215 Doch nicht bei müßigen Empfindungen und bei leeren Reden blieben wir stehen. Unsere Jünglinge und Männer griffen zu den Waffen, stellten sich in die Reihen der ausmarfchirenden Freiwilligen, oder der Vertheidiger von Heer- und Hof. . Unsere Hausväter öffneten ihre Kassen, unsere Frauen ihre lang verschlossenen Truhen, Kinder ihre Spartöpse-Alles drängte sich froh begeistert, um zu opfern auf dem Altäre des geliebten Vaterlandes. Acht Tage später wurde bekannt gemacht, daß alle, die während , der Fremdherrschaft Stadtbürger geworden, nun¬ mehr ihren ordentlichen Bürger-Eid abstatten sollten, mit Ausnahme der Israeliten, wegen welcher nächstens das Weitere verfügt werden würde. Noch immer entstand kein Argwohn bei uns. Die Jünglinge zogen aus, und verschossen manche Kugel auf den Feind, von dem sie keine Wohtthat anerkennen mochten, und deckten mit ihrem Leibe manchen Freund, von dem sie nur Gutes erwarten konnten. Dieser sollte treulos han¬ deln? Nimmermehr! — Ueberdies hatten ja die drei Schutz¬ mächte, Hardenberg und Metternich im Namen von ganz Europa und von ganz Deutschland gesprochen! Und Preu¬ ßen war ja mit hochglänzendem Beispiel vorangezogen!- Dies alles bedenkend, saß ich hinter meinem erleuchteten Fenster, und mir blutete das Herz ; denn volle fünfundzwan¬ zig Jahre waren vergangen mit ihren Geburten und Todten, mit ihren Jugendlocken und Silberhaaren, und die Räthsel hatten sich schrecklich gelöst. Nicht ein einziger Schritt war geschehen, nicht das Allergeringste war erlangt für die Juden in Hamburg, und die ganze alte zähe Sklaverei war wieder gekommen über uns, die feiner als unsere Väter Fühlenden, die rings umher das uns versagte Glück Erblik- kenden, und sie war schon lange wieder starr geworden über unsere gefesselten Leiber. Der Freund hat gelogen, das Vertrauen war getäuscht, die Hoffnung war betrogen! An allen Enden der Welt, am Bosphorus und am Tajo, am Ural und am Atlas sangen Israeliten Lieder der Frei¬ heit, kein einziger Staat in Deutschland, der nicht seine Juden ganz oder beinahe befreit hätte. Nur diese Stadt, wo Alles von Freiheit redet. Alles auf Freiheit deutet, that es nicht Und von allen diesen Erlebnissen wurde nun heute das Andenken gefeiert. Fahnen sah ich entfalten, an denen einst schöne jüdische Hände gearbeitet hatten, die Namen der Ge¬ fallenen wurden von den ehernen Tafeln in 'den Kirchen °) Eines doch geschah. Der Senat'brachte 1814 einen Eman- cipationsvorschlag in die Bürgerschaft'(den diese verwarf) uich be¬ zeugte darin ausdrücklich", daß die Juden ihr dreijähriges franz. Bürgerrecht nur auf die lobenswürdigste und bescheidenste Weise benutzt hätten» C o r r» abgetesen — mancher jüdische Name darunter; — jedes frohe Denkmal, jede freudige Rede wiederholte hundertfach die Worte: Bürgerfreiheit, Bürgerfreude, Bürgerrecht, Bür¬ gerstaat, und-überall ward geredet von der silbernen Hochzeit Hamburgs mit der Freiheit! Ich sah alles, ich hörte alles, mein Herz war ein mit¬ tönender Klangboden all des Jubels, und jeder Laut machte es erbeben, krampfhaft zuckte es unter dieser namenlosen Ironie des Schicksals. Was mich aber vor Allem quälte, mich und Tausende mit mir, das war das halbe Gefühl der gleichsam zur Setbstverhöhnung uns erfüllenden Liebe zu diesem so un¬ freundlichem Vaterlande, zu diesen Menschen, die da wähnen sehr großmüthig zu sein, wenn sie uns für unser Gut und für unser Blut großmüthig erlauben, neben ihnen zu athmen ! Gott weiß es, und unser Herz weiß es, wie es in uns zuckt, wenn ein Fremder Hamburg mit Worten ver¬ letzt; wie wir in entfernten Ländern nur Hamburger auf¬ suchen und uns ihnen anschließen möchten, auf die Gefahr, ja auf die Wahrscheinlichkeit hin, auch dort zurückgestoßen zu werden. Und warlich, wenn morgen wieder der Feind anrückte und bedrohte Hamburgs Unabhängigkeit: wie wür¬ den wir wieder fliegen zu den Waffen und wieder unsere Jünglinge in die Reihen stellen und wieder unsere Habe opfern-selbst wenn wir wüßten, daß es uns eben so wieder gelohnt würde. O thörigtes Gefühl, o widersin¬ nige Liebe, o Tyrannei blinder Triebe! Warum bin ich ge¬ zwungen, zu lieben, wo nur Verachtung und Unbilligkeit meiner warten? Solchen Schmerz empfindet der Jude, und nur er erträgt ihn; er ermannt sich und weint ihn aus, am Bu¬ sen der großen Vertrauten seiner Leiden, am Busen der Weltgeschichte. — ^ Theologie. Die jüdisch-theologische Facultät., (Fortsetzung.) Sammlung, kingesandt durch Herrn vr. Fürst in Leipzig. 1rull8srort 833) Herr vr. Julius Fürst.. 834) - Dr. Jacob Goldenthal,'Rab- binats-Cand. ........ 833) - Karl Hamberger, vr. meä. 836) - Veith Meyer, 8tuö. weck. . 6158 Thlr. 4 Gr. 10 - — - 5 - — - 5 — - 5 . - — - I^atus 6183 4 - |