6 DIE2Q & ELT No . 18 , So eifre jeder seiner unbestochenen , von Vorurteilen freien Liebe nach ! ' Irgendetwas muß doch einst geschehen , um gegebene historische Tatsachen zur Grundlage einer neuen , ganz einheitlichen Kultur zu machen . Und dieses Eine kann nur die Verschmelzung sein . . . . Möge doch jeder , welcher Abstammung er auch sei , reinen Herzens sein Bestes tun und das übrige getrost dem lieben Gott überlassen , möge sich keiner irritieren lassen , weder durch übereifrige Zionisten und Davidsbündler , noch durch deutsche Ideologen , die sich selbst vordefinieren , was deutsch sei . Verehrter Essayist , diese Vorfrage : „ Ist Lessings Nathan denn so wenig ins Volk gedrungen " , muß keine rhetorische bleiben . Der steinerne Moses Mendelssohn , vorläufig noch immer in dem Modell¬ ausstellungssaal der jüdischen Kultusgemeinde in Berlin , er selbst , der weise Nathan , also der beste Kronzeuge , kann sie Ihnen in seiner wehmütigen Ghettovereinsamung schnell beantworten . . Sie meinen , „ um das jüdische Problem so wichtig zu ' nehmen , um dagegen alle Begriffsgarden der Ethik , Ästhetik und des Patriotismus aufmarschieren zu lassen , müsse ( bei den Christen in Deutschland ) ein großes Gefühl der Urkraft vorhanden sein " . Ist dem wirklich so , desto schlimmer . Wenn das deutsche Volk wirklich diesem einen Prozent Juden gegenüber sich schwach fühlen sollte , — um so mehr wird es sich gegen sein Einfließen wehren . Und wenn dieses Prozent wirklich so voll geheimnisreicher Kraft ist , — wozu diese Kraft zur Bastardierung verwenden ? Wozu der Kampf zwischen Wollen und Nichtkönnen , Können und Nichtwollen , der sub specie einer höheren Einheitskultur seit eineinhalb Jahrhundert keine Sieger und keine Besiegten , aber auch keinen Friedensschluß gebracht hat ? Den nutzlosen Kampf in freies Spiel der Energien - auf getrennten Sphären verwandeln , ist das Übereifer ? Oder ist es nicht vielmehr Übereifer , Volks¬ kräfte , diesen organischen Komplex jahrtausendelang wirksamer und sich entfaltender Triebe , durch einen kategorischen , sittlichen Imperativ regieren zu wollen ? „ Möge doch jeder , welcher Abstammung . er auch sei , reinen Herzens sein Bestes tun , nacheifern seiner un¬ bestochenen , von Vorurteilen freien Liebe ! " Das aller¬ dings kann ein Imperativ - sein für ein Volk . Aber das eben ist der zionistische Imperativ . Der andere , der der Verschmelzung , — das eben sah der weise Nathan nicht , konnte es vielleicht noch nicht sehen , — ist be¬ stochen und diktiert vom Vorurteil , „ das sich selbst vordefiniert , was jüdisch ist " : vermeintlich nur eine veraltete Konstruktion " der Nichtjuden , und eine Störrig - keit der Juden . . . . Doch , wo sind wir hingeraten von den Denkmälern , und was soll mit ihnen geschehen ? Eine traurige Sache — aber das beste wäre , sie in eines der „ Museen für jüdische Altertümer " zu stecken . Für die Erinnerungen des lebendigen Judentums wird man hoffentlich nicht um Gastfreundschaft beim Gemeindevorstand von Düsseldorf betteln müssen . Des ist ein Brief Zeuge , den die Leitung des „ Jüdischen Museums " in Wien empfing , als sie von den Kuratoren des Herzischen Nachlasses „ im Interesse späterer Ge¬ schichtsforschung " die „ Reliquien " erbat , die er hinter¬ lassen . Das Antwortschreiben lautete : Verehrter Herr Präses ! Besten Dank in meinem Namen und im Namen der Kuratoren für Ihr sehr geehrtes Schreiben vom 31 . d . M . Wir haben alle die Empfindung , daß die bewußten Gegenstände eine historische Bedeutung fürs ganze Judentum haben : deshalb wurde die gesamte . Einrichtung von Herzls Arbeitszimmer nach Köln gebracht und ' dort sorgfältig aufgestellt . Unter günstigeren Verhältnissen wird alles nach Palästina befördert werden . . L . Kellner Wenn aber der geschätzte Herr Präses des Museums , der zugleich Präsident der Wiener jüdischen Kultus¬ gemeinde ist , Bedarf für die größte , allerdings über alle Länder