Nr. 26 „Die j& Welt?» Seite 7 Die Delegierten für den vierten Congress sind: Dr. R. Gottheil, Frau Gottheil. Dr. Gordon, Dr. Schaffer, Sarasohn, Dr. S. S. Wise, Doctor Bluestone, Frau Leon, Dr. Friedländer, Doctor Z i n s 1 e r, Dr. Mendes, Rabbiner Levinthal, Levin, Morrison, Funke 1, Schur, Zolotkow, Rabbiner Gunsberg, Mayer, Dr. Scharf, Solomon, Fräulein Solomon. A. Tannenbaum. Die Aufträge für die Delegierten. Die Delegierten wurden beauftragt, dem vierten Congresse zu London folgende Beschlüsse der Conferenz zu überbringen: 1. Die Conferenz lehnt die Idee einer Colonie in Cypern ab und hält an Palästina und Syrien fest. 2. Es sei wünschenswert, eine internationale. Aus¬ stellung von Bodenproducten und Kunsterzeugnissen der jüdischen Colonien zu veranstalten, und zwar so, dass diese Ausstellung von Stadt zu Stadt, von Land zu Land wandere, um durch Anschauung einen Begriff von den Erzeugnissen der jüdischen Colonien zu gebend 3. Der Congress möge keine anderen amerikanischen Delegierten ausser den von der Conferenz ernannten anerkennen. 4. Der Congress möge eingedenk der Dienste, die Baron Edmund Rothschild in Paris durch Gründung der jüdischen Colonien dem Judenthum geleistet, diese Dienste öffentlich anerkennen. 5. Der Congress möge darauf bestehen, Schekelgelder aus Amerika nur durch die Federation als Landesverband anzunehmen. t>. Die Delegierten sollen es Dr. Herzl ans Herz legen, nach Amerika zu kommen, um durch seinen Besuch die Bewegung zu fördern. Der rumänische Exodus. Aus Semlin an der ungarisch-serbischen Grenze wird berichtet, dass dort kürzlich zu Schifte an 200 aus¬ wandernde rumänische Juden eingetroffen sind, die meisten aus Bukarest und G a 1 a t z. Sie wollen zunächst nach London reisen und von dort nach einer der überseeischen jüdischen Ansiedlungen. Die Auswanderer sind zumeist Hand¬ werker: Zimmermaler, Schlosser, Spengler Schneider, Tapezierer; 35 unter ihnen sind absolvierte G y m n a's i a 1- und Handelschüler. Die Belgrader und die Semliner jüdische Gemeinde versahen die armen Leute mit Lebensmitteln und auch mit etwas Geld. Aus B a j a im südlichen Ungarn berichten Budapester Blätter, es seien dort dieser Tage 154 jüdische Auswanderer sammt ihren Familien aus Rumänien angelangt, und zwar •V.» aus Bukarest und «5 aus Galatz. Die Auswanderer sind fast durchgehends Handwerker. Ihre ganze Ausrüstung für die Reise bestand aus Schiffs-Fahrkarten nach Wien. Geldmittel hatten sie keine, und viele von ihnen waren buchstäblich dem Hunger preisgegeben. Die Bajaer Cultus- gemeinde sammelte für die Unglücklichen 200 Kronen und versah sie reichlich mit Lebensmitteln. Ueber die Bedrückun¬ gen, denen die Juden in Rumänien ausgesetzt sind, erzählten die Emigranten die haarsträubendsten Dinge. * „Pesti Hirlap". bekanntlich ein der ungarischen Regierung sehr nahestehendes Organ, meldet in einer seiner jüngsten Nummern : „Das Ministerium des Innern hat Vorsorge getroffen zur Verhinderung des Einströmens rumänischer Juden an der rumänisch-ungarischen Grenze. Infolge der judenfeindlichen Excesse und der Judenver¬ folgungen in Rumänien verlassen die rumänischen Juden ihre bisherige Heimat und wandern in Massen nach Ungarn. Diese verfolgten Juden sind ganz mittellos. Im Sinne des Gemeindegesetzes darf solchen Fremden nicht die Erlaubnis zur Ansiedlung gewährt werden. Demzufolge stellte man die Einwanderer gleich an der Grenze unter polizeiliche Auf¬ sicht. Da aber die Einwanderer versicherten, sie reisten nur durch, und ihr Weg führe nach Hamburg, wurden sie vorerst nicht zurückbefördert. Das ungarische Ministerium des Innern wandte