553ä23ia!B!St-.: DIE WAHRHEIT Nr. 37 — 13. September 1935 Seite 7 Anläßlich der hohen Feiertage findet wie all¬ jährlich der FESTGOTTESDIENST im Prachtsaal „Auge Gottes", IX., Nußdorferstr. 75, statt. Der Kartenverkauf findet ab Sonntag, den 15. Sept. von 9—12 Uhr vormittags und an Wochentagen von 3—5 Uhr nachmittags statt. Karten vor. S 5.— aufw. Vorstand des Vorstand Tempelvereines Bikur Chaullm IX.. Müllnergasse IX., Liechtensteinstr. 113 SOS! Rafael Hualla schreibt im „Morgen": Das D^-Krüger-Heim in der Leopoldstadt ist in Not. Obgleich es gerade jetzt vom Keller bis zum Boden voll von Leben und besten Aussichten ist. Solche Gegensätze liebt das Schicksal. Doch es ist nur ein scheinbarer Gegensatz. Denn auch ein prächtiges, seetüchtiges Schiff kann plötzlich >in Seenot geraten. Doch wenn die SOS-Rufe gehört werden, wird es gerettet mit all den Werten und den prächtigen Menschen,, die auf ihm leben. Mit¬ samt dem Kapitän, dessen Lebenswerk das Schiff bedeutet. Der Kapitän ist Frau Dr. Krüger. Sie er¬ zählt nichts von den Jahrzehnten unermüdlicher Arbeit, die sie und ihr Gatte, der verstorbene Obermedizinalrat Dr. Krüger, der Gründer des Heimes, diesem Lebenswerk gewidmet hat, sie verschweigt tapfer die schlaflosen Stunden der Nächte nach schwerer Tagesarbeit, in denen sie darüber nachdenkt, wie diesem Werk geholfen werden könnte, in jener entscheidenden Stunde, in der es mehr denn je die Notwendigkeit seiner kul¬ turpolitischen Sendung erwiesen Tiat, aber das, was sie mir an Briefen vorlegt, was sie mir an Schick¬ salen erzählt, was sie mir in dem großen Doppel¬ haus in der Malzgasse zeigt, schreit in alle Welt hinein: hier ist ein großes Werk der Zukunft in Gefahr, das Dr.-Krüger-Heim in der Malzgasse, in dem hunderte jüdischer Mädchen zu nützlichen Mit¬ gliedern der Gesellschaft, zu Arbeiterinnen und Hausfrauen erzogen werden, zu Menschen mit Gemeinschaftssinn, das heute mehr denn je in¬ nerhalb der jüdischen Gesellschaft eine Kultur¬ mission zu erfüllen, hat; es darf keine kleinlichen materiellen Sorgen haben. 85 Mädchen sind augenblicklich im Internat des Dr.-Krüger-Heimes, in dem es alles gibt, was man sich wünschen kann: Da sitzen sie in dem hellen, freundlichen Speisesaal nebeneinander und jede von ihnen er¬ hält die gleiche sorgfältige Erziehung und Ausbil¬ dung, ob sie nun 120 Schilling monatlich oder gar nichts zahlt. Und viele von ihnen zahlen gar nichts, können nichts zahlen. Bei manchen zahlen die An¬ verwandten 20 Schilling monatlich, manchmal monatelang gar nichts, und doch hat Frau Dr. Her¬ mine Krüger das Herz, alle aufzunehmen, auch die, die gar nichts zahlen. Gerade die! Im Dr.-Krüger-Heim finden die Mädchen alles: sie lernen arbeiten und sie erhalten Arbeit. Ein Bau voll Leben und Arbeit. Zwei tapfere Frauen kämpfen für ein Lebenswerk. Sie haben mich ge¬ beten, in die Welt zu schreien, was sie nur flü¬ stern können. Ich will sie nicht enttäuschen. Drum: SOS für das Dr.