Seite 14 0te 2^ Welt Nr. 34 Sen Sternen gleich und zahllos wie am Meer Der Sand, so sollte Judas Volk erscheinen. Verwirf uns nicht und straf uns nicht zu schwer! Ich aber will nicht klagen und nicht weinen. Klar seh' ich meine Pflicht. Ich muss sie lassen, Die sich zum bittern Todeskampf vereinen. Weh' mir! Welch Los! Wie werden sie mich hassen Ertrag ich's selbst? 0, Gott, mich ruft die Pflicht, Was bleibt, zu retten und in eins zu fassen. 0 Vater, hilf! 0 Herr! Verlass uns nicht! Muss Deine Stadt, Dein Volk dem Schwert erliegen, Schenk uns, o Gott nur Deiner Wahrheit Licht, Dann wird nicht Rom, wird niemand uns besiegen! Ernst Erdmann. Die Sommerwohnung. Eine Erzählung aus Finnland. Frei nach dem Russischen des Arkadij Press von N. Golani (Nachdruck verboten.) Es war ein ungewöhnlich heisser Sommertag. Das M-eer unten erglänzte gleich einem geschmolzenen Metall, die Bäume am Abhänge schienen vor der Hitze Schutz zu suchen. Ich begegnete ihm bei einer Strassenbiegung, er befand sich in grosser Aufregung. „Ich bitte Sie, sagen Sie mir, wo wohnt hier der Lehensmann ?" fragte er mich erregt. Lehensmann ist ein finnländischer Polizeikommissär. Ich erklärte mich bereit, ihn zum Polizei amte zu führen. „Wozu brauchen Sie den Lehensmann? Was ist denn geschehen?" fragte ich, von Neugierde getrieben. „Das ist unerhört!" rief er, noch immer erregt. „Ich habe hier bereits im Monate März eine Sommerwohnung aufgenommen. Jetzt aber, wo ich die Wohnung beziehen will, verweigert man mir den Zutritt in die Villa, weil ich Jude bin!" „Das ist unmöglich !" bemerkte ich. „Leider eine feststehende Tatsache. Das Empörendste aber ist, dass man mir mein Angabegeld nicht zurückgeben will. Man erklärt mich noch für schuldig!" „Aber ich bitte Sie, erzählen Sie mir alles ausführ- lieh! Bei wem haben Sie die Sommerwohnung gemietet? Bei einem Finnländer?" „Bei einem Finnländer! Ich kam hierher, als der Schnee noch auf den Dächern lag. Mir gefiel besonders die auf dem Bergabhange liegende Villa des Matthäus Kaschunen. Wir einigten uns in allem, ich gab ihm fünf¬ undzwanzig Kübel Angabegeld und fuhr davon. Die Finn- 1 ander sind ein ehrliches Volk, dachte ich. Im Monate Mai konnte ich aufs Land nicht gehen, weil ich in der Stadt viel zu tun hatte. Jetzt kam ich hierher, um die Villa in Augenschein zii nehmen, weil wir sie morgen beziehen wollten, zu meiner Bestürzung aber fand ich die von mir gemietete Villa von einer anderen Partei bereits bewohnt. Der Villenbesitzer Kaschunen hörte meine Beschwerden ruhig an, betrachtete mich mit seinen scheinbar gläsernen Augen und war nicht zu bewegen, mir sein Vorgehen zu er¬ klären. Als ich ihm aber drohte, zum Polizei-Koniniissär gehen zu wollen, da liess er sieh herbei, mir eine Antwort zu geben. Er sagte, ich hätte gar kein Keeht, unter den Suomi (Finnländern) zu wohnen, weil ich ein Inutalamen (Jude) bin. Und das wiederholte er einigemale. Du bist ein Inutalamen, ein Inutalamen, du hast kein Keeht, hier zu wohnen. Und der Kommissär, erklärte er, habe ihm erlaubt, die von mir gemietete Villa an eine christliche Partei zu vergeben. Nun will ich zum Lehensmann gehen, um mich bei ihm zu beschweren." „Das ist wirklich schrecklich," murmelte ich hin. Wir erreichten das rote Häuschen mit dem vergitterten Fenster, das Polizeiamt des Ortes, wo der Lehensmann Absteigequartier hatte. Vor dem Häuschen standen zwei Polizisten in Zivilkleidung mit einer Kokarde auf der Mütze. Man liess uns in ein kleines Zimmer eintreten, in dem sich einige Bauern befanden und ein Ledergeruch herrschte. An einem weissen Holztische, auf dem nur eine Tasche mit Papieren und ein Tintenfass zu sehen waren, sass ein fassförmiger, kahlköpfiger Alter, sich das rote Gesieht mit einem feuchten Taschentuehe wischend. Das war der Lehensmann. Wir näherten uns dem Tische; dort stand auch der Kommissär des Ortes, gleichfalls in Zivilkleidung. Mein Begleiter unterbreitete nun seine Angelegenheit. Der Lehensmann blickte ihn ruhig an und fuhr fort, sich das Gesieht abzutrocknen. Als mein Begleiter mit seiner Beschwerde zu Ende war, sagte der Lehensmann phlegmatisch: „Ich kann da nichts machen!" „Aber, erlauben Sie !" rief der Beschwerdeführer; „Sie sind doch der Vertreter der Behörde! Kaschunen sagt, der Kommissär hätte ihm erlaubt, die Villa an eine andere Partei zu vermieten." Der Lehensmann warf auf den Kommissär einen fragenden Blick. Der Kommissär gab in finnischer Sprache eine Er¬ klärung ab und bestätigte die Aussagen des Kaschunen. „Er sagt," erläuterte der Lehensmann, „dass Sie jüdi¬ schen Glaubens sind." „Was ist also dabei? Deshalb soll Kaschunen gestattet sein, die von mir gemietete Sommerwohnung an eine andere Partei zu vergeben?" „Sie haben aber kein Keeht, hier zu wohnen." „Ich bin Arzt und geniesse das unbeschränkte Wohn¬ recht! Darf ich doch in Petersburg wohnen, warum hier nicht?" „Hier ist Finnland. Sie müssen .... finnischer Untertan sein, um hier wohnen zu können." „Ich muss also um die Aufnahme in den finnischen Staatsverband ansuchen?" rief der Arzt erregt. Der Lehensmann fragte ihn ganz ruhig: „Sind Sie verheiratet?" „Ja, verheiratet! Wozu wollen Sie das wissen ?" „Dann dürfen Sie sogar als finnländischer Staats¬ angehöriger hier nicht wohnen." „Warum denn?" „Pinnländer jüdischen Glaubens dürfen in Finnland wohnen, nur wenn sie ledig sind." Der Arzt blickte mich verwundert an. Anfangs glaubten wir, dass der Lehensmann Spass treibe, aber sein ernstes Gesieht überzeugte uns vom Gegenteil. „Wodurch ist aber ein verheirateter Jude gefährlicher als ein lediger?" sprach, der Arzt nach einigem Still¬ schweigen. „Damit die Juden in Finnland sich nicht vermehren," antwortete der Lehensmann einfach. Ein böses Lächeln umspielte die schwulstigen Lippen des Lehensmannes.- Wir standen wie versteinert da, vermochten nicht, ein Wort hervorzubringen. Der Lehensmann mochte unsere |