hingestreute Reliquie Herzls hat , — man nennt sie Zionismus , — so kann er immer einen Teil davon haben , — allerdings nicht fürs Museum . Criticus Das jüdische Element bei einer politischen Wahl in England ( Von unserem Berichterstatter ) Die für lange Zeit wichtigste politische Wahl , die in Manchester , hat nunmehr stattgefunden und hatte mannigfache Umstände im Ge¬ folge , die ein grelles Streiflicht auf die politische Lage der Juden dieses Landes werfen . Die Wahl war dadurch veranlaßt , daß das Parlamentsmitglied für Nord - West - Manchester , Mr . Winston Churchill , als Präsident des Handelsamts ins Kabinett berufen worden war , nachdem durch die Ernennung von Mr . Asqülth zum Premierminister an Stelle Campbell - Bannermans eine Neubildung des Kabinetts er¬ forderlich geworden war . Nach der englischen Verfassung muß ein Parlamentsmitglied , das ins Ministerium berufen worden ist , sich einer Neuwahl unterziehen , ein Fall , der also jetzt auf Mr . Churchill zutraf . Bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1906 war er mit einer Majorität von 1200 Stimmen ' gewählt worden . Sein damaliger Gegenkandidat , der Konservative Mr . Joynson - Hicks , stand ihm auch jetzt wieder gegenüber . Indessen war diesesmal die Lage durch die Kandidatur eines Sozialisten verwickelter als damals . Der sozialistische Kandidat wußte sehr wohl , daß er gar keine Chancen , gewählt zu werden , hatte . Seine Kandidatur sollte lediglich eine Kräftprobe der sozialistischen Partei in Manchester bedeuten . Die Liberalen , die jetzt am Ruder sind , wünschten selbstverständiich den Sitz in Nord - West - Manchester , der vor 1906 immer von einem Konservativen eingenommen worden war , zu behalten ; indessen hatten sich ihre Aussichten durch die von der gegenwärtigen liberalen Regierung eingebrachten Gesetzentwürfe mit Bezug auf die Unterrichtserteilung , die Beschränkung der Konzessionserteilung für Gastwirtschaften und die gesetzlichen Beschränkung der Arbeitszeit der Minenarbeiter sehr vermindert . Bei jeder solchen Wahl versucht jede Lokalorgani¬ sation , gleichviel ob sie religiösen oder geschäftlichen Charakters ist , von den Kandidaten Versprechungen im Sinne ihrer Sonderbe¬ strebungen zu erhalten , wofür sie dann anderseits die Unterstützung der Mitglieder ihrer Organisation zugunsten des betreffenden Wahl¬ kandidaten in Aussicht stellt . Es ist daher natürlich , daß auch die jüdischen Wähler von einer solchen Kombination Gebrauch machten . Das war auch schon bei früheren Wahlen geschehen , dagegen war es ein Novum in der englischen Geschichte , daß auf die jüdischen Stimmen so sehr Gewicht gelegt wurde , wie dies bei der jüngsten Wahl in Nord - West - Manchester tatsächlich der Fall war . Die Zahl der jüdischen Wähler in diesem Wahlbezirk beträgt ungefähr 900 , bei einer Gesamtzahl der jüdischen Bevölkerung Manchesters von 30000 . Die jüdischen Wähler , die sich ihrer Stärke bewußt waren , beschlossen , diese zum Wohle des jüdischen Volkes auszu¬ nutzen . Bei den allgemeinen Wahlen im Jahre 1906 hatten sie mit sehr geringen Ausnahmen für den _ Liberalen Churchill gestimmt , weil er bei der Debatte über das Fremdengesetz im Parlament da¬ gegen gesprochen hatte und zudem versprochen hatte , im Falle seiner Wiederwahl dafür einzutreten , daß es nicht zur Anwendung gelange . Churchill , ein Sohn des bekannten englischen Politikers , des verstorbenen Lord Randolph Churchill , ist ein warmer Freund der Juden und , obgleich erst 34 Jahre alt , als ein sehr fähiger Staatsmann bekannt . Im liberalen Ministerium von 1906 war er Unterstaatssekretär für die Kolonien . Ungeachtet der Versprechungen , die er seinen jüdischen Wählern gemacht hatte , war indessen in der Handhabung des Fremdenge¬ setzes in keinem wichtigen Punkte eine Änderung erfolgt . Zwar war die Zahl der Einwanderer , die das von ihnen benutzte Schiff zu einem Immigrantenschiff stempeln , ^ das den Bestimmungen des |