14 getroffen. Das sind Institutionen, die nicht weiter gerühmt zu werden brauchen; ihr Segen liegt schon in der Thatsache, daß sie geschaffen wurden. Und dies Register ließe sich ansehnlich vermehre». Vor Allem waren es die Schiile und die Synagoge, welchen Herr Jnstizrath Meyer seine besondere Fürsorge entgegengebracht und gcwidinet hat. Alle Verbesserungen, die er in seiner einflußreichen Stellung als Stadtverordneter kennen gelernt und mit durchgesetzt hatte, brachte er sofort auch in deni Schulwesen der jüdischen Gemeinde zur Ausführung, so daß dieses innerhalb der letzten Jahr¬ zehnte zu wahrhaft erfreulicher Blüthe gelangte. In der Synagoge war Justizrath Meyer bemüht, einen würdigen Gottesdienst einzuführen. Predigt und Gesang sollten auf der Höhe stehen und durch ihren feierlichen Eindruck die Gcmüther der Hörer fesseln. Sein Verdienst war die Berufung Abraham Geiger's »ach Berlin — und dieses Verdienst hat geschichtliche Bedeutung, wenn man sich der Kämpfe erinnert, die dieser Berufung vorangingen und die selbst bis in den Frieden der Familie hineindrangen. Aber unbeirrt verfolgte unser Jubilar sein Ziel in der richtigen Erkenntniß, daß der Mann, der das Führeramt in der religiösen Entwickelung des deutschen Judenthums übernommen, auch zugleich der religiöse Führer der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands sein müsse. So könnten wir die Chronik der Schöpfungen und Leistungen unseres Gemeindevorstehers noch lange fortsetzen. Aber wir begnügen uns für heute, die Hanptgesichtspunkte hervorzuheben. Denn allein schon aus diesen Andeutungen tvird jeder Einsichtige erkennen, wie schwer die Arbeit war, die der Jubilar übernommen, wie mühsam der Weg, den er zurückgelegt, welch einen langen und schwierigen Bildungsprozeß unser Gemeindeleben durchzumachen hatte, um zu der Höhe zu gelangen, auf welcher es jetzt sich befindet. Wer in so heißem Ringen um ideale Güter eine Gemeinde zu glücklichem Ziele führt, der ist wahrlich aller Ehre werth. Mit froher Kraft, nicht mit wehmüthiger Resignation hat Justiz¬ rath Meyer stets seines Amtes gewaltet. Er hat es jederzeit als eine Ehre und nicht als eine Bürde betrachtet. Die unverwüstliche Kraft und Tüchtigkeit seiner Natur, seine gute Art, sein kräftiger Verstand, die Reinheit und Lauterkeit seines Charakters, die fromme Pietät seines Herzens haben ihm vor fünfundzwanzig Jahren die Sympathie der Gemeinde zugewendet und bis auf diese Stunde dauernd erhalten. Innerhalb der Kämpfe und Fehden, an welchen es ja in diesem Zeitraum nicht fehlte, hat die Opposition niemals sich gegen den Vorsitzenden der Gemeinde, gegen seine Person oder seine Amtsführung gerichtet. Vielleicht ist das der werthvollste Ruhmestitel in der Geschichte dieser Amtsführung. Immer hat er geschaffen, was seines Amtes war, und erwartet, daß auch der Andere seine Schuldigkeit thue. Mild und nachsichtig gegen den Armen, war er streng und unerbittlich gegen den Schlechten mtb Trägen. Schonungsvoll berücksichtigte er die Alten und Werk¬ frommen, aber mit aller Entschiedenheit vertrat er den Standpunkt der neuen Zeit, die Forderungen eines jungen Geschlechts auch auf religiösem Gebiete. Nur dem Fleiß, der keine Mühe scheut, nur der zähen, unverdrossenen und unermüdlichen Arbeitskraft kann es ge¬ lingen, neben einem alle Kraft des Manne? erfordernden bürgerlichen Berufe, neben zahlreichen städtischen und Vereinsämtern eine große Gemeinde ein Vierteljahrhundert hindurch so sicher und energisch zu führen. Und nun dieses Vierteljahrhundert abgeschlossen vor uns liegt, richten sich viele Hoffnungen und Wünsche in die Zukunft unseres Gemeindelebens. Wie einst Mose dem Herrn zurief: „Setze, o Gott der Geister, einen Mann über die Gemeinde, der für sie ausziehe und für sie einziehe, der sie hinausführe und hereinführe, damit nicht die Gemeinde des Ewigen sei wie eine Heerde ohne Hirten", so sei auch dies heute unser Gebet und unsere Hoffnung: Möge es dem vor¬ trefflichen und edlen Manne, der seit fünfundzwanzig Jahren an der Spitze unseres Vorstandes steht, noch lange beschieden sein, für die Gemeinde in das bürgerliche Leben auszuziehen, und für sie ein¬ zuziehen in das religiöse Leben, sie hinauszuführen in den Kampf für die Heiligthümer Israels und sie wiederum hineinzuführen in die Synagoge, in die Schule, in das Wirken für Humanität und Wohlthätigkeit, die allein die jüdische Gemeinde zu jeder Zeit erhalten haben und auch, so Gott will, in alle Zukunft erhalten werden! Die Woche. Berlin, 9. Januar. jeder eine neue Partei! Herr Ahlwardt hat an die „Wests. Reform" ein vom 21. Dezember datirtes Schreiben gerichtet, worin er sich über sein Verhältniß zur Einigung wie folgt äußert: „.Ich erkläre daher, daß ich mich der Partei in jeder von ihr beliebten Form bedingungslos zur Verfügung stelle, auf jedem mir angewiesenen Posten meine Schuldigkeit thun werde, falls sie mein Programm zum Programm der deutsch-sozialen Reformpartei erhebt. Ausbrechen lassen sich einzelne Bausteine nicht, aber hinzugebaut kamr noch viel werden. Thut sie dies nicht, will vielmehr mit kleinlichen Mitteln in die Speichen des Weltrades greifen, so verfehlt sie ihr Ziel und wird keine Bedeutung für die Wiedergeburt unseres Volkes ge¬ winnen. In diesem Falle wäre ich gewungen, mit meinen Freunden eine eigene Partei, die „deutsche Freiheitspartei" oder den „deutschen Freiheitsbund" zu begründen, wobei ich auf die treuen Westfalen und Rheinländer in erster Linie rechne. — Krieg mit der Bruderpariei muß darum doch vermieden, vielmehr muß auch für diesen Fall eine gegen¬ seitige Unterstützung auf ehrlicher Grundlage ernsthaft ins Auge gefaßt werden. Bevor sich die „Deutsch-soziale Reformpartei" entscheiden kann, werden immerhin 3-4 Wochen vergehen. Arbeiten wir inzwischen ernst¬ haft weiter, und der Begründung eines Freiheitsbundes steht schon jetzt nichts entgegen, da im Falle voller Vereinigung seine Mitglieder der Gesammtpartei sehr willkommen sein werden. Ich fiebere vor Arbeits¬ lust und Schaffensfreudigkeit, und sobald ich die nothwendigsten Dinge in der Nähe besorgt haben werde, komme ich nach dort, um gründlich zu arbeiten. Bereiten Sie Alles vor." Da die Herren Liebermann voll Sonueuberg und Zimmermaun seill Bulidschuh-Programm nicht annehmen, so steht die Begründung der neuen Freiheitspartei durch Ahlwardt unmittelbar bevor. Wie diese Partei und die deutsch-soziale Bruderpartei „auf ehrlicher Grundlage sich gegellseitig unterstützen" werdell, bleibt abzuwarten. * i Der niederösterreichische Landtag hielt eine stürmische/ Sitzung mit großen Skandalszenen ab. Anläßlich ves Antrags gegen/ die Erhöhung der Verpflegsgebühr in den Wiener Spitälern sagt/ der Antisemit Gregorig u. A.: „Wir hoffen, daß einmal die Juden güter von Staatswegeu eingezogen werden. Die Wiener Uinversitä ist heute ein an einem Nothnagel hängendes Mauscholenm." Dl Rektor der Wiener Universität, Prof. Müllner, ein katholische Priester, wies die Angriffe des Vorredners auf die Universität sowj die antisemitischen Auslassungen sehr scharf zurück. Die Antisemiten b< : gleiteten die Rede mit höhnischen Zurufen. Lueger erwiederte, der Rekto: schließe die Augen vor den Zuständen an der Wiener Universität! au der medizinischen Fakultät seien über die Hälfte der Studentei» Juden, und es herrsche ein Cliquenwesen, daß Christen gar nichff |