Nr. 26 „Die j& Welt«« Seite 5 gemacht werden, und dem Beschädigten steht es doch frei, Beschwerde zu führen, und sicherlich werde der Missbrauch der Amtsgewalt, wie in anderen Ländern, bestraft. Ja, da kennen Sie eben Rumänien nicht. „Bis Du zum Herrgott gelangst, schlagen Dich die Heiügen todt," sagt ein gutes rumänisehes Sprichwort Und auf der Stufenleiter der rumänischen Bureaukratie gibt es so viele Heilige, dass das arme Recht schon auf halbem Wege in Folge der erhaltenen Püffe und Stösse verendet. Und wenn die Beschwerde trotz aller Hindernisse doch endlich vor dem Throne des richtenden Rhadamantos anlangt, glauben Sie etwa, dass den Schuldigen ein Haar gekrümmt würde? Der brüllende Löwe des Gesetzes verwandelt sich in ein liebkosendes Schosshündchen, wie ich es Ihnen aus einem Falle beweisen werde, wo Primär und Gendarmen sich eine Reihe unmenschlicher Grausamkeiten nicht gegen einen einzelnen Juden, sondern gegen eine ganze jüdische Gemeinde schuldig machten und dennoch unbestraft blieben. Antisemitismus im Reiche. Von M. Alois-Breslau. „Dat jiebts ja jar nich," höre ich einen oder den anderen unserer deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens berlinerischer, als es der Berliner sagen würde, ausrufen, und er hat recht, wenn er an die in Wien gezüchtete Spielart des Antisemitismus denkt. Diese wird man hier vergebens suchen. Wenn es einem reichsdeutschen Abgeordneten gefiele, auch nur eines der im österreichischen Parlamente in Umlauf gesetzten und seither ständig gewordenen Epitheta ornanlia der Juden selbst in stürmischer Debatte zu gebrauchen, ich glaube, er würde vom ganzen Hause — die Radical- Conservativen eingeschlossen — angeblasen werden. Der Deutsche ist ein Antisemit des Salons, ein Anti¬ semit im Frack. Er greift nicht an, sondern wendet vornehm den Rücken. Und kommt es doch einmal in der Antijudenfrage zu öffentlicher Aussprache in Ver¬ sammlungen, so geschieht sie in durchaus — nicht im österreichischen Sinne gemeint — parlamentarischer Weise. Einmal sah ich die Antisemiten im Frack bei der Arbeit Director Oscar Zimmermann aus Dresden sprach über „Transvaal, das deutsche Volk und die Juden". Wenn ich mich vor der Versammlung mühte, einen Zusammenhang zwischen diesen drei Factoren zu finden, so wird dies niemand wundern. Ich erwartete ein lidele Bierrede, wie sie bei studentischen Exkneipen beliebt ist. Doch schon die einleitenden Worte des Vorsitzenden verscheuchten diesen unehrerbietigen Gedanken. „Die Sympathien der Deutschen müssten schon darum auf Seite der Boeren sein, weil jene unter den Uebergriffen der übermächtigen Juden ebenso litten, wie diese unter den Angriffen der übermüthigen Engländer". Meine Sorge um das tertium comparationis war also unbegründet, und meine Spitzfindigkeit musste sich geschlagen bekennen. Die Rede des Herrn Dr. Zimmermann war wohl an die Adresse der Deutschen gerichtet, ihr Extract könnte aber ebenso gut den Ausführungen eines jüdischen Volksmannes entnommen sein: -Wir haben immer für die Fremden sehr viel gethan, wenn es Rettungs- actionen gab, standen wir an ihrer Spitze, aber für unsere eigenen Volksgenossen haben wir keine Zeit. Bei uns in Deutschland spielen sich die Juden als die grössten Deutschen auf, in England sind sie die grössten Engländer, in Böhmen die grössten Czechen. Sie schädigen das nationale Gefühl anderer, sich selbst aber nützen sie nicht. (Rufe: Eger! Holleschau!) Wir müssen daher unter das Volk gehen und ihm sagen, dass es breche mit allem Fremden, dass es traue der eigenen Kraft dass es sich zusammenthue, um die drückenden