411 Betreff der Juden, scheint eine bck>eutungsvolle Epoche für ! uns eingetreten zu sein, die uns zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Der Eifer, mit dem von der Regierung auf die j Einrichtung zweckmäßiger Schulen in unserer Mitte hinge- > arbeitet wird, giebt uns den schönsten Beweis, daß unserm hohen Beherrscher auch die geistige Entwickelung seiner jüdi¬ schen Unterthanen nichts wmiger als gleichgiltig ist, und zugleich eine sehr kräftige Unterstützung an die Hand, dieses Elemmt des geistigen Lebens, dessen Bedürfniß wir längst gefühlt, auf würdige Weise zu begründen. Dieses Ziel wollen wir auch hier ganz besonders im Auge behalten und uns eine ausführlichere Darstellung unseres bürgerlichen Zustandes im russischen Reiche für eine andere Gelegenheit vorbehaltm, wahrend wir ihn hier nur kurz andeuten. Wo sich in Rußland Juden befinden, (in vielen Gouver¬ nements ist ihnen fteilich der bleibende Aufenthalt nicht ge¬ stattet,) haben die christlichen Unterthanen, die Adelscechte natürlich ausgenommen, fast kein einziges Vorrecht vor ihnen.' Dieses ist, besonders durch einen Ukas vom. April 1835 sanktionict und zugleich auf Riga ausgedehnt, die einzige Stadt in Liefland, wo wir feit 200 Jahren blei¬ benden Aufenthalt, jedoch ohne die mindeste Gewerbsfteiheit hatten, wie denn immer die Hanseestädte — und unsere Stadt sucht ja doch noch immer den Schein einer solchen zu behaupten — an Monopolism, Jllibecalktät und Engherzigkeit zu rxcelliren pflegen, so daß jeder Jude das tägliche Brod wie durch Wunder erwarb, da ihm jedes redliche Mittel versagt, jedes unredliche natürlich verboten war, und, wie sich von selbst versteht, am Juden besonders streng bestraft werden mußte. Einer schwachen Gemeinde, welche kaum über 500 Individuen beiderlei Geschlechts zählt, die, während sie unter stetem Drucke doch nie die geistige und wissenschaft¬ liche Ausbildung ihrer Jugend außer Acht ließ, während sie das von den unentbehrlichsten Bedürfnissen Erstatte dazu anwandte, um wenigstens die Schmach der Unwissenheit und geistigen Verwahrlosung von sich zu wälzen, — dennoch, je höher in der Bildung, desto unglücklicher sich fühlte, der größeren Entwickelung des Geistes und Herzens, das an ihr schnöde verletzte Menschenrecht nur noch unerttäglicher machte, — einer so unterdrückten, der Willkür einiger selbst¬ süchtiger Patrizier preisgegebenen Gemeinde mußte der ge¬ nannte Ukas als ein Ruf der Erlösung tief ins Herz dringen und es zu den inbrünstigen Gebeten für die Befteier aus Jahrhunderten langer Sklaverei, für unsere Landes - Herren begeistern. Der Freude über dieses Glück ließ man leider keinen weiten Spielraum; sie war nur kurz, oder wurde doch schmerzlich unterbrochen und ist noch nicht wieder hergestellt. Den 60,000 christlichen Bürgem unserer Stadt schien nämlich der Nach¬ theil, fünfhundett Juden - Seelen an irgend einem bestehenden Gewerbe Theil nehmen zu lassen, zu groß, und die Schmach, sie für 200 Jahre Unterdrückung und Noth durch fteundliche Gewährung einer freien Lebensfristung zu entschädigen, zu empfindlich. Diejenigen, deren Erbtheil bis hierher nur Hohn und Spott gewesen war, sollten mit ihnen sich von gleichem Er¬ werbszweige nähren! — das war zu viel für die' riga'schen Menschenfreunde. Besonders aber-erschien ihnen der Versuch dcc'Judcn, das ihnen von der russischen Regierung verliehene Recht geltend zu machen, als eine unerhörte Frechheit, die durch ihre völlige Vertreibung aus Riga bestraft zu 'werden verdiente. Nichts Geringeres als dieses, beispiellos bösartige Ziel ist es auch noch gegenwärtig, das sie mit aller Kraft zu erringen suchen. Eine vermeintliche Unverständlichkeit in dem genannten Ukas, — die es aber Niemandem sein kann, als eben dem, welcher kein anderes Argument besitzt, um das Auflehnen gegen höhern Befehl zu rechtfertigen — mußte den Vorwand einer Einwendung und Vorcnthaltung des uns zustehenden Rechts hergeben. Auf dirftr Verdrehung wie auf einigen veralttten Privilegien, die sowohl zu dieser Streit¬ frage in gar keiner Beziehung stehen, als auch überhaupt fürs Leben meistentheils ihre Geltung verloren haben und verlieren müßten, wie sie mehr dem Mittelalter als unserer Zeit angehörcn, auf Urkunden, die jetzt eben uns als ein Aggregat todter Buchstaben erscheinen können, fußend, und diesem menschenliebenden Beginnen noch durch die unbe¬ gründetste Verdächtigung eine besondere Weihe verleihend, — traten sie als unsere Gegner in St. Petersburg sogar auf. Es laßt sich leicht begreifen, daß die Ungeheuern materiellen Mittel, die sie auf diesen unedlen Kampf ver¬ wenden, die unseren bei weitem übertreffen, und daher ein zwei Jahre langer Prozeß, wie dieser es nun geworden ist, sie zwar sehr wenig, desto mehr und fühlbarer aber uns erschöpfen mußte. Daß es ihnen, da sie die Mehrzahl sind, bei weitem weniger als uns auch an intellectucllen Vcrttetem gefeblt hat, ist eben so natürlich. — Und doch ist unsere Ueberzeugung nicht im mindesten erschüttert, unser Eifer nicht im mindesten erkaltet, unser Muth nicht gesunken; denn ihr ist das Unrecht und die Lüge, unser das Recht und die Wahrheit, ihre Stütze ist eine vermoderte Rolle von Privilegien, unsere das jugend¬ lich kräftige Wort unsers Kaisers, ihre Bemühungen haben das Gepräge des kleinlichen Neides und der Gehäßigkeir, unsere das der sich bewußten Menschenwürde; darum ist unsere Hoffnung stets lebendig und fteudkg, die ihrige von blasser j Furcht begleitet. — Wir haben nun vollen Grund, der nahen | Erfüllung unserer Wünsche und der Bemdigung dieses heil- |