-Krüger-Heim. Es gebe jeder, der sich verpflichtet fühlt. Jeder gute Mensch. Eine Judenzählung vor 160 Jahren. Am 13. September 1775, zur Zeit der jüdischen hohen Feiertage, fegte ein furchtbarer Sturm über den bei Lemberg gelegenen Ort Symnalow hinweg, deckte viele Dächer ab, entwurzelte mäch¬ tige Baumriesen und brachte zahlreiche Scheunen zum Einsturz. „Da man hier", so berichtete die „Leipziger Politische Zeitung" in ihrer Nummer 298 des Jahrganges 1775, „noch, nie ein solches Ungewitter gehabt, so wollte man wun¬ derbare Dinge in den Wolken gesehen haben. Man schob diesen so schädlichen Sturm auf die J u- d e n und behauptete, daß bei ihren jetzigen Feier¬ tagen die bösen Geister herumflögen und, um einen Juden zu erhaschen, dieses Ungewitter er¬ regt hätten. Die Sache ward hierauf ernstlicher, und alle Juden mußten sich einer Musterung unterwerfen, um zu erfahren, ob die bösen Geister nicht einen von ihnen weggeführt hätten. Die Juden wurden hierauf gezählt, und es wurde deutlich dargetan, daß noch alle hier aufder Welt waren... Dadurch legte sich", so schließt der zeitgenössische Bericht, „auch der andere Sturm, der noch traurigere Folgen für die Juden hätte haben können als der erste." A. M. Hitler — ein Werkzeug Gottes. Das haben bisher nur die Hakenkreuzler jen¬ seits und diesseits der Grenzen gepredigt. Nun findet sich auf einmal auch ein 1 Jude, Kurt Reiß aus S a a z, der unter dem Pseudonym Abraham Cohen in Nordböhmen einen „Wegweiser zum Suchen nach der Ursache des Fluches, der auf den Juden lastet", verbreitet, worin durch Zitate aus dem Alten Testament der Nachweis versucht wird, daß Hitler ein Werkzeug Gottes sei, weil er den Assimilierungsprozeß der Juden abgestoppt und damit das jüdische Volk wieder dazu gebracht habe, sich seiner von Gott bestimmten nationalen Mission zuzuwenden. Aus diesem Grund bezeich¬ net Abraham Cohen Adolf Hitler „als den größten Zionisten und Pa 1 ä s t i na a u f- bauerder Welt" und meint, Hitler habe solche radikale Maßnahmen treffen müssen, um die Schäden der schon sehr weit fortgeschrittenen und sonst unaufhaltsam gewesenen Assimilation einzu¬ holen und wieder gutzumachen. Schließlich betont der Verfasser dieses seltsamen Flugblattes, er sei bereit, jedem auf Wunsch die Stellen des Alten Testaments, welche beweisen, daß Jesus der Messias sei, völlig kostenlos zuzusenden... Moderne Küchen. Vorzimmer- Wohnzimmer- F. KOHN, Wien IL, TABORSTRASSE Nr. 22 Telephon R 40-7-14 Samstag geschlossen. MÖBEL Kantor auch Balkore mit schöner und geschulter Tenorstimme sucht Stelle für die hohen Feiertage. Zuschriften unter „Erstklas¬ siges Chasonuth" an die Administration des Blattes- Gewiß hat der Verfasser recht, wenn er fest¬ stellt, daß Hitler bei Kleinmütigen den jüdischen Nationalismus gestärkt habe, aber der naive Apologet Hitlers vergißt nur auf den kleinen Um¬ stand, daß Hitler eine halbe Million jüdischer Men¬ schen systematisch zum bürgerlichen und Hunger¬ tod verurteilt hat. Und Millionen anständiger, auf¬ rechter deutscher Menschen dazu. Und er vergißt weiter, daß die Hitlersche Vernichtungspropaganda ein solches „Dokument" mit besonderer Wohllust benützen wird, um dadurch ihre vergangenem und künftigen Schandtaten zu glorifizieren. Gemeinde&ronifz. Die Beisetzung Oberrabbiner Kooks. Unter ungeheurer Anteilnahme der gesamten jüdi¬ schen Bevölkerung des Landes wurde Oberrabbiner Abraham Jizchak Kook am 2. September auf dem Oel¬ berg zur letzten Ruhe bestattet. Die Zahl der Menschen, die dem Sarg folgten und in den Straßen, die der Trauerzug passierte, Spalier bildeten, wird auf 80.000 geschätzt. Etwa 25.000 bis 30.000 Trauergäste waren aus der Provinz herbeigeströmt. Dichte Menschen- . massen säumten nicht nur die Fahrbahn auf dem Wege zum Friedhof ein, sondern füllten auch die Balkone und Dächer der am Trauerweg liegenden Häuser. Von der Zentral-Jeschiwa bewegte sich der Zug durch die jaffa- Straße zum Friedhof. Eine Abteilung von hundert Poli¬ zisten an der Spitze des Trauerzuges sorgte für die Freihaltung des Weges. Nach ihr kam eine große Gruppe von Schülern der Talmüd-Thoraschulen, die auf dem Wege Trauerpsalmen rezitierten. Infolge der ungeheuren Hitze wurden mehrere Kinder ohnmächtig und mußten gelabt werden. Bachurim der Jeschiwa und Mitglieder des Hapoel Hamisrachi flankierten den Zug, in dem zahl¬ reiche Vertreter der jüdischen und nichtjüdischen reli¬ giösen Gemeinschaften, der verschiedenen Organisatio¬ nen, der Regierung und des Konsularkorps schritten. Den Mitgliedern der Jugend- und Wehrverbände war das Tragen von Uniformen bei dem Leichenbegängnis unter¬ sagt worden. Nur die malerische Tracht der orientali¬ schen Rabbiner belebte das einförmig düstere Bilde des Zuges. An dem Grabe, das sich in der Nähe der letzten Ruhestätte des Vaters des Verblichenen, des Rabbiners Salomon Salman Hakohen Kook, befindet, kam es zu ergreifenden Szenen der Trauer, als nach dem von dem Sohne des Oberrabbiners, Rabbi Zwi Jehuda, gesproche¬ nen Kaddisch die zahlreichen religiösen und weltlichen Würdenträger, die an dem Begräbnis teilnahmen, Erd- STEININDUSTRIE CARL BENEDICT Zentrale: Iii.. Rennweg 112, Tel. U J5-0-52 GRABSTEINLAGER: Zentraffriedhof, 3. Tor, Tel. B 53-0-53 schollen auf den Sarg niederfallen ließen. Nachrufe wur¬ den nicht gehalten. Es sprachen nur kurze Worte reli¬ giösen Inhalts die Rabbiner Isser Salman Meitzer im Namen der religiösen Institutionen und Joseph L e v y für das sephardische Rabbinat. Während des Begräb¬ nisses ruhte die Arbeit in sämtlichen jüdischen Betrieben, des Landes. Rabbiner Prof. Dr. Templer. I In einem Badener Sanatorium ist am 22. v. M. der bekannte Wiener Gelehrte Rabbiner Prof. Dr. Bernhard Templer einem Herzleiden erlegen. Am 24. August wurde er auf dem Friedhofe in Baden bestattet. Aus Wien war eine Abordnung der Frontkämpfervereinigung, der Dr. Templer angehört hatte, in Uniform erschienen, sowie der Vorsteher des Bethauses, an dem der Ver¬ blichene 30 Jahre hindurch in uneigennütziger Weise gewirkt hat. Nach dem von Oberkantor Richter vor¬ getragenen Trauergesang und einer das Leben des Ver¬ blichenen würdigenden, formvollendeten Rede des Ober¬ rabbiners Dr. Carlebach nahm für die Freunde des Toten Rabbiner Dr. Max G r u n w a l d herzergreifenden Abschied. Im Namen des Wiener Kultusvorstandes sprach Kultusvorsteher W a 11 u c h, für die Badener Ge¬ meinde ihr Präsident Dr. L a c k e n b a c h e r, am offenen Grab Vorsteher R a u s n i t z für die Talmud Thora im 3. Wiener Bezirk. An