Nr. 10 „Die x£ Welt« Seito 13 in energischen Worten gegen die jüngst in Frankfurt am Main gefallenen Aesserungen gegen die JüdischeColonialbank* Wolle man sie nicht unterstützen, so habe man noch kein Recht, sie in solcher Weise, wie geschehen, anzugreifen. In der letzten Nummer der „Israelitischen Rundschau" wird ein im Jahrbuche des „Rasaritul" erschienener Artikel unseres Gesinnungsgenossen Herrn Rabbiner Dr. Niemi- r o w e r in Jassy abgedruckt, worin der ELnfluss des Zionismus auf das jüdische Geistesleben erörtert wird. Der Zionismus, führt der Artikelschreiber aus, ist ein not¬ wendiges Zeugnis und Erzeugnis der Gesammtentwicklung Israels. Die jüdische Cultur des 19. Jahrhunderts hat den Zionismus erzeugt und das zwanzigste wird vom Zions- geiste getragen werden. Die Cullur kommt in Sprache. Geschichte, Literatur und Wissenschaft der Juden zum Ausdrucke. Das bekannte Wort von den Vaterländern der Juden und ihrem Mutter lande Palästina sollte, auf die Sprache übersetzt, lauten : Die Landessprachen sind die Muttersprachen der Juden, Hebräisch bleibt aber dennoch ihre Vatersprache. .Dabei dürfe die Bedeutung des sogen. Jargons, der sich erstaunlich entwickelt hat, nicht verkannt werden. Aber nur Hebräisch könne die Sprache unserer Zukunft werden. Infolge der immer mehr fortschreitenden V e r- geistlichung der Synagoge durch die neuen Propheten müsse eine Entgeistigung befürchtet werden. Da nun tritt die zionistische Bewegung in den Dienst der hebräi¬ schen Sprache, sie wird zur Nothwendigkeit in der Schuld. Der zionistische Einfluss wirkte sogar auf die Gegner unserer Bewegung, die in Deutschland hebräische Sprach¬ eurse errichteten. Nothwendig werde es sein, den Volks- dialect, d. h. den Jargon, durch die hebräische Sprache zu veredeln. Ob die mittelalterliche deutsch-jüdische Sprache von der altjüdischen ganz verdrängt oder bloss hintange¬ setzt werden wird, müsse die Zukunft lehren. Die Mai-Nummer von „Isr-ei* constatiert die merk¬ würdige Thatsache, dass von den Dankgebeten anlässlich der Errettung des Prinzen von Wales alle jüdischen Blätter Notiz genommen haben mit Ausnahme eines ein¬ zigen : des „Jewish Chronicle". Bücherwelt. ♦b" lepsia n*nn* n ( ;n m+n 'c Biographie des R. Jehuda Moscato (geboren um 15:*,:», gestorben l."»90), Rabbiners in Mantua. Mit besonderem Hinweis auf seine Bedeutung und seine Werke. Von A. Apfelbaum, Leiter der hebräischen Schule in Rzeszow. — Drohobycz 1900. 8", 7-2 S. Der Verfasser hat auf das Werkchen unzweifelhaft viel Mühe und Fieiss verwandt, und das verdient immerhin Anerkennung. Es bleibt aber zu bedauern, dass die Bio- grapnie so wenig gründlich und durchaus unwissenschaft¬ lich gearbeitet ist. Einzelnen Partien haftet das Gepräge der Charlatanerie, vulgo „Batlonus", so sinnfällig an, dass selbst nachsichtigere Beurtheiler davon peinlich mussten berührt worden sein. Demgegenüber kommen Germanismen wie •J2«y s*s (S. öl, Z. 3 von unten) und ähnliche sti- lfstische Sorglosigkeiten als Verstösse rein formaler Natur kaum in Betracht. Es wäre dem Verfasser entschieden anzu- rathen, seine Schrift, die ja viel brauchbares Material ent¬ hält, einer gründlichen Umarbeitung zu unterziehen. Die jüdische Wissenschaft würden es ihm danken. M, Z. Feuilleton. Die Musik meiner jüdischen Singspiele. Eine Autokritik. Von Abraham Goldfaden. Da mein physisches Ich noch nicht in Grabestiefe modert, sich vielmehr heil und gesund a u f Gottes Erd¬ boden befindet, und zwar an einem der schönsten Punkte der Erdoberfläche, im herrlichen Paris, so wird man es begreiflich finden, dass ich nicht in regungsloser Gleich- giltigkeit sehweigen mag zu allem, -was über meine Wenig¬ keit auf meine und der lieben Wahrheit Kosten gesagt und geschrieben wird. In Nr. 30 des III. Jahrganges der geschätzten Zeit¬ schrift „Die Welt" findet sich unter dem Titel „Eine jüdische Originaloper" ein Aufsatz von Felix Adler, in dem der Text meines Singspieles „Sulamith" einem Herrn Isidor Goldfaden, die Musik aber Herrn Emanuel David¬ sohn zugeschrieben wird. Nehmen Sie, verehrter Herr Redacteur, zunächst meine heiligste Betheuerung entgegen, dass