Seite 2 ,Die # Welt" Nr. 36 unser Ideal und deren rührende Opferwilligkeit im Dienste der zionistischen Sache so glänzend, so über¬ wältigend zutage, wie bei-der Zeichnung auf die An¬ teile der Jüdischen Koloniälbank. Andererseits zeigte sich aber auch, wie verderbt und ichsüchtig, wie fühllos gegenüber dem jüdischen Gemeiriwohl der jüdische Geldadel des Westens im Laufe des Golus geworden war. Nicht nur, dass diese Kreise sich an der grossen Volksschöpfung fast gar nicht beteiligten und schmählich abseits standen, hinderten sie uns viel¬ fach in unserem Werke durch Verbreitung schänd¬ licher Lügengerüchte und durch die Verhängung eines förmlichen Boykotts über die Jüdische Kolonialbank. Demgegenüber war es unsere Pflicht, durch eine scharfe Abwehr böswilliger Angriffe einerseits und durch stete aufklärende und belehrende Arbeit anderer¬ seits, kurz durch unablässige, entschiedene und tateifrige Propaganda immer weitere Kreise des Juden¬ tums für unsere Bestrebungen zu gewinnen. Diese Aufgabe sollte das bereits erwähnte Organisations¬ statut, das auf dem dritten Kongresse zur Annahme gelangte, erfüllen helfen. Zugleich wurde auf dem dritten Kongresse die Institution der Kolonialbank ausgebaut und für die Aktionsfähigkeit vorbereitet. In dem Jahre, welches dem dritten Kongresse folgte, wurde das reiche Material, das dieser dargeboten hatte, verarbeitet. Die zionistische Organisation und Agitation erstreckte sich auf immer weitere Ländergebiete und suchte immer neue Kreise der Judenschaft heran¬ zuziehen und von der unabweislichen Notwendigkeit des Zionismus zu überzeugen. Im Interesse einer grösseren Verbreitung der Aktien der Jüdischen Kolonialbank wurden Share-Klubs gegründet, die es auch den minderbemittelten Volksklassen ermöglichen sollten, Shareholders unserer Kolonialbank zu werden und an unserem finanziellen Instrument zu partizipieren. Bedauerlicherweise hat die Einrichtung der Share- Klubs nicht diejenige Volkstümlichkeit und Ausdehnung innerhalb der zionistischen Organisation gewonnen, die ihr vermöge ihres agitatorischen Wertes und ihres praktischen Nutzens für die Hebung der Kolonialbank zukommen. Es wird eine der lohnendsten und dringendsten Aufgaben unserer künftigen Agi¬ tation sein, die Institution der Share-Klubs immer mehr zu verbreiten. Es sollte keinen zionistischen Verein geben, der nicht einen Share-Klub in seiner Mitte hat. In das dem dritten Kongresse folgende Jahr fällt auch die uns allen erinnerliche traurige Massenaus¬ wanderung rumänischer Juden. Die Rückwirkung dieses Wanderzuges auf unsere Bewegung war eine vielfache. Einerseits überzeugte sie viele unserer starr¬ sinnigsten Gegner von der Notwendigkeit einer ein¬ heitlichen, planmässigen kolonialen Lösung des jüdi¬ schen Problems, wie sie der Zionismus vorschlägt, und kam so unserer Agitation zuhilfe, anderseits reifte sie in unseren eigenen Reihen die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer Gegenwartsarbeit neben der auf die Erreichung unseres Endzieles gerichteten Tätigkeit. So wurden denn auf dem IV. Zionistenkongresse zum erstenmale die Fragen der körperlichen, wirt¬ schaftlichen und geistigen Hebung unseres Volkes aufgerollt und praktische Anregungen in dieser Richtung gegeben. Es stellte sich auch die Notwendig¬ keit heraus, der Losung, die bereits auf dem zweiten ' Kongresse ausgegeben worden war, Folge zu leisten, dass nämlich die Zionisten Einfluss auf die ver¬ schiedenen jüdischen Vertretungskörper zu gewinnen suchen sollten. An vielen Orten gelang es denn auch unseren Gesinnungsgenossen durch energische Wahl¬ agitation, Vertreter aus ihrer Mitte in die bis dabin unseren Bestrebungen hermetisch verschlossenen jüdischen Gemeindestuben zu entsenden. Diese Be¬ mühungen müssen im Interesse der weiteren Aus¬ breitung unserer Idee unermüdlich fortgesetzt werden und es ist erfreulich, dass die Gesinnungsgenossen allerorten