Ketten zu sprengen und wieder frei zu werden von fremden Einflüssen." Unpolitisch, wie das deutsche Volk ist, fängt es erst in der Judenfrage an, politisch zu werden. Sympathien für die stamm¬ verwandten Boeren zu wecken, gelang dem Redner nicht Stumpf und gleichgiltig verhielt sich die Masse bei der Aufzählung ihrer Leiden. Sprach aber Doctor Zimmermann von den Juden, so gieng eine anhaltende Bewegung durch die Reihen, die sich nicht in leiden¬ schaftlicher Wuth, sondern in hohnvollem Gelächter kundgab. Man hasst den Juden nicht — das hiesse ihm zuviel Ehre erweisen — man verachtet ihn. Man drückt ihn moralisch und schwächt dadurch seine geistige Potenz. Und moralisch leidet hier der feiner Organisierte mehr als in Oesterreich. Und die Banausen ? Sie gehen ruhig an ihr Geschäft. Lueger ist weit, und Polna und Holleschau liegen jenseits der Grenze. Der Rest ist jene Klugheit, die Millionen erwirbt. Sie lächeln über die erstorbene Form, und wehren sich vor dem neuen Gedanken. Sie leugnen die Nation und lachen der Religion. Sie müssen wir aufgeben. Doch an die Jugend knüpfen wir unser Hoffen. Sie möge immerhin noch ringen; um sie braucht uns nicht bange sein: bald wird sie stark zu ihrem Volke stehen. Doch die Schwachen müssen wir führen, vorerst geistig und — so Gott will — auch leiblich, aus dem Lande der Knecht¬ schaft hinaus — in die Freiheit Die Thätigkeit der loa. Der eben ausgegebene Bericht der Jüdischen Colonisa- tions-Gesellschaft (Jewish Colonisation Association) enthält allerlei interessante Mittheilungen, denen wir folgende Einzelheiten entnehmen: Argentinien. Von den argentinischen Colonien wies die Colonie Moseville im verflossenen Jahre einen erheblichen Fort¬ schritt auf, Die Zahl ihrer Einwohner ist um 31 Personen gewachsen, so dass sie jetzt 71 Familien mit 856 Seelen zählt. Ebenso ist die in Bearbeitung genommene Boden¬ fläche um 450 Hektar vermehrt worden. Die Colonisten, welche jetzt fleissig Viehzucht treiben, haben aus eigenen Mitteln 1000 Stück Vieh zu Zuchtzwecken gekauft. Die Colonie umfasst 24.000 Hektar (4 Quadratmeilen). Bedeutender noch war der Fortschritt in E n t r e R i o s. Viehzucht und Molkereien werden die Colonisten wohl in den Stand setzen, ihre Schulden an die Gesellschaft abzutragen. Von den 544' Familien mit 4982 Seelen hat mehr als die Hälfte ihren ganzen Boden in Bearbeitung ge¬ nommen. Der natürliche Zuwachs der Bevölkerung beträgt 55 per Mille. Weniger günstig ist die Lage der Colonisten in M a u r i c i o, welche durch die Missernte der letzten Jahre tief in Schulden gerathen sind. Infolge dessen haben 22 Familien die Colonie verlassen, wodurch die Zahl der Einwohner von 1045 auf 968 gesunken ist. Man hofft jedoch, dass die Molkereien, welche im August errichtet wurden und sehr gute Resultate ergaben, die Lage der Colonisten bedeutend verbessern werden. Ueber die Lage der argentinischen Colonien im all¬ gemeinen spricht sich der Bericht sehr hoffnungsvoll aus. Die Colonisten sind zuversichtlicher geworden und fangen an, an eine bessere Zukunft zu glauben. Zum Beweise diene die Thatsache, dass viele von ihnen ihre Angehörigen in Russland auf ihre eigenen Kosten nach Argentinien bringen. Die Heuschrecken blieben in diesem Jahre fort, und die Ernte war als mittelgute zu bezeichnen. Vereinigte Staaten. Die Colonisation in den Vereinigten Staaten hat den Zweck, die Juden aus den grossen Städten, wo sie sich in beängstigender Weise zusammendrängen, auf das flache Land hinaus zu bringen. Daher begrüsste es die Gesell¬ schaft mit Genugthuung, dass die Colonien Carmel, Alliance |