518 verjag-etl, die Juden ihrer Strafe Zufuhren, um dann mit den Deutschen die Abrechnung vorzunehmen. Die Ukrainer, wichen der List imb der Uebermacht, und der Schuh der Juden lag darauf einzig und allein in den Händen der jüdischen Miliz, die zu schwach war,',-um den Polnischen Räubern Widerstand zu leisten. Die jüdische Miliz wurde sofort entwaffnet und inter¬ niert, die sich weigerten, erschossen. Die wehrlosen Jllden waren nunmehr sich selbst überlassen. Da setzten die Plünderungen der jüdischen Geschäftshäuser erbarmungslos ein. Die ge¬ schlossenen Geschäfte wurden aufgerissen, ihrer Ware beraubt, vernichtet, die Weinfässer ihres Inhaltes entleert, indem die Legionäre sich betranken. Und so in betrunkenem und nüch¬ ternem Zustande beraubten sie jeden Juden, den sie auf der Straße antvafen, schlugen viele von ihnen nieder und trieben den Rest in das jüdische Viertel, das sie völlig umzingelten und gegen welches sie ein systematisches vernichtendes Ma-> schinengewehrfeuer eröffneten. Am Platz Sw. Theodora stellten sie Maschinengewehre ans, wohin die Inden von den Straßen Hergetrieben wurden, die sie wie Gras erbarmungslos nieder¬ mähten. Während Abteilungen von Offizieren und Mann¬ schaften am Platz beschäftigt waren, drangen andere in die Häuser, raubten und mordeten. Diejenigen, die flüchten wollten, zahlten mit ihrem ganzen Bargelde und den Schmuck¬ sachen. Während sie von einer Abteilung befreit waren, for¬ derten von ihnen andere Abteilungen ebenfalls Lösegeld; da sie aber des Geldes bereits beraubt waren, wurden sie nieder¬ gemetzelt. Diele flüchteten sich in die nahelieaende Synagoge, in dem Glauben, dort verschont zu werden. Manche in ihrem fanatischen Glauben hüllten sich in Thorarollen, Talessim u. a., um auf diese Weise gerettet zu werden. Ter Glaube und die Hoffnung verlängerten ihr gemartertes Dasein nur um Stunden bzw. Minuten, denn als die Legionäre davon Kennt¬ nis nahmen, ließen sie die Synagoge samt den Insassen in Flammen aufgehen. Während des Brandes versuckten manche ans den Fenstern abzuspriugßen. Sie wurden mit Hand¬ granaten und Gewehrseuer empfangen. Ganz auf dieselbe Art wurde in der Krakauer, Zwiebel- nnd anderen Straßen verfahren. Weder Greise, noch schwan¬ gere Frauen, noch Kinder wurden verschont. Wer im Wege war. mußte aushauchen. Bon Stunde zu Stunde nahm die Mordlust zu. Es waren hauptsächlich Mörder aus der Intelli¬ genz, denn die Legionäre rekrutierten sich aus Professoren, Studenten, Gymnasiasten, Arbeitern und Weibern (den pol¬ nischen Furien). Nachdem die Jnnenarbeit (in den Häusern), das familien¬ weise Abschlachten, Verkrüppeln einzelner, Berauben usw. nach ihrem Dafürhalten so ziemlich beendet war, fingen sie mit dem Brandlegen einzelner Häuser an. Die aus den brennenden Häusern Stürzenden wurden mit Gewehrferrer oder Hand¬ granaten überschüttet and in die brennenden Häuser zurück¬ getrieben. Um 'das Löschen zu verhindern, wurde die Wasser¬ leitung abgesperrt. Als ich am 24. in die Stadt ging, um das Los meiner Be¬ kannten zu erfahren, waren die Aufräumungsarbeiten (ach, wie nach einem Erdbeben) noch nicht beendet. Trümmer auf Trümmer. Der noch aufsteigende Rauch verhinderte ein klares Sehen. Ob Karthago wohl einen gräßlicheren Eindruck hinter¬ lassen konnte als diese Trümmer, wo noch vor Stunden ein reges Leben herrschte, vermag ich nicht zu beurteilen. Eins steht aber fest, daß dieses 33Iut6ab einzig in der Weltgeschichte dasteht. Die genaue Zahl der Opfer ist bis jetzt nicht fest¬ zustellen möglich gewesen und dürfte wohl auch nie erfahren werden. Wer die Begeisterung der polnischen Bevölkerung, die in Strömen wie zu einem Wallfahrtsort zur Stätte der Tausenden von unschuldigen Opfern Pilgerte, sah, der darf wohl mit ruhigem Gewissen sagen, daß der Pogrom in Lemberg mit Wissen und