die Wichtigkeit* dieser Angelegenheit er¬ kannt haben und ihre Kräfte für diese Anstrengung bereit halten. Der fünfte Kongress brachte uns, neben der bereits erwähnten Modifikation des Organisations¬ statuts und weiteren überaus dankenswerten und der Verwirklichung entgegengehenden Vorschlägen zum Fragenkomplex der körperlichen, wirtschaftlichen und geistigen Hebung, insbesondere den Beschluss zur Begründung eines jüdischen Nationalfonds. Die Grün¬ dung des Jüdischen Nationalfolfonds ist eine der glücklichsten Schöpfungen des politischen Zionismus. Für deren Volkstümlichkeit zeugt der stete reichliche Zufluss von Spenden und die Fülle von Anregungen, die aus der Mitte des Volkes im Interesse dieser Stiftung von Tag zu Tag einlaufen. Es wäre bloss zu wünschen, dass diese Anregungen auch beachtet werden und zu einem immer rascheren Anwachsen des jüdischen Nationalfonds führen mögen, damit dieser seinem hohen, schon von den ältesten Chowewe Zion erfassten Zwecke der »Geulath Haarez«, der allmählichen Ueberleitung der palästinensischen Muttererde in den Besitz des jüdischen Volkes, als¬ bald dienstbar gemacht werde. M. Z. Russische Presstimmen anlässlich der Zionisten- Konferenz in Minsk. Die erste allrussische Zionisten-Konferenz, welche in weni¬ gen Tagen in der Gouvernementsstadt Minsk ihre Sitzungen er¬ öffnet, hat in der russischen Tagespresse ein mächtiges Echo ge¬ weckt, das in höchstem Maase bemerkenswert ist. Von national- und orthodox-russischen Blättern und Journalen herrührend, sind die durch die beA r orstehende Eröffnung der allrusischen Zionisten- Konferenz hervorgerufenen russischen Pressstimmen äusserst charakteristisch für die Beurteilung des Emporblühens des Zio¬ nismus in Russland. Wenn die Tatsache allein, dass im absolu¬ tistischen Russland offiziell eine allrussische Zionisten-Konferenz zusammentreten konnte, nicht genügen sollte, die Grösse und den Wert der zionistischen Idee in ihrer ganzen ethischen und prak¬ tischen Bedeutung vollends zu erfassen, so muss man es durch die Aeusserungen der Presse begreifen. Swifts Worte: „Erscheint ein wahres Genie in der Welt, so könnt ihr es daran erkennen, dass alle Dummköpfe ein Bünd¬ nis dagegen geschlossen haben", charakterisieren am besten die Einwendungen, welche die russischen Publizisten aus dem anti¬ jüdischen Lager gegen den Zionismus erhoben. Argumente gegen den Zionismus suchen wir in diesen Pressstimmen vergebens, dafür aber finden wir darin abgedrosehene und banale Phrasen, welche höchstens sagen, dass deren Autoren den tiefen Ernst der Sache ganz und gar verkennen. Und doch ist es nicht ohne Interesse, auch diese Banalitäten zu hören, weil auch aus ihnen die zionistische Beherrschung der Geister in Russland deutlich her¬ ausklingt. Die „N o w o j e Wremj a" schreibt in ihrem mit „Zion in Minsk" betitelten Artikel folgendes: „Dieser Tage tritt in Minsk, dem neuesten Zentrum jüdischer Kultur, die erste all¬ russische Zionisten-Konferenz zusammen. Seit dem ersten Baseler Kongresse sind nur fünf Jahre /verstrichen, und man muss staunen, welch' riesigen Umfang die zionistische Propaganda an¬ genommen hat. Die jüdischen Massen verschiedener Länder sind durch die sehr komplizierte zionistische Organisation vereinigt. Da die zionistische Idee mit ungewöhnlicher Schnelligkeit Ver¬ breitung findet, so fliesst die Schekel-Einzahlung ununterbrochen. Der minimale Wert des Schekels beweist, dass die Zionisten nur auf die jüdische Masse rechnen, indem sie gerecht annehmen, das» jede differenfielle Besteuerung der Massen mehr Resultate liefert als grosse Spenden einiger Reichen. Der ausserordentliche grosse Erfolg des Zionismus ist somit eine Tatsache, die ausser Zweifel stellt. Nun sollte man glauben, dass alles interessiere nur die Juden, aber keineswegs die Christen. Allein die Zionisten sorgen dafür, dass auch die Christen von dieser Erscheinung ergriffen |