ich niemals Isidor geheissen habe, noch mich jemals so habe nennen lassen. Abraham ist mein ehrlicher, authentischer Vorname, wie auch mein Geburtsschein beweist. In meiner ganzen Sipp¬ schaft, soweit ich sie Jcenne, gibt es keinen einzigen Isidor. „Sulamith" wird es sich also schon gefallen lassen müssen, als das legitime Kind Abraham Goldfadens angesehen zu werden, desselben Abraham Goldfaden, der vor -24- Jahren das jüdische Theater begründet, jüdische Künstler und Künstlerinnen dafür ausgebildet und eigenhändig ein Repertoire von ca. 30 jüdischen Theaterstücken geschrieben hat. Diese Stücke sind in Russland, Rumänien, Galizien, London, Paris, Amerika, Afrika, Constantinopel, Calcutta und anderwärts theils unter meiner persönlichen Leitung, theils unter der Leitung meiner Artisten aufgeführt worden. Viele von meinen dramatischen Werken und Musikalien sind gedruckt, und einige darunter haben sogar eine ansehn¬ liche Zahl von Auflagen erlebt. Das glücklichste, ich kann wohl ohne Ruhmredigkeit sagen : nicht das einzig glückliche Werk Abraham Gold¬ fadens ist „Sulamith", das bereits im Jahre 1SS(> in Warschau, im Eldoradogarten, das Jubiläum seiner hundertsten Auf¬ führung erreichte. Damals wurde im feierlich illuminierten Garten dem Autor der „Sulamith" ein Lorberkranz über¬ reicht — nämlich dem mehrfach erwähnten Abraham Gold¬ faden, von dem sowohl der Text wie die Musik des Sing¬ spiels herrührt. Ich muss aufs entschiedenste Verwahrung einlegen gegen das Vorgehen des Herrn Emanuel Davidsohn, der jetzt versucht, sich selbst die Musik von „Sulamith" zuzueignen. Ich fordere Herrn Davidsohn auf, authentische Beweise dafür zu erbringen, dass er im Jahre IST'.) auch nur in Odessa anwesend war, als ich die „Sulamith" schrieb, und dass er an der musikalischen Composition dieses Stückes auch nur theilgenommen hat. Wenn Herr Davidsohn oder ein anderer die von mir componierte freie Musik für ein Orchester zugestutzt hat, so mag dem betreffenden Bearbeiter allenfalls das Recht zustehen, sich als denjenigen zu bezeichnen, der ineine Musik orchestriert hat. Componiert jedoch habe i c h die Musik von „Sulamith" — einzig und allein. Und nun möge es mir gestattet sein, den Anlass dieser thatsächlichen Berichtigung zu ergreifen, um die zahlreichen Legenden, die über die Entstehung der Musik meiner jüdischen Singspiele verbreitet sind, zu zerstreuen und der musikalischen Welt, die sich für meine Musik interessiert, ein richtiges Urtheil über dieselbe zu ermög¬ lichen. Ich will im Folgenden eine Art Autokritik schreiben, nicht um unparteiischeren Kritikern vorzugreifen, sondern um eben die Basis für eine unparteiische Kritik zu schaffen — die Basis, die bisher nicht gegeben war. Vor allem ein offenes Geständnis: Der Componist der Musik von „Sulamith" und zahlreicher anderer jüdischer Singspiele, Schreiber dieser Zeilen, hat keinerlei theoretische Kenntnisse in der Musik, ist sogar des Lesens der Noten¬ schritt unkundig. Obgleich ich bei der Composition meiner Stücke stets darauf achtete, dass die Musik sich aus folgenden Elementen zusammensetze: 1. Anfangs- und Schlusschöre, ± Märscho, 3. Tänze, 4. Arien, 5. Duette, 6. Terzette, 7. Balladen, 8. Lieder, 0. Chansonettes, — so scheint mir dennoch die Bezeichnung „Oper", die man meinen Singspielen beigemessen hat, un¬ richtig zu sein. Denn um den Namen Oper zu verdienen, müssten sie eine musikalische Einheit, ein organisches Ganzes bilden, und das ist nicht der Fall, da ich manche Nummern selbst geschaffen, manche aber von anderen Com- ponisten entlehnt habe. Ich kann mit gutem Gewissen „ent¬ lehnt" sagen, denn manch ein Cantor lieh mir in aller Form Rechtens die eine oder andere Nummer aus seinem Syna¬ gogen-Repertoire für meine Bühne, so dass oft eine Melodie in der Synagoge gesungen und um dieselbe Zeit in derselben Stadt auf meiner Bühne „getanzt" wurde, aller¬ dings mit mancherlei Modulationen. Man mag nun immerhin sagen, dass ich mehrcompi- liert als componiert habe. Ich denke aber, dass auch das Compilieren als Kunst geübt werden kann. Ich gehe dabei in folgender Weise vor. Ich entlehne — wie oben bemerkt |