I 2 Stimmen vom anderen Ufer. Zwischen Logik und Nationalgefühl. ; Von Dr. Michiael Müller - ClaudiuS. Es ist ein Grundgesetz der Maffenpsychologie, daß eine Idee nur dann eine massenpsychologisch wirksame Bewegung aus sich entlassen kann, wenn sie durch einen Affekt gleich¬ sam geheizt» wenn sie irgendwie mit Leidenschaft gjeladen worden ist. ' ' * Ideen. Gründe. Tenkprozesse zünden nicht. Sie werben nur bei einer dünnen Jntelligenzschicht. deren Merkmal eben zu allen Zeiten dies ist. daß sie. nur einen ganz schwachen Kontakt mit der Volksmasse zu unterhalten vermag. Werbekraft erhallen Ideen erst, wenn sie in Leidenschaften cingeschmolzen werden, die ihnen dann freilich eine unwider¬ stehliche motorische Kraft, eine unausweichlich durchdringende suggestive Gewalt verleihen können. Der Antisemitismus ist so. masienpsychologisch gesehen, nicht nur ein Haß, ein stehender, in fest bestimmbaren, beichrcib- baren. sichtbaren Gründen verankerter Haß, sondern ein Hassen, eine Tätigkeit, die unermüdlich'schöpferisch am Werk ist, Gründe. Symbole und Wege zu gestalten, zu foritzen — zu schaffen nach eigenen Gesetzen. Ter Abwehrkampf gegen den Antisemitismus hat dem¬ gemäß zum Ziel den Nachweis, daß die Rechtsgrünoe, die jener Haß aus immer neuen Quellen heraufholt, nicht stich- ' haltig seien, daß also das so oder so- aufgebaute Systöm des Antisemitismus ein Kartenhaus, sei. . i i Allein solange die Tinge so liegen', wie sie heu« noch unzweifelhaft liegen: solange der Hpß nicht aus dem System des Antisemitismus stießt, sondern Umgekehrt das System aus dem Haß herauskristallisiert wird, wird jener Kampf uin die Rechlsgründe immer wieder ohne Erfolg sein. Die einfache Anwendung des oben angeführten maffenpsychologischen Grund- gesetzes zeigt, daß es nur die schmale, denkgewohnte Hntelli- genzschicht erfaßen wird — nie die Maße. Mit Gründen kann keine Leidenschaft .überzeugt" werden. Aus Gründen gehen keine Leidenschaften hervor, in Gründen gehen keine Leidenschaften unter, sondern: Leidenschaften prägeip sich ihre Gründe. Nicht das Denken, sondern der Affekt ist der Urbesitz des Menschen und der Urvater seiner Handlungen. Das Denken ist noch zu jung, um Maßen zu erregen, zu einen und zu be¬ wegen. Im Urbesitz der Affekte fühlen Maffen sich gleich, gleichgerichtet und gleichverpstichtet. Deshalb ist cs nötig, daß den aufklärenden Erörterungen über die Rechtsgründe des Antisemitismus, den Betrachtungen über seine Tragbarkeit vor dem Forum der Ethik und der Humanität eine andere zur Seite tritt, eine ins Elementare hcrabreichende Problemstellung: die nach dem biologischen Wert — oder der biologischen Gefahr des Antisemitismus für das deutsche Nationalbewußtsein. Hierbei handelt es sich ersichtlich nicht nur um Erörte¬ rungen. die sich an das Denken, an das Werten, mr das Meinen und diese- oder jene Stellungnahme zum Juden und - zur jüdischen Frage wenden, sondern die an das Zentrum jedes nationalen Handelns rühren: die Selbsterhaltung des Volkes und die Starkhaltung des deutschen Nationalgefühls, das selber eine überaus bedeutsame Kraftquelle ist. In meinem Buche „Deutsche R a s s e n an g st/ *) betrachte ich als Nichtjude, den Antisemitismus demgemäß überhaupt nicht als jüdische, sondern lediglich als deutsche Frage mit dem Ergebnis, daß der Antisemitismus eine deutsche Gefahr ist, dia am Körper Deutschlands brennt. Eine elementare biologische Gefahr, weil er sene-Kraftquelle des gesundströmenden und Energien fördernden deutschen Nationalbewußtseins zu trüben droht. Nicht der Jude ist eine deutsche Gefahr — aber der Anti¬ semitismus ist eine Gefahr an den Wurzeln sieD Deutschtums. Ich habe den Nachweis dafür an einer kleinen Sammlung von Beispielen in der genannten Schrift geführt. Wie nötig der Ruf wider die deutsch? Raffenangst gewesen ist. zeigt ein Artikel won O. v. Schilling in der „ D e u t!s ch e n *) Berlin 1927, Verlag Schwetschke und Sohn. Siehe die Be¬ sprechung in Xr, 4 6 des Mitteilungsblattes. Die Schriftleituug. Zeitung", der unter der Ueberschrift „Zion oder Kreml?" sich mit dem Bekenntnis des national- deutschen Judentums auseinandersetzt. Auf den Be- kenntnissatz: „Nicht rückwärts zum Ghetto, sondern vorwärts zum Deutschtum! Das muß der Weg aller deutschen Juden sein, denen das deutsche Vaterland nicht ein leerer Be- griff, sondern ein heißes Herzensempfinden ist" antwortet O. v. S ch i l l i n g: „Auf das Gefühl mag dieser Notschrei.... wirken, der Verstmtd schüttelt kühl abweisend das Haupt." Betrachten wir die Gründe, aus denen heraus der Verstand in jenem Artikel zu seiner kühlen Abweisung gelangt. — Zunächst: „Es handelt sich bei uns keineswegs darum, ob wir wieder Ghetti errichten sollen, sondern um die dringende Gefahr, daß wir selbst zu einer jüdischen Diktatur wie in Räterußland gelangen. Der Kampf der deutschen Judengegner besteht in erzwungener Abwehr, richtiger gesagt in verzweifelter Notwehr gegen ein übermächtig gewordenes Judentum, nicht aber in dem Versuch. „Deutsche jüdischen Glaubens" zu vergewaltigen." Die Gefahr dieses übermächtig gewordenen Judentums , wird dann konkret bezeichnet: „Um nicht in den Verdacht zu kommen, daß wir Raffenhatz predigen, wollen wir auf alle Werturteile verzichten. Genügt es doch vollständig, zu er¬ klären, daß wir nicht v e r j u d e n wollen. Das Warum ist an und für sich gleichgültig. Die Verjudung ist jedoch bereits vielfach so weit vorgeschritten, daß von deutschem Wesen kