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RpylltfQTWpiGP ■ Oesterreich-Ungarn: ganzjährig Kr. 12.-^,, halbjährig Kr. 6.—, vierteljährig Kr. 3.— Für das UMUftopiwaG i Ausland: Deutschland ganzjährig Mk. 13.70, halbjährig Mk. 6.85, vierteljährig Mk. 3.45, England ganzjährig Shg. 14.—, halbjährig Shg. 7.—, vierteljährig Shg. 3.10, Russland ganzjährig E. 7.—, halbjährig R. 3.50, viertel¬ jährig R r 1.75, Schweiz, Frankreich, Italien, Türkei, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Griechenland, Aegypten ganzjährig Frcs. 17,—, halbjährig Frcs. 8.50, vierteljährig 4.25, Amerika ganzjährig Doli. 3.40, halbjährig Doli. 1.70, vierteljährig Doli. —.85 Nr. 31. Wien, I. August 1902. 6 Jahrgang Die Angstmeier des Judentums. Man würde in Verlegenheit geraten, wenn man das, was jenseits der zionistischen Bewegung für das jüdische Gemeinwohl vorgeschlagen und unternommen wird, in einen angemessenen Sammelnamen zusammen¬ fassen wollte. Kann man von einer jüdischen * •■ - ' ■■: • .; ? + il VoMc s Fiittk: :^ im Ernst reden? Dagegen möchten wohl diese selbst sich am heftigsten verwahren, sie, denen schon die Benennung „jüdisches Volk" auf die Nerven geht und die es vollends als — unanständig empfinden, von einer- jüdischen Politik zu sprechen. Ganz abgesehen davon, dass es ja an und für sich der grimmigste Hohn wäre, dieses fahrige und zerfahrene, plan- und systemlose Getue als Volks¬ politik hinzustellen. Wenn man aber auch nicht leicht über die Wahl einer entsprechenden Nominalbezeichnung schlüssig werden dürfte, so kann es doch nicht schwer fallen, die Tätigkeit der Assimilanten für die jüdische Ge¬ samtheit adverbial mit äusserster Genauigkeit zu be¬ stimmein.; Immer ängstlich — das ist der Wahlspruch der anti- und azionistischen Taktik, das einzig Be¬ stimmte in ihren sonst unbestimmten Aktionen. Unsere Wunden, aber auch unsere gesündesten Stellen dürfen um alles in der Welt nicht blossgelegt werden — wenn das die Antisemiten sähen! . . . Jüdisches Volks¬ tum? Um des Himmels willen: Hochwasser auf die Mühle der Antisemiten! Eine jüdische Heimstätte? Also sind die Juden vaterlandslos — werden die Anti¬ semiten sagen. Immer wieder die Antisemiten . . . Der Jude darf sich weder zu seinem Nachteile noch zu seinem Vorteile von den anderen unterscheiden, nicht einmal mehr Geisteskranke darf es bei uns geben als bei den Nichtjuden, sonst könnten die Judenfeinde auch daraus verderbliche Schlüsse ziehen. Ergo verdammt der „ Zentral verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" die Bestrebungen zur Errichtung einer jüdischen Nervenheilanstalt, mag hierfür ein noch so dringendes Bedürfnis vorliegen. Ein anderes Beispiel: Wenn .es gilt, verfolgten, aus der Heimat verdrängten rumänischen Juden momentane Hilfe angedeihen zu lassen, dann schlägt wohl auch dem assimilierten ungarischen Juden das Herz in brüderlichem Mitgefühl und in — Todesangst. Werden die Antisemiten nicht sagen, die Interessen der ungarischen Juden erstrecken sich über die rot- weiss-grünen Grenzpfähle hinaus?. Also .lasset uns unser jüdisches Mitgefühl immerhin betätigen, aber ^hübsch diskret, mit Ausschluss der Oeffentlichkeit . . . jEsJässt sich demnach ermessen, wie aufreizend das erste Auftreten der Zionisten auf diese Angst¬ meier wirken musste.. Kamen da Leute herangestürmt, die nicht die mindeste Rücksicht auf die Antisemiten nahmen, die sich nicht scheuten, die friedlichen Aspira¬ tionen der jüdischen Nation in das volle Licht der europäischen Oeffentlichkeit zu rüGken, die die Leiden und Schäden der Judenheit vor aller Augen ent¬ hüllten. Nein — das war unerhört, das konnte man sich nicht gefallen lassen. Es prasselte eine Flut von Protesten hernieder, und die Erbitterung der assimila¬ torischen Angstmeier stieg aufs höchste. Das ist die Psychologie des Protestrabbinismus und all der häss- lichen Anfeindungen, denen unsere Bewegung in ihren Anfängen begegnete. Seither ist die Temperatur des Antizionismus merklich gesunken. Es hat sich gezeigt, dass der Frei¬ mut und die Redlichkeit unserer Bestrebungen dem Judentum durchaus nicht geschadet, ja sogar den Anti¬ semiten Achtung abgetrotzt haben. Gleichwohl würde man irren, wenn man glaubte, die Leute, die uns be¬ kämpfen, hätten das Geringsste von ihrer würdelosen Aengstlichkeit abgestreift. Immer wieder, wenn auf zioni¬ stischer Seite die wahre Lage des jüdischen Volkes vor einer grösseren Oeffentlichkeit dargestellt wird, geht ein ängstliches Rascheln durch den antizionisti¬ schen Blätterwald: Was doch nur die Antisemiten dazu sagen werden! Ein solches Geräusch hat auch die jüngste Aus¬ sage Dr. Herzls vor der englischen Fremden-Ein¬ wanderungskommission hervorgerufen. Verschiedene deutsch-israelitische Assimilationsblätter druckten eine „kritische Würdigung" der Aussage Dr. Herzls ab, in der voll Entsetzen darauf hingewiesen wird, dass das Kommissionsmitglied Major Gordon, der Führer der fremdenfeindlichen Bewegung, versucht hat, „eine Reihe von Bemerkungen Dr. Herzls für seine Zwecke auszubeuten\ Gleich darauf wird allerdings zugegeben,, |