der Bahre des Dahingeschiedenen trauern seine tiefgebeugte Gattin und sein einziger Bruder. Aus den Trauerreden war die dreifache Bedeu¬ tung Dr. Templers zu ersehen: seine Leistungen als Forscher, als Seelsorger und als Lehrer. Ueberaus groß war die Anerkennung, die Dr. Templer schon als Stu¬ dent der Berliner Hochschule bei den Gelehrten fand. In Wien förderte ihn Dr. Adolf Jellinek, in Berlin Dr. May bäum und Prof. Steinthal. Was er als Lehrer geleistet hat, dafür spricht die Dankbarkeit seiner Schüler, die noch an seinem Totenbett rührend zum Ausdruck kam. Dr. Templer hat zahlreiche wissenschaft¬ liche Arbeiten verfaßt, darunter die „Unsterblichkeits¬ lehre", die „Apologetik des Alten Testaments" und „Bahnbrecher der Frauenemanzipation", deren Erschei¬ nen er nicht mehr erlebt hat. Als Feldrabbiner während der ganzen Dauer des Krieges wurde er mehrfach aus¬ gezeichnet. Alle, die den Verblichenen kannten, werden ihm, dem Menschen, Gelehrten und Pädagogen, ein ehrendes Andenken bewahren. Der „Bund jüdischer Frontsoldaten Oester¬ reichs" feiert in diesen Tagen seinen dreijährigen Bestand. Aus diesem Anlasse gibt die Pressestelle des „Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs" eine Broschüre „Drei Jahre Bund jüdi¬ scher, Frontsoldaten Oesterreichs" heraus, zu welcher Staatssekretär General der In¬ fanterie Zehner das Geleitwort gewidmet hat. Diese Broschüre, mit Bildermaterial reich ver¬ sehen, kommt dieser Tage in den Vertrieb. — Am 22. September l. J. findet am jüdischen lielden- friedhof die diesjährige Heldengedenkfeier statt. Der Bund wird im Verfolge der im Vorjahre be¬ gonnenen Grabsteinaktion heuer wieder eine größere Anzahl von Grabsteinen stellen. Der „Bund jüdischer Frontsoldaten Oesterreichs" wen¬ det sich an die Juden Oesterreichs, seine diesbe¬ züglichen Bestrebungen tatkräftigst zu unter¬ stützen. Spenden sind erbeten an das Postspar¬ kassenkonto B 157.651 oder an das Büro der Bun¬ desführung Wien I., Bräunerstraße 2. Anläßlich der hohen jüdischen Feiertage veran¬ staltet die Israel. Kinderbewahranstalt, IL, Schiffamts¬ gasse 15, wie alljährlich, so auch heuer in ihren Räu¬ men einen feierlichen Gottesdienst. Bethaussitze sind täglich in der Zeit von 9—12 Uhr vormittags im Sekre¬ tariat der Anstalt erhältlich. (Telephon A-45-0-79.) ßarmizwah. Herr und Frau S. B u c h s b a u m (Inhaber des Cafe B u c h s b a u m) laden die Freunde, Bekannten und Kaffeehausgäste zur Bar- mizwah ihres Sohnes Ernst ein, welche Samstag, den 21. September um 9 Uhr vormittags im Bet¬ hausvereine „Rasche Hilfe", II., Josefi- nengasse 7 stattfindet. Die kantorale Funktion hat Herr Oberkantor Müller freundschaftshalber übernommen. Trauung. Sonntag, den 8. d. M., fand im Zeremoniensaal des Tempels, IX., Müllnergasse, die Trauung des Fräuleins Dr. Lily L i p s k e r, Tochter des Herrn Heinrich Lipsker. Direktor des Leopoldstädter Volkskinos, mit Herrn Alexan¬ der Polak statt. Den zahlreichen Gratulanten, die dem in weitesten Kreisen geschätzten und be¬ liebten Ehepaare Lipsker und dem jungen Paare ihre herzliche Anteilnahme bekundeten, schließt sich auch die Redaktion der „Wahrheit" an. & |