Aeite 16 „£>ie Welt“ Nr. 9 erreichen konnte, an der Seite des alten David an einem heißen Juni-Nachmittage seinen Einzug. — Die blauen, nebelumwogten Berge, die dunklen, duftenden Tannenwälder, die der Knabe so sehr liebte, vermochte die er¬ drückende Pracht ringsumher allerdings nicht zu ersetzen. Eben¬ sowenig waren die Millionen Jsaks imstande, die kräftige, würzige Lust der Alpen, deren der Knabe so bedurfte, hierher¬ zuzaubern. Aber gegen die erdrückende Atmosphäre, die die letzten Tage über im Palaste auf der Ringstraße geherrscht, bot der Aufenthalt auf dem Kahlenberge immerhin unschätzbare Vortheile. Aus den breiten Fenstern des Krankengemaches genoss man einen lieblichen Ausblick auf das ferne Wien und die etwas einförmige, vom blauen Bande der Donau durchzogene Gegend. Die rothen Ziegeldächer von Siegling grüßten traulich aus einem grünen Haine herüber. Bon dieser Vogelperspective aus konnte man die dürftige Pfarre des Josef Goldschild ganz gut als ein gar friedliches, ländliches Idyll ansehen, in dem eitel Glück und Zufriedenheit hauste. Es waren ganz eigenartige Gefühle, die den alten Doctor beschlichen, als er diese Nachbarschaft, die er bisher gar nicht in Erwägung gezogen, gewahrte. Er sah im Geiste den unerbittlich strengen Priester dort unten in Mitte der Armut und des heimatlosen Elends Hausen, beständig auf dem Wege zwischen Siegling und Wien — hier seines milden Amtes unermüdlich waltend — dort ebenso unermüdlich für seine dunklen Zwecke agitierend. Dann fiel der Blick des Arztes wieder auf die ab¬ gezehrte Gestalt des siechen Enkels Jsaks — der, umgeben von den fabelhaften Schätzen, rettungslos und genusslos dahin¬ welkte. Derartige Contraste barg Israel! Eine dumpfe Ahnung warnte David, dass die Nähe so schroffer Gegensätze zu nichts Gutem führen könne. Eine innere Stimme raunte ihm zu: Fliehe mit Deinem Knaben — wenn es sein muss, zurück in den Dunstkreis der Großstadt — wo das rauschende Leben, die nie ruhende Be¬ wegung der Geschäfte, das Hasten und Drängen dieses Kind schützen wird! Aber David Goldschild war nicht der Mann, derartigen flüsternden Stimmungen Gehör zu schenken. Schützen wovor? fragte er sich kalt und klar. Etwa davor, dass jener Priester mit seiner verworrenen Politik mir dieses sterbende Kind raubt, wie er mich aus der Häuslichkeit Karl-Raphaels getrieben? Daran war nicht zu denken. Die Geschehnisse der letzten Jahrzehnte bildeten eine feste, trennende Mauer zwischen Jsaks und Raphaels Nach¬ komme». Der Paramentenhändler hatte niemals die Schwelle des Goldschild'schen Palastes in der Ringstraße überschritten —■ Pfarrer Josef wird den Bannkreis der byzantinischen Billa meiden. Es waren durch goldene Schranken getrennte Welten. V. Die nächsten Wochen schienen diese Voraussetzungen zu bestätigen. So nahe die ungleichen Zweige der Fainilie Gold¬ schild auch räumlich wohnten — keiner schenkte dem anderen Beachtung. Auf Jonathan verfehlte der Aufenthalt auf dem Kahlen¬ berge nicht, günstig einzuwirken. Das Befinden des Kranken besserte sich im Laufe der ersten Woche so sehr, dass sich Dr. David einen kurzen Urlaub ertheilte. Das konnte er mit umso besserem Gewissen thun, da er einen vortrefflichen Ver¬ treter in der Person eines jungen College« — Dr. Geist — gefunden hatte. Die Bekanntschaft der beiden Männer war bereits vor langen Jahren, als der Jüngere noch Student und Mitglied einer deutschen Burschenschaft war, geknüpft worden. Auch später, nachdem Geist die bunte