366 Darmstadt, 30. Mai. Zn der heutigen SiWg der zweiten Kammer der GtqM mrrdH her LUtrag des AhtzehrdHWy Glaubrtzch auf „AMchqug Artikel 7—11 des die Israeliten in Rheinhessen bedrückenden kaiserlich französischen Dekrets vom 17. März 1808" (Ju¬ denpatent) einstimmig angenommen. Mainz, 31. Mai. Mit der Aufhebung des famo¬ sen Judenpatents ist das Vermögen der redlichsten Israe¬ liten nicht mehr den Launen böser Schuldner preisgege- ben und die Richter sind nicht mehr in der Lage, die ge¬ rechteste Schuldforderung abzuweisen, wenn zufällig der jüdische Kreditor es unter seiner Würde gehalten hat, jährlich ein Moralitätspatent sich von dreien Behörden ausstellen zu lassen. Dieses kaiserliche AusuahmSgesetz, das in Frankreich längst der verdienten Vernichtung über¬ geben worden ist, war eine nutzlose Erniedrigung des bes¬ sern Theils der Juden, während es der wahrhafte Wuche¬ rer ganz leicht zu umgehen wußte. —. Somit ist dieses Gesetz in Frankreich, Rhein¬ preußen und Rheinhessen beseitigt, und drückt allein noch auf die Juden in — Rheinbaiern. Was und wie im Indenthume refor- mirt werden soll? (Fortsetzung.) Wir haben aber die Frage vom Gottesdienste noch von einer ganz andern Seite in's Auge zu fassen. Es ist Faktum, daß ein sehr großer Theil der ge¬ werbetreibenden Israeliten am Sabbat sich nicht mehr der weltlichen Beschäftigung entschlägt. Es ist Faktum, daß, weil so viele Juden, die das¬ selbe Gewerbe betreiben, den Sabbat nicht mehr, höch¬ stens in häuslichen Beziehungen, halten, und weil die Juden jetzt so viele Geschäfte betreiben, die in den Be¬ dingungen des allgemeinen bürgerlichen Verkehrs wur¬ zeln, ein großer Theil der gewerbetreibenden Israeliten am Sabbat sich der weltlichen Beschäftigung nicht mehr enthalten können, ohne ihre gewerbliche Existenz völlig zu gefährden. Es ist Faktum, daß dadurch ein großer Theil der Israeliten von der Theilnahme am Gottesdienste, der am Sabbat gehalten wird, exkludirt ist. Es ist Faktum, daß insbesondere die, das Gewerbe erlernende Jugend vom Gottesdienste exkludirt ist. Es ist Faktum, daß, je mehr so viele Individuen sich YM Ghtteßdienste rytfernL hsttm, sie vtznr Bedürf¬ nisse des Gottesdienstes ßch immer mehr entferMN, das¬ selbe in ihnen immer mchr erlischt. So tief beklag enswerth diese Fakta vom religiö¬ sen Standpunkte auch sind: so sind sie Fakta, die Nie¬ mand leugnen kann, und — die kein Mensch zu än¬ dern vermag. Du kannst mit Feuerzungen dagegen sprechen. Du kannst beweisen, verdammen, zg überzeugen: aber zu ändern vermagst Du sie nicht. Es sind dies Fakta, die nicht vereinzelt stehen, die gegenwärtig in den meisten Gemeinden vorhanden sind. (Sind doch, wie Augenzeu¬ gen 'mir versichern, selbst in Altona von 48 Kaufläden, die Juden gehören — 43 am Sabbat geöffnet). Was ist die Folge: in den Individuen das Verlöschen alles religiösen Bedürfnisses, der religiösen Bewegung; für das Ganze: die Leere der-Synagogen beim Gottes¬ dienste, die Gleichgültigkeit für Religion, der immer grö¬ ßere Verfall der Religion. Da hilft wirklich aller verbesserter Gottesdienst nichts. So lange der Reiz des Neuen, so lange der Kampf um das Neue vorhanden ist, geht's an. Späterhin zieht der Reiz des Geschäfts wieder von dannen. Eine oft gehörte Klage von den Orten, wo der Gottesdienst wirklich ver¬ bessert worden. Sollen wir nun diesen Fakta gegenüber die Augen schließend Es ist dies wahrlich! nicht mehr Zeit, noch eine kurze Zeit, und — es wird Vieles — zu spät sein. Aber wie? Wir können leider! uns Alle jener Unge- lenkigkeit noch immer nicht entledigen, die seit mehren Jahrhunderten uns befangen macht, und der Gelenkigkeit unsres Geistes so sehr Wiederpart hält. Andere Religions- Parteien würden in dieser schwierigen Lage längst das rechte Mittel gefunden haben. Es gilt den Zweck: einem großen Theil der Is¬ raeliten den israelitischen Gottesdienst wie¬ der zugänglich, nämlich möglich und bequem zu machen. Nun? haben wir denn bloß den Gottesdienst am Sabbat? Wir haben ihn ja an jedem Tage der Woche? — Aber er ist in der Frühe, um sechs Uhr Morgens, er wird eilfertig, ohne Erbauung, ohne Reiz, ohne Be¬ lehrung abgehalteu, es wird eine bestimmte Anzahl Ge¬ bete schnell abgefertigt, und damit Punktum? Dies hilft Nichts. Wohlan! so haltet den täglichen Gottesdienst am |