Seite 10 „Die Hc Frankfurt a. M. trat Herr Dr. Hermann Bärwald am 1. d. M. in den Ruhestand. An der zu Ehren dieses hoch¬ verdienten jüdischen Schulmannes veranstalteten Feier nahmen die Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden sowie der jüdischen Gemeinde theil, wobei dem Scheidenden von allen Seiten das höchste Lob gezollt wurde. Das „Philanthropin“ besteht seit dem Jahre 1804 und ist heute unter den Privatinstituten im Deutschen Reiche das be¬ deutendste neben der Realschule der Religionsgesellschaft in Frankfurt a. M. und der Talmud-Thora-Realschule in Hamburg. * In der am 17. d. M, stattgehabten Sitzung der Reprä¬ sentanten der Berliner jüdischen Gemeinde wurde seitens des Syndicus Dr. Minden der Brief einer Institutsvorsteherin zur Verlesung gebracht, der wohl das höchste leistet, was puncto Gewissensbedrückung geleistet werden kann. Darin wurde bei Aufnahme einer jüdischen Schülerin bemerkt, „dass der Geist, der in der Anstalt herrscht und die christliche Beein¬ flussung der Kinder, die nicht ausbleiben kann, den Grund¬ sätzen der Eltern nicht entgegen arbeitet. Um nun einen Zwiespalt zwischen den Kindern und unliebsame Erörte¬ rungen zu vermeiden, nimmt die Instituts Vorsteherin seit einiger Zeit nur Kinder auf, welche von der 9. bis zur 1. Classe auch am christlichen Religions¬ unterricht theilnehmen sollen“. Der Brief an die Eltern des angemeldeten Kindes, schliesst mit den Worten: „Würde das mit Ihren Wünschen übereinstimmen, so werden wir Ihre Kleine eintragen etc.“. + Durch Umfrage bei 148 orthodox-jüdischen Firmen in Frankfurt a. M. wurde constatiert, dass nur 60 sich für theilweise Offenhaltung der Geschäfte am Sonntag aus¬ sprach en, während 80 ihre Zustimmung zu dieser Ausnahme verweigerten. Infolgedessen nahm eine von verschiedenen kaufmännischen und anderen Vereinen durch Landtags- Abgeordneten Sänger einberufene Versammlung eine Resolution an, die sich aus ethischen und hygienischen, aus volkswirtschaftlichen und socialpolitischen Gründen für die völlige Sonntagsruhe, als im Interesse aller Angestellten, wie selbständigen Geschäftsleute liegend, ausspricht. * Unter den Cadetten der amerikanischen Kriegsschule zu Westpoint herrscht seit einiger Zeit eine Animosität gegen einen jüdischen Kameraden, die diesen zwangen, seinen Austritt anzumelden. Da seitens einiger Freunde die Nachricht verbreitet ward, es handle sich um eine schon seit längerem bemerkbare judenfeindliche Strömung, die auch im Officiers- corps der Vereinigten Staaten-Armee platzgegriffen habe, stellte das zu solchen Zwecken seit längerer Zeit in Cincinnati bestehende jüdische „Comite zur Schlichtung religiöser und bürgerlicher Streitfälle“ eine Untersuchung des Aufsehen erregenden Vorfalles an und kam zu dem Resultate, dass es sich eher um eine private Angelegenheit handle. Es erklärten nämlich zwei andere, die Kriegsschule besuchende jüdische Cadetten, dass ihnen von einer juden¬ feindlichen Strömung nichts bekannt sei. Allerdings — so fügt der vorliegende Bericht hinzu — sei diese letzterwähnte Erklärung auf Befehl des Kriegsdepartements veranlasst und ein gewisser Grad von Beeinflussung darin unverkenn¬ bar. Immerhin müsse man die Augen offen halten, damit nicht ein Fall sich wiederhole, wie der vor 40 Jahren, in Betreff eines anderen höheren Officiers jüdischen Glaubens. Um dem aus den Philippinen zurückkehrenden califor- nisehen