190 Hannover, 21. Zull. Gestern ertheilte S. Maj. der König der Deputation der israelitischen Gemeinde von Hildes¬ heim eine Audienz. Bedeutsame Aussprüche der zweite« sächsischen Karnrner, ausgezogen aus den »Mittheikmgen über die Verhandlungen des Landtags.« *) Abgeord. von Thielau: 2>Was sind die Ursachen dieser Beschränkungen? Als erste fuhrt man an: der moralische Zu¬ stand der jüdischen Glaubensgenossen sei noch nicht so weit vorgeschritten, um sie an den ausgenommenen Rechten Theil nchmen zu lassen, und man müsse abwarten, bis eine bessere Erziehung der Kinder eine größere Gleichstellung rechtfertige. Woraus läßt sich aber auf eine solche moralische Verschlech¬ terung schließen? Sind unsere Zuchthäuser und Strafan¬ stalten voll von jüdischen Verbrechern? Im Gegentheil, es ist seit 20 — 30-Jahren nur ein inländischer Jude als Sträf¬ ling aufzuführen. Es kommt mir vor, als wollten wir den Judm sagen: ihr dürft nicht eher ins Wasser gehen als bis *) Die Redaction hat in Nr. 39. den Lesern die Rede des Herrn Dr. von Mayer in extenso versprochen. Dieselbe beehrte uns in gütiger Beantwortung unsres Ansuchens mit der Heber-- sendung der eben vollends ausgegebenen »Mittheilungen« u. s. w. und bemerkte unter andern in seinem Schreiben: »Ich arbeite näm¬ lich nie eine Rede vorher aus., Erfüllt von dem Gegenstände, über den, ich zu sprechen gedenke, 'mache ich mir lediglich vorher den Zweck klar, den ich beabsichtige, und ordne im Geiste einige Haupt¬ ideen, welche den Rahmen bilden. Alles Uebrige muß die Er¬ hebung oder Begeisterung des Augenblickes bringen, und sich nach dem Bedürfnisse des Augenblickes gestalten.« — Mit welchem Glücke dies diesem Verfechter des Rechts gelingt hat sich schon oft be¬ währt. Wir können uns nicht enthalten, noch folgende Wotte des verehtten Mannes auszubeben, welche seine Rede selbst charakteri- firen: »Meine Absicht dabei war, nicht direkt auf die Ueberzeugung der Kammer, sondern auf den Ton der Verhandlungen zu wirken, und nur indirekt ein besseres Resultat herbeizuführen, indem ich das Gefühl der Großmuth für Bittende zu wecken, und dieses mit dem Stachel der Scham gegen rohen Uebermuth der Gewalt zu schärfen.suchte. Inwiefern dies gelungen oder nicht, mögen Andere beuttheüen.« Ja wohl ist es Dir gelungen, verehtter Redner, und der richtige Takt, der Dich leitete, «erheischt unsere vollste Bewun¬ derung'. Mag man uns nicht für unbescheiden halten, sondern es mit der Sehnsucht des Leidenden entschuldigen, die nach jedem Trostesworte haschet, wenn wir noch die Endworte des Schreibens hier anführen: »Ich hätte der Sache allerdings einen bessern Erfolg gewünscht, indessen ist keine Hoffnung autzugeben, die-vollständigere und vollste Emanciparion kann in der nächste» Zukunft nicht ausbleiben!«- Die hier ausgehobenen »Aussprüche« sind in der Idee hier gegeben, nicht als ob wir die allgemeine Aufmerksamkeit zu lange bei den Verhandlungen, die doch nur daß Schicksal einer so kleinen Zahl unsrer Glaubensbrüder betreffen, festhalten wollten, sondern weil die allgemeine Bedeutsamkeit nicht in der Zahl der Juden, sondern überhaupt in der Idee selbst und in der Zeugnißablegung gefunden werden muß. d. Red. ihr Schwinkmen gelernt habt. Wie soll der moralische Zu¬ stand sich verbessem, wenn man ihnen keine Gelegenheit gibt, ihre^moralischen Kräfte zu entwickeln. — Hiernächst hat man gesagt: die Juden hätten keine Lust zur Arbeit. Ist denn aber den Juden erlaubt irgend ein Geschäft außer Schacher und Trödel zu betreiben? — Es wird den Juden der Vor» wurf gemacht, sie rissen allen Handel und alle Gewerbe an sich! Ist es denn überhaupt möglich, daß irgend eine Klaffe von Einwohnern eines'Staates, die nicht mit besondrrn Pri» vilegien und Monopolen versehen ist, dien Handel und alle Gewerbe eines Landes an sich reißen könne? Hat man irgend ein universelles Mittel anfuhren können, wodurch es den Juden gelungen wäre, allen Handel und alle Gewerbe an sich zu ziehen? Gewiß nicht! . Klagt man etwa in Frankreich, 'Holland, England, Belgien, Amerika darüber, daß die Juden allen Handel in Händen hätten? wenigstens zu meiner Kennt- niß ist eine solche Klage nicht gekommen. — Frage ich mich nun, wodurch die Juden Handel und Gewerbe an sich zu reißen vermögen, so beantworte ich mir diese Frage dahin: daß sie betriebsamer und genügsamer ds die Christen sind! Sicht man etwa den Juden an seinem Sabbathe an öffent¬ lichen Vergnügungsortm? Sehen Sie ihn einen seinen Ver- ' Haltnissen unangemessenen Aufwand , machen? Oder will man ihm selbst aus seinen Tugenden einen Vorwurf machen? — Alle Fehler und Lqster, die der Menschheit überhaupt ankleben, nur einer Klasse derselben Schuld zu geben, finde ich unbillig; ich finde es ungerecht. Es kann ein Jude schlechte Mittel wählen zur Erreichung seines Zweckes, aber auch der Christ; es kann ein Jude wucherische Geschäfte betteiben, der Christ kann es abtt auch. Wir wollen gerecht sein, meine Herren! wenigstens werden wir zugeben müssen, daß das Verhältniß sich, nicht zu unser» Gunsten Herausstellen möchte, wmn wir erwägen, wie viel Verbrecher es unter der Zahl der Christen geben würde, wenn sie in derselbm Lage wären, in der so viele der hiesigen Juden sich befanden; ich glaube, die Bilanz würde nicht zu unserm Vortheile ausfallen. Abgeordn. Dr. v. Mayer: Ich habe'mein Glaubens- bekenntniß über die vorliegende Frage btteits laut und unum¬ wunden ausgesprochen. Es ist dies: Gleichstellung der Judm mit dm Christen in allen Verhältnissen, Aufhebung alles und jedes Unterschiedes zwischm Judm und Christm, der daraus hat hergeleitet werdm wollm, daß die Judm eine andere Religion habm, als wir. Es ist noch hmte meine innigste Ueberzeugung, daß die Aufhebung dieses Unterschiedes und jmr Gleichstellung eine unabweisbare For¬ derung der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und selbst der Staatsklugheit sei. 9toch hmte bin ich vollständig davon überzmgt, daß Alles das, was man gegm die Anwendung |