzählt, daß Joseph von Arimathia den Leichnam Christi zur Bestattung von Pilatus verlangte. In dem des Johannes wird außerdem noch das Ausflreßen des Blutes erwähnt. Man kann also nicht einmal auf den neutestameutlichen Bericht verweisen. Die Sage vom Gral erscheint zuerst in Frankreich, nach der Mitte des 12. Jahrhunderts, poetisch bearbeitet in dem Vers-Roman des Robert von Boron, der für den ersten Teil seiner Erzählung, von den Ge¬ schicken des Gral, das apokryphe Nikodemus-Evangelium und die »vindicta Lalvatoris« (Befreiung des Erlösers), in der von Josephus von Ari¬ mathia erzählt wird, benützt. Eine spät entstandene Legende ist es dem¬ nach, die hier ganz überflussigerweise in einem Schulbuche angeführt wird. Hätte es nicht genügt, eine Definition der Gralsschüffel zu geben, ohne die Fabel von dem Joseph aufzutischen, der aus Haß von den Juden eingekerkert wurde, eine Fabel, die durch nichts begründet wird? Haben die Herren Herausgeber des Leitfadens befürchtet, die Jugend werde ohne diesen Satz den „Parcival“ des Wolfram von Eschenbach schlechter verstehen? Wir sind deshalb der Meinung, daß er, im Interesse der Schuljugend, beffer weggeblieben wäre, und jeder ein¬ sichtige Lehrer wird wohl darauf verweisen, daß die durch den Haß der Juden erfolgte Einkerkerung des Joseph von Arimathia eine spät entstandene, durch nichts begründete Fabel sei. — Liest man aber solche Sätze in einem Schulbuche, dann wundere man sich nicht über die Gründe, die oft den Keim zum konfessionellen Zwist in den jugend¬ lichen Herzen bilden. Dr. M. G r ü n f e l d. Unsere Klassiker im Volksmund. Ein kleiner Zitatenschatz. Heraus* gegeben von Bich. Zoozmann. Leipzig, Hesse & Becker Verlag. Preis 20 Pf., kart. 50 Pf. Gleich ausgezeichnet durch Billigkeit — für solchen Preis ist noch nie ein Zitatenschatz dieser Art geboten worden —, Handlichkeit, praktische Form und lnhaltsfülla bei aller Knappheit! Die alphabetische Zusammenstellung nach Dichtern und deren einzelnen Werken macht das Schriftchen gerade wegen seiner Uebersichtlichkeit zu einem Kompendium und Nachschlagewerk, zu einem „Nimm mich mit" bei der Lektüre zu Hause, in der Tasche des Beisenden, in der Mappe des Schülers und Studenten, zu einem Batgeber auf jedem Schreibtische. Das Büchlein ist ein Grad¬ messer für die Beliebtheit jedes einzelnen unserer und der bei uns heimisch gewordenen Dichter und zugleich für den Anteil, den er zum geistigen Leben seiner Nation beigesteuert hat. Unter allen, die überhaupt Sinn für den grössten Schatz unseres Volkes haben, ist nicht einer, der nicht aus dem hier Gebotenen Freude und Belehrung schöpfen könnte und aus den reichen Kostproben Anregung zur weiteren Beschäftigung mit den Original-Werken gewinnen dürfte. Carlebach J„ Lewi ben Gerson als Mathematiker. Berlin 1910, Louis Lamm, M. 5. Die Arbeit ist eine nicht nur höchst verdienstliche, sie war längst ein Desideratum. Wie vielleicht kein zweiter Jude des Mittelalters hat Lewi ben Gerson sich als Erfinder einen Weltruf erworben. Man war nicht wenig überrascht, als man den Nachweis las, dass er den Jakobsstab, dass er die Camera obscura u. a. erfunden habe. Gleichzeitig bohrte sich einem als Juden ein Stachel ins Herz, wenn man selbst bei Günther lesen musste, dass Lewi zum Christentum abgefallen sei. Die vorliegende ausgezeichnete Arbeit eines Fachmannes widerlegt diese Annahme schlagend und zeigt uns den grossen Denker in seiner ganzen Glorie. Schon zur Wahl des Themas ist dem Autor Glück zu wünschen, x. Dr. Alois Schweiger, Babbiner in Eger (Erlau). Die Beli- gion im Liebte der Völkerpsychologie. Vortrag, gehalten auf Einladung des Vorstandes der israelitischen Kultusgemeinde in Wien. Zeitschrift für Demographie und Statistik der Juden. Heraus¬ gegeben vom Bureau für Statistik der Juden. Berlin C. 2. An der Spandauerbrücke 15. Begründet von Dr Arthur Buppin. Bedi- giert von Dr. Bruno Blau. 7. Jahrgang. Heft Nr. 4. April 1911 Inhalt: 1. Abhandlungen. 1. Dr. oec. publ. Jakob Segall, Berlin: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Juden in Deutschland. — 2 Dr. Hugo Nathansohn , Berlin: Die Kriminalität der Juden und Nichtjuden in Ungarn in den Jahren 1906 bis 1909. — II. Statistisches Archiv. Bevölkerungsbewegung in Schöneberg 1909. — Austritte aus dem Judentum im Jahre 1908. — Unterrichtsstatistik für das Jahr 1907 in der Bukowina. — Kretinismus bei Juden. — III. Zeitschriftenübersicht. — IV. Mitteilung. „Die Hilfe“. Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst. Herausgegeben von Friedrich Naumann, M. d. K. Nummer 16. 20. April 19.1. Aus dem Inhalt: Theodor Heuss: Kmltur- konservatismus. — Albert Kuhlmann: Die hessische Wahl¬ reform. — Fritz Wertheimer: Japans Zollpolitik. — Paul Rohrbach: Egypten I. — Unsere Bewegung. — Soziale Bewegung. — Erich Schlaikjer: Hellmut Harringa. — Paul Schubring: Die Münchener Scholle. — Ludwig Weber: Humpelrock und Hosenreck. — Adolf B e h n e: Mai Klingers neue Blätter „Vom Tode“. — Karl Wilhelm Fritsch: Um Michel¬ burg. Boman. — Büchertiscb. — Politische Notizen. — Buch¬ verlag der „Hilfe“, Berlin-Schöneberg. Le Traducteur, The Translator, II Traduttore, drei Halbmonats¬ schriften zum Studium der französischen, englischen, italieni¬ schen und deutschen Sprache. Es dürfte zum gleichen Zwecke schwerlich zweckmässi- gere, besser angelegte und billigere Hilfsmittel geben, und wir empfehlen al'en Interessenten, sich von der Beichhaltigkeit und Gediegenheit dieser Blätter selbst zu überzeugen. — Probe¬ nummern für Französisch, Englisch oder Italienisch sind durch den Verlag des „Traducteur“ in La Chaux-de-Fonds (Schweiz) kostenlos erhältlich. flmflwflm. Abonnent Salzburg. Der antisemitische Resolutions¬ antrag Schmid, welcher der jüdischen Jugend den Zugang zu den Mittelschulen erschweren und auf Perzente beschränken sollte, kam in der Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses vom 26. Juni 1908 zur Abstimmung. Die Abstimmung erfolgte mit Namensaufruf. Abgeordneter S y l v e st e r stimmte für den antisemitischen Antrag. Abgeordneter Chiari hatte sich absentiert. Emil Koh». Wer aus der mächtigen, herrschenden Kirche auS- tritt und Dissident wird, der darf nicht in eine Reihe mit dem gestellt werden, der eine schwache, bedrohte und angeseindete Minorität, die gegen einen tausendfach überlegenen Feind sich zu wehren hat. |