No. 18 DIE^ELT Statuten durch Verschleierungen und technische Griffe ganz andere Kolonisationsbestrebungen fördern. Daß das nicht geschehen kann, ist jetzt sicher. Der Kongreß — und "jeder Kongreß — wird es beweisen. Und wir wollen lieber beim Kongreß gewinnen und beim eng¬ lischen Richter verlieren, als umgekehrt. Der palästi¬ nensische Zionismus ist jetzt gewissermaßen die exakte Formel für die Ergebnisse aller Erfahrungen. Man hat dies schon früher empfunden, nur hat man jetzt dem intuitiv Erlebten einen Bewußtseinsausdruck gegeben. Der Verlust dieses Formalitätenprozesses hat für uns keine positive Bedeutung. Höchstens ist es ein Ärgernis, das man überwinden wird. Man hat schon so vieles andere überwunden, und was bedeuten diese Enttäuschungen und Unannehmlichkeiten in einer natio¬ nalen Bewegung? Sie wecken den erschlaffenden Geist und stacheln die matte Energie. Das wird auch bei uns der Fall sein. Durch unsern eigenen Willen werden wir unsere eigenen Beschlüsse durchsetzen, wie es unseren Bestrebungen entspricht. Daß unsere Aufgabe keine leichte ist, gestehen wir gerne, und es war von gegnerischer Seite nicht nötig, sich daraus ein bos¬ haftes Vergnügen zu machen, der Spottlust darüber Raum zu geben. Aber die Liebe zum Lande wird die Härte unserer Mühen, mildern, und die Begeisterung für ein volkstümliches Ideal wird den Ernst unseres Sinnens durchglühen. N. S. Von Denkmälern und anderm „Ein Luginsland, schön wie ein Traum, — Ist des Palastes Warte; — Doch ist für einen Heine kein Raum — Unter des Kaisers Standarte. — Es werfen ihn derbe Fäust' am Genick — Aus dem Tempel unverweilet, — So hart' ihn sein altes Judengeschick — Auch im Achilleion ereilet . . ." Bald ein Jahr ist's her, daß Max Nordau in einem Caput XXVIII Heines „Winter¬ märchen" ergänzte — und nun „im wunderschönen Monat Mai" ist's Wahrheit geworden: Heine wird aus dem Achilleion „exmittiert". Und der Blätterwald rauscht. Zahllose Pegasusse werden bestiegen, und der herausgeschmissene Dichter wird unter mehr oder minder glücklicher Zuhilfenahme seiner köstlichen Rhythmen getröstet, daß er auch ohne Denkmal unsterblich sei oder daß er sich ein ewiges Denkmal errichtet in den Herzen, und daß trotzdem keiner wie er den Vater Rhein besungen, und so weiter und so weiter .... Das Denkmal wird wandern, — und in Düsseldorf werden sie es auch geschenkt nicht annehmen, — und die Angelegenheit wird allmählich zu einer immer peinlicheren Groteske, je trivialer sie die Reporter¬ geschwätzigkeit macht. Wie schön das doch wäre, wenn wenigstens alle die, die überzeugt sind, daß Heine sich ein Denkmal aere perennius errichtet hat, auf den „Stein unter Steinen" verzichteten und Heine, die süße Spott¬ drossel, pfeifen .ließen auf einen zwangsweise dem Philistertum abgerungenen monumentalen Dank. Denn wer wird schließlich Recht behalten, Adolf Bartels und die „schockierten Geheimräte" von Korfu oder der Denkmallose, der seinen Widersachern im Testamente verhieß: „Kodizill zu dem Vermächtnis: — In Vergessen¬ heit versenken — Soll der Herr euer Angedenken, — Er vertilge euer Gedächtnis!":? Beinahe ebenso unangenehm wie die Denkmals¬ verweigerung und -Verschickung wirkt die Denkmals¬ begeisterung. Was soll solch künstlich gemachter „Zorn der Nation"? Ob er nun von den Intellektuellsten ausgeht unter Wahrung gewisser ästhetischer Voraus¬ setzungen und sich schließlich in Sammlung von Scheide¬ münze äußert (die sich doch fast nur im engern Juden¬ kreise abwickelt), oder ob ihn eines Warenhausmagnaten Gattin beenden wül durch einen Heinedenkstein auf ihrem „Rittergut", — die Sache bekommt so wie so einen ranzigen Beigeschmack. Und es fehlte nur, was wirklich geschah, daß ein Komiker des Varietes, der sich „König der Boheme" nennt, in bizarrer Schmieren- Theatralik Deutschland ein Heinedenkmal aus seinen Mitteln von Litfaßsäulen und vom Brettl herab ver¬ heißt, — um die armselige Komik des denkmalbewußten Anti-Anti-Heinerummels in lebendiger Reinkultur de¬ monstriert zu sehen. Deutschland, das offizielle, das gesellschaftliche, das parlamentarische Deutschland von heute (und dazu noch ein gut Teil des intellektuellen) will Heine nicht, — selbst wenn es seine Lorelei mit tiefdeutscher Sentimentalität singt. Längst hat der „Volksgeist" Heines Lied, Heines Witz und Heines Sprache als seinen Besitz annektiert; aber in gedankenloser Undankbarkeit hat er den Juden Heine nebst dem unverdauten semitischen Rest in seinen gesammelten Werken neben seine Schöpfung gestellt. So als hätte der Volksgeist ein Recht auf Heines Schöpfung, weil er, der Volks¬ geist, sie gespeist, — und Heine nur das Recht auf Verachtung, weil er, der Jude, beim deutschen Volke genommen. „Heine war mir immer unsympathisch," sagt kurz Otto Erich Hartleben, der in Wort und Witz sein gelehrigster Schüler war, sozusagen ein kleiner Heine. Und „er war uns immer unsympathisch," sagt man in Düsseldorf und dem angrenzenden Deutschland und in der Kolonie Achilleion auf Korfu. Ebenso unsympathisch wie z. B. der bucklige Philosoph, der einst eine Sehenswürdigkeit von Berlin bildete, einer der Großen des großen Zeitalters Friedrichs II., Moses Mendelssohn, der doch so sehr deutsch und so sehr patriotisch war und doch keinen Platz auf dem steinernen Gedenkbilde jener Zeit finden konnte, das aller Gestalten fes'ihielt, nur nicht die seine, — obwohl brave Menschen meinten, daß er, wenn irgendeiner, zur Größe jener Zeit beigetragen... Und nun müht sich in unseren "Tagen ein jüdisches Komitee, indem es ein Denkmal für ihn errichten will, um das Dilemma herumzukommen, daß dieses allein von Juden gewünschte und „subsidierte" Denkmal als ein deutscher Stein gelten solle. — „Das deutsche Volk seinem großen Denker," so, möchten sie wohl, soll die Inschrift auf dem Sockel lauten. Die Modelle für das Denkmal waren zunächst im Gebäude der jüdischen Kultusgemeinde zu Berlin ausgestellt; — das deutsche Volk hat Zeit, über einen würdigen Platz nachzudenken, den es dem weisen Nathan einräumen wird. „W T arum muß in jeder Sekunde", — so schrieb jüngst einmal in der besten deutschen Zeitschriften ein hervorragender Schriftsteller, — „an den noch immer bestehenden schmerzlichen Gegensatz (zwischen Juden und Nichtjuden) gedacht werden, warum herrscht überall, wohin man blickt, dieser lähmende Argwohn, dieses versteckte Übelwollen und nervöse Zusammenzucken ? Ist Lessings Nathan so wenig noch ins Volk gedrungen ? |