sich an das österreichische Ministerium des Innern mit dem Ansuchen, es möchten an der österreichischen Grenze die österreichischen Behörden die Controle übernehmen und die Auswanderer bis nach Deutschland begleiten. Nun ist der Be¬ scheid des Herrn v. Ko erber eingetroffen, wonach die öster- reichischeRegierungnur unter der Bedingung, dassDeutschland die Auswanderer aufnimmt und ihnen die Reise nach Hamburg gestattet, den rumänischen Juden die Durchreise durch Oesterreich freigeben würde. Nun hat man an der rumänisch¬ ungarischen Grenze den Gendarmerie- und Polizeidienst verschärft, indem die Späterkommenden nur in dem Falle über die Grenze gelassen werden, wenn Deutschland die durch die österreichische Regierung gestellten Bedingungen erfüllt. * In R o m a n hat sich, wie rumänische Blätter berichten, eine Gruppe von 50 jungen jüdischen Mädchen gebildet, die nach Amerika auswandern und den Weg nach Hamburg zu Fuss zurücklegen wollen. Die ungarischen Behörden in ürsova haben eine Gruppe von 59 jüdischen Auswanderern aus Rumänien auf¬ gehalten, die auf Landfuhrwerken aus T.-S e v e r i n an¬ kamen. Der Stuhlrichter von Orsova hat telpgraphisch an das Ministerium des Innern in Budapest die Anfrage ge¬ richtet, wie er sich in der Angelegenheit zu verhalten habe, da sich die Auswanderer in Orsova und Temesvar nieder¬ lassen wollen. Ferner berichtet man aus Orsova : Die Gruppe Pietonii, bestehend aus 60 Personen, ist Freitag den 15. d. zu Fuss aus Verciorova hier angelangt. Die ganze Gruppe, mit Ausnahme von sieben Frauen und fünf Kindern, besteht aus reifen Handwerkern. Dieselbe wollte zu Fuss bis Hamburg. Die Leute wurden von der jüdischen Gemeinde aufs freundlichste bewirtet und wollten Sonntag früh um 1 Uhr nach Karänsebes abgehen. Der Oberstuhlrichter gestattete jedoch nicht den Abmarsch, bis von Seite des Ministeriums des Innern eine Ordre kommt Bis Montag abends kam keine Nachricht, so dass Herr J. Prerau, Rabbinatsverweser, dem Oberstuhlrichter Vorstellungen machte, dass dies sowohl für die kleine Gemeinde als für die armen Emigranten ein herber Schlag ist: er möge die Leute weiterziehen lassen. Dies wurde auch gestattet. Die jüdische Cultusgemeinde fasste spät in der Nacht den Be¬ schlüsse, die armen Emigranten per Bahn bis Karänsebes zu senden. Als dieselben Dienstag 5 Uhr morgens aus dem Gasthause zur Bahn hinausgehen wollten, kam die Gen¬ darmerie und liess die Leute nicht vom Platze. Vorstands¬ mitglied Prerau begab sich zum Oberstuhlrichter, um Er¬ kundigungen einzuholen. Man theilte ihm mit, dass der Minister die Abreise nur dann gestatte, wenn die Leute mit Karten bis an die äusserste Landesgrenze versehen sind, widrigenfalls alle am Nachmittag nach Rumänien zurück- befördert werden. Der bis Mittwoch nachmittags 2 Uhr er¬ betene Aufschub wurde bewilligt. Die hiesige jüdische Gemeinde, ausserstande, so grosse Opfer zu bringen, da sie seit Monaten schon von rumänischen Emigranten in kleineren Gruppen belästigt worden, wendete sich an die Schwestergemeinde um Hilfe, welche auch geleistet wurde. Die Leute sassen Mittwoch nachmittags bereits im Waggon, die Karten wurden bezahlt und dem Führer der Gruppe übergebt n, als plötzlich der Grenzcommissär Pattera zu Herrn Prerau kam und erklärte, dass er den stricten Befehl habe, die Leute nur dann abreisen zu lassen, wenn die Karten direct bis Marchegg lauten. Der Stationschef, respective Cassier, sagte, dass er die Karten nur bis Buda¬ pest geben könne. Der Zug war bereits zum Abgehen bereit. Herr Prerau wollte das Geld für die weitere Reise von Budapest nach Marchegg dem Commissär übergeben. |