Regimente, worin sich eine grosse Zahl Juden befand, einen solennen Empfang zu bereiten, war in San Francisco eine Subscription eröffnet worden, deren Resultat ein derartiges gewesen, dass nach Abzug aller Unkosten für die Empfangs¬ feierlichkeiten, Decorationen etc. noch ein Ueberschuss von Weit“ Nr. 40 40.000 Dollars verblieb, der nun eine passende Verwendung zu Gunsten einzelner Freiwilliger finden soll. * Das Heb re w Union College in Cincinnati wählte den als bedeutenden Hebräisten und Arabisten rühmlichst be¬ kannten Dr. phil. H. Malter von der Berliner Hochschule zum ordentlichen Lehrer. * In einem interessanten Artikel über „die Juden in Mexico“ bemerkt der „Boston Herald“, dass sich das jüdische Element seit 12 Jahren sehr vermehrt habe, in allen Arten Unter¬ nehmungen betheiligt sei, sogar an Silber- und Kupferminen, und in geschäftlicher Beziehung nichts zu wünschen übrig lasse. Handelt es sich um Wohlthätigkeitsacte, dann betheiligen sie sich in fürstlicher Weise und gehen damit Nichtjuden mit gutem Beispiele voran. Nur eines sei auffallend; sie be¬ sitzen keine Synagoge. * In München sandten die AntisemitenWenggund Genossen eine lange Huldigungsadresse an Drumont. ❖ Der russische Senat hob eine Verfügung des Gouver¬ neurs von B a 11 a auf; der die Genehmigung zur Gründung eines jüdischen Unterstützungsvereines verweigerte, „weil diese Institution nur Juden zugute komme.“ * Das jüdische Krankenhaus in Berlin erhielt vor einiger Zeit von einem Herrn Hugo Deutsch eine Zu¬ wendung von 6000 Mark mit der Bestimmung, dass die Zinsen zur Deckung derjenigen Mehrkosten dienen, die aus der Verpflegung nicht jüdischer im jüdischen Spitale aufgenommener Kranker entstehen. Im Saale des Repräsentanten-Collegiums herrscht oh dieser eigenthüm- lichen Zuwendung allgemeine Verblüffung. Ueber die An¬ nahme oder Ablehnung soll in geheimer Sitzung ent¬ schieden werden. * In Nicolajew, wo, wie bekannt, in jüngster Zeit Un¬ ruhen die jüdische Bevölkerung in Aufregung versetzten, ereignete sich der Fall, dass der im dortigen Hospital den Chefarzt vertretende jüdische Arzt von einem Unterarzt mit dem Messer bedroht wurde. Der Verwaltungsrath hatte kurz vorher die Forderung, dem jüdischen Arzte die Ver¬ tretung seines Vorgesetzten zu entziehen, sowie überhaupt keine jüdischen Aerzte mehr für das Hospital zu engagieren, rundweg abgelehnt. * Die „Freie Vereinigung für die Interessen des ortho¬ doxen Judenthums“ in Frankfurt a. M. gewährte im ab¬ gelaufenen Jahre 52 Unterstützungen mit insgesammt 8295 Mark an unbemittelte orthodoxe Gemeinden, Stipendien, rituelle Beköstigung etc. etc. Dem Vereine fielen im ab¬ gelaufenen Jahre bedeutende Legate zu. Bekanntlich ist auch in Wien jüngst ein gleichartiger Verein ins Leben gerufen worden. Das russische Ministerium für Volksaufklärung hat bestimmt, dass die im März d. J. von der Kiew er Universität ausgeschiedenen Studenten mosaischer Confession, welche später wegen des festgesetzten Maximal¬ satzes von zehn Percent nicht wieder aufgenommen werden konnten, jetzt, unbeschadet dieser Festsetzung doch wieder aufgenommen werden sollen. Es betrifft dies etwa 200 jüdische Studenten. — Dieser Toleranzact der russischen Regierung ist nicht genug hoch anzuschlagen. Für das Oberrabbinat in Strassburg (Eisass) ist an Stelle des verstorbenen Dr. Weigl der jetzige Oberrabbiner von Metz, Dr. Ury in Aussicht genommen. In Mül- |