Einverständnis der polnischen Behörde veran¬ staltet wurde. Die polnische Regierung und das Volk wollten den Pogrom. Uns aber, die von all diesen Schrecken verschont geblieben sind, fällt die heilige Ausgabe zu, unsere unglücklichen Brüder im Osten nicht zu verlassen, sondern stets für sie, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften, einzutreten. Wer ein jüdisches Herz hat, muß ihnen, denen im schlimmsten Elend Zurückgebliebenen, helfen. Heute, zum Jahrestage der für das Judentum Gefallenen, gedenket der Hinterbliebenen. Sir Woche. Berlin, 10. November. ie deutschnationalen, alldeutschen und antisemitischen Blätter überbieten sich in den Erinnerungsartikeln, die sie anläßlich der ersten Wiederkehr des Jahrestages. der deutschen Revolution veröffentlichen, in Beschuldigungen und Schmähungen gegen die Urheber dieser Revolution und gegen die Revolution selbst, die sie in allererster Linie für all das Elend verantwortlich machen, von dem gegenwärtig unser armes und unglückliches Vaterland heimgesucht ist. Den Vertretern des alten Systems, das am 9. November vorigen Jahres sein Philippi erlebt hat, kommt es natürlich nicht in den Sinn oder sie wollen dies wenigstens vor der Oeffentlich- keit nicht zugeben, daß sie die Hauptschuld an all dem Unheil tragen, das in den letzten Jahren über uns gekommen ist; sie wollen es nicht einsehen oder wenigstens nicht zugeben, daß nicht erst die Revolution unserem unglücklichen Vaterlande zum Verhängnis geworden ist, sondern daß lediglich ihre eigene verkehrte und größenwahnsinnige Politik, ihre Politik l der Kriegshetze und Kriegsverlängerung, daran schuld ist, daß die Dinge einen so unglücklichen Verlauf für uns genommen haben und daß keineswegs die Juden, wie sie immer und immer wieder in direktem Gegensatz zu der Wahrheit und zumeist wider besseres Wissen behaupten, die Revolution her¬ beigeführt haben, sondern sie selbst. In einem „Die Schuld" überschriebenen längeren Artikel führen die letzten „Mit¬ teilungen" des Abwehrvereins (?tr. 23) sehr treffend aus: Mit einem Leichtsinn und einer Sorglosigkeit, die in der ganzen Geschichte der Menschheit ihresgleichen suchen, haben diejenigen ! Kreise, die die Herrschaft in unserem Staatswesen an sich ge¬ rissen hatten und die es verstanden haben, sich in ihr trotz der Verfassung und trotz der auf dem Papier stehenden Gleichberechti¬ gung aller Staatsbürger zu behaupten, den Staatswagen den Ab¬ hang heruntersausen lassen, so daß dieser heute vor einem Jahre am Fuße des Abhanges fast gänzlich zerschmettert dalag; die an der Katastrophe Verantwortlichen wußten sich rechtzeitig zu retten; anderen Kreisen, und zwar ausschließlich solchen, die bisher von der Leitung unseres Staatswesens ausgeschlossen waren, gelang es dann mit vieler Mühe und Not, den Staatswagen notdürftig zusammenznflicken und ihn wiederum, wenn auch unter großen Widerwärtigkeiten, Beschwerden unb Hindernissen, in Gang zu bringen. Nun aber wagen sich die früheren Leiter und Lenker wieder hervor und sie benutzen die verhältnismäßige Sicherheit, die die jetzt an der Regierung befindlichen Personen und Parteien mit vieler Mühe und unter den größten Gefahren geschaffen haben, dazu, um diejenigen zu schmähen und zu schelten, die das Staatsgefährt in Gang zu halten suchen. Sie ziehen Vergleiche zwischen dem Einst, wo der Wagen so pfeilschnell und glatt dahin¬ flog, und dem Jetzt, wo er nur mühsam fortbewegt werden kann und jeden Augenblick auseinanderzusallen droht. Mit einer fürwahr einzig dastehenden Skrupellosigkeit werden jetzt wieder von den vor Jahresfrist Depossedierten die alten, längst als Lügen widerlegten Märchen vorgebracht, daß die Revolution von jeher der Stern Judas gewesen sei. und daß auch bei dieser Revolution die Juden in allererster Reihe Nutzen aus ihr gezogen |