15 aufkommen können. Müllner: „Beweisen Sie es!" Lueger: „Traurig, wenn ein Rektor sich zum Vertheidiger des Jndenthums aufwirft und ein katholischer Priester den Beifall der Jndenliberalen sucht!" Die Antisemiten brachen in einen Beifallssturm aus, in den auch die Galerien einstimmten. Der Landmarschall rief den Antisemiten zu: „Benehmen Sie sich anständig!" worauf langanhaltender Tumult folgte. Man hörte Pfuirufe und Schimpfworte. Schließlich erhielt Lueger einen Ordnungsruf. Er antwortete: „Man wird in Oester¬ reich nur zur Ordnung gerufen, wenn man die Wahrheit sagt!" & Der türkische Ministerpräsident hat an die Paschas von Beiruth und Jerusalem Erlässe gerichtet, in welchen er sie aufmerk¬ sam macht, daß die Juden mit allen Völker», die unter dem Schutze des Sultans stehen, gleichberechtigt sind, und fügt hinzu, es sei der ausdrückliche Wunsch des Sultans, daß die Juden gleiche Rechte mit allen Andern genießen. Dieser Befehl, der auch die Aufhebung aller bisher bestehenden Beschränkungen in den kommerziellen Rechten der Juden involvirt, ist den Bemühungen des Landrabbiners Mose Halewi sowie des jüdischen Generals Elias Pascha zu verdanken. Gegenwärtig wird von derselben Seite darauf hingearbeitet, die bis jetzt gegen die Juden gerichteten Einwanderungsverbote nach Palästina l zu beheben. Es wäre zu wünschen, daß die Bemühungen der Genannten bald mit Erfolg gekrönt sein mögen. Dr David Nostn. Ein Nachruf von Prof. Dr. David Kaufmann. tn 72. Jahre seines segensreichen und vorbildartigen Lebens ist Jjff am 31. Dezember 1894 schmerzlos und ohne Krankheit der ^ Vorsitzende des Lehrkörpers des jüdisch-theologischen Seminars in Breslau Dr. David Rosin vor der Zeit hinweggenonnnen ivorden. Denn wenn der Tod jedes Guten ein vorzeitiger zu nenne» ist, so hat hier das Schicksal einen Säemanu uns entrissen, der noch kraftvoll und zukunftsreich hinter dem Pfluge einherschritt und noch manche Ernte einzuheimsen verhieß, die Nahrung und Labung für Viele hätte werden sollen. Er war im wahrsten Sinne des Wortes Einer von denen, auf die das goldene Wort der Alten anzuwenden ist, daß bei ihrem Heimgänge Alle ihre Verwandten werden, und die es werth sind, daß nicht nur an ihrer Bahre in thränenerstickter Stimme die Todtenklage um sie erhoben werde, sondern daß die Augen sich feuchten, wo die Kunde von ihrem Hin¬ tritt laut wird. Denn mehr als jemals bedürfen wir heute des stillen Segens, der von Erscheinungen ausgeht, wie der Heimgegangene eine war, mehr als jemals gebührt heute der Zoll unserer Thräneil einem Lehrer in Israel, dessen gesegnete Wirksamkeit hundertfältig in unser öffentliches Leben eingemündet hat, wenn er auch lautlos wie ein milder Stern seine Bahn unter uns gezogen ist! Und wahrlich, ein Lehrer in Israel ist dahingegangen, der über alle Stufen des Unterrichts sich emporgerungen hat, bis er au die hohe Stelle gelangte, von der sein Wort durch seine Jünger wie durch seine Schriften in die weitesten Kreise drang. Er hat der Reihe nach Kinder, Lehrer und Rabbiner herangebildet, auf allen diesen Stufen ein begeisterter Verkünder des göttlichen Wortes, durch Lehre und durch Beispiel einer der besten und reinsten Träger und Vertreter des Judenthums. Von der Jugend ist er ausgegangen, einer der ersten Religionslehrer von altem Geist und neuer Würde, einer der verdientesten Schnlenstifter unserer neuesten Geschichte, denn die erste große Religionsschule der Berliner Gemeinde war sein Werk. Von Meistern der rabbinischen Litteratur in den Talmud eingeführt, dem er auch darin anders als die Jüngeren bis an sein Lebensende treu und anhänglich blieb, von dem