Studentenmütze schon längst mit dem ernsten Doctorhut vertauscht, waren sie ein¬ ander öfters in der Gesellschaft begegnet, und das muthige und niannhafte Eintreten des jungen College« für die deutsche Sache hatte ihm die wohlwollende Sympathie des alten Arztes gesichert. In den letzten Jahren jedoch war eine Entfremdung zwischen diesen beiden Stammes- und Gesinnungsgenoffen ein¬ getreten. lieber Dr. Geist raunte man sich die abenteuerlichsten Gerüchte zu. Es hieß, er sei der wildesten Orthodoxie verfallen, esse nur in kleinen koscheren Wirtschaften und träume von der nahen Geburt des Meffias. Derlei mystische, religiöse Anwandlungen waren nun allerdings ein schlechter Geleitsbrief . für die Klause in der Alserstraße. Trotzdem war es aber David, als er erfuhr, Dr. Geist habe die Stellung an einer der großen Heilanstalten, wo er bisher gewirkt, niedergelegt und übe Privatpraxis aus, gerade recht, diesem Manne die Sorge für das kranke Kind anvertrauen zu können. Denn abgesehen davon, dass er von dem ärztlichen Wissen Geists eine hohe Meinung hatte, war der junge Doctor einer jener warmen und guten Menschen, die man gerne im Schmerze um sich sieht. Leichten Herzens, da er Jonathan so gut betreut wusste, trat der Greis seinen Ausflug in das herrliche Salzkammergut an, dessen Schönheit ihn für die vielen, in dumpfen Kranken¬ stuben verbrachten Monate und Jahre entschädigen sollte. Jeden Sommer unternahm er eine solche Reise. Es war dies die einzige Erholung, die sich der gewissenhafte Arzt gestattete. Trotz seiner 65 Geburtstage hielt er sich für ver¬ pflichtet, sein Wissen und Können der leidenden Menschheit zur Verfügung zu stellen. Pünktlich, wie ein Student, kehrte er stets am letzten Tage seiner Ferien in die Stadt zurück, um seinen Posten im Ordinationszimmer anzutreten. Diesmal erwartete Dr. Goldschild bei seiner Rückkehr eine artige Ueberraschung. Zur gewohnten Stunde fuhr er nachmittags nach der byzantinischen Villa auf dem Kahlenberge. Wie groß war sein Erstaunen, als ihm der Kammer¬ diener Karl mit seinem verbindlichen Lächeln mittleilte, Baron Jonathan habe eben den Besuch des Pfarrers von Siegling. Ja — auf sein betroffenes Forschen erfuhr er, der hoch¬ würdige Herr pflege seit einer Woche fast täglich um diese Siunde vorzusprechen. (Fortsetzung folgt.) ,P Ktikstilste» der iteiMrtion. (v. E., Lemberg. Besten Dank. S. Schw., Friedland. Besten Dank für Ihre Zuschrift. Wir haocir das auch bemerkt. Leider nicht zu eorrigieren. Feldrn., Washentz. Antwort brieflich. Iiidischnationale Turner, Berlin. Herzlichsten Dank und Grüße. Berr Zion, Berlin. Sehr gut, aber nicht für die Zeitung, sondern mehr für den Vortrag geeignet. Qlmiitzer Freunde. Herzlichen Dank und Gruß. L. Wareuh ... Bochum. Dem Aetionscomit6 übergeben. Zionsverein Nadworna. An das C-ornit6 geleitet. Probst, Lemberg. Wir konnten bis heute nichts Bestimmtes in Erfahrung bringen. Wir haben uns daher nach Eöln gewendet. Näheres brieflich nach Einlangen der Antwort. Akademiker, Prag. Wollen Sie sich an eine der Wiener zionistischen Studentenverbindungen wenden. Wolf Laka. 1. Das gegen die Weine des „Karmel" aus¬ gestreute Gerücht ist eine Lüge. Wenn man der Verleumder habhaft werden wird, so wird man sie unnachsichtig aericktlich verfolgen. 2. Wenden Sie sich an das Bureau des Ziomsten- eongresses Wien, II., Rembrandtstraße 11. Herausgeber: P.Laschemrr. Berantw. Red.: Dr.Sirsrn. Werner. Buchdruckerei «Industrie" (S. Bergmann), vm., Schlöfselg. 11 |