großen Begründer der Kritik und Litteraturkunde in der Wissenschaft des Judenthums, von S. L. Ra poport, für die Methode der neuen Forschung gewonnen und begeistert, zu den Füßen der Häupter deutscher Wissenschaft wie August Böckh, Beneke und Zumpt zum Philologen gebildet und geweiht, schloß der fertige Mann, der in jeder Gemeinde Israels das rabbinische Lehramt mit Fug und Wurde hätte bekleiden können, mit der Jugend sich in die Schule ein, zufrieden, Saaten von Licht und Wärme in die junge» Herzen zu legen und die Zukunft einer großen Gemeinde erobern zu helfen, nicht für sich, sondern für sein an¬ gebetetes Judenthum. Da war wirklich einmal für die Kinder das Beste eben gut genug geworden. Aber der Jugendbildner war auch nach dem alten Worte der den Unterricht über Alles auf dieser Erde schätzenden Rabbinen als Stern angesehen worden, dem es auf seine Laufbahn mitgegeben schien, daß sein Licht einst von größeren Höhen herablenchten solle. Der Freundschaft der Besten gewürdigt, von Michael Sachs und Moritz Veit in ihren Verkehr gezogen, ver- niochte er neben seinem unermüdlichen Wirken im öffentlichen Dienste in stiller Vorbereitung und Mitarbeit für die Zeit sich zu rüsten, da höhere Aufgaben an ihn herantreten würde», wie sie bald in der Thätigkeit am Berliner Lehrerseminar, das Leopold Zunz an seiner Spitze gesehen hat, sich für ihn eröffneten. Wie ein Gotteslohn für selbstlose Hingebung und unverwelkte Treue zur Liebe seiner Jugend, der jüdischen Wissenschaft, sollte aber bald in der Wirksainkeit am Breslauer Rabbinersenünar, zu der kein Geringerer als Zacharias Frankel ihn berief, die Krönung seines Lebenswcrkes, des Unterrichts, ihm beschieden sein. Eine Krone war eben dieser Pflanzstätte jüdischen Wissens vom Haupte gefallen; Jacob Bernays war als Oberbibliothekar und Professor nach Bonn berufen worden. Es war eine hohe, aber eine harte Aufgabe, in diese Lücke zu treten, in eine Sphäre versetzt zu werde», au der die ersten Sterne der neuere» jüdischen Wissenschaft leuchteten. Aber der Mann, der diesem Rufe folgte, war vorher- bestimmt gewesen, in seine Stellung hineinzuwachsen, mit dem heiligen Ernste und der eisernen Forscherkraft, die ihm eigen ivar, in den Jahrbüchern dieser Anstalt mit nnverlöschlich glänzende» Zügen sich einzngraben und Schüler lind Mitsvrschende zu steigender Anerkemulng und Verehrung mit sich emporzutrageil. Nie ist ein Lehrer ein größeres Besitzthum einer Schule gewesen, als er es wurde. Viele werden erst in ihren Mannesjahren, im Amte und in der Forschling sich darauf betroffen haben, wie tief die Saaten in ihlien gewlirzelt wareil, die, ihnen selber halb unbewußt, von seinen Vor¬ trägen in die Furchen ihres Geistes gefallen waren. Aber Keinen wird es gegeben haben, dem die blanke Biederkeit seines Wesens, die hoheitsvolle Reinheit seiner Persönlichkeit sich nicht von Anfang an vorbildlich eingeprägt haben würde. Wie im Ton seiner Stimme das Herz hervorschlug, wie im Glanz seines Auges der Grund seiner Seele leuchtete, so stand hinter seinem Unterricht sein Charakter, hinter jedem Worte, das seinem beredten Munde entströmte, hinter jedem Satze, der seiner weihe¬ vollen Feder elitquoll, seine anbetungswürdig reine Persönlichkeit. Redlich und streng gegen sich selbst, unerbittlich in der Durchführung des für wahr und heilig Erkannten, hatte er sein Handel» lvie sein Forschen zu einem Gottesdienst gestaltet, zu denl wie eine ewige Ampel die Liebe zur Wahrheit ihm leuchtete. In so harter und ehrlicher Arbeit mit seinen Wissensstoffen hat Niemand oder selten Einer gerungen >vie er; darum erschloß sich ihm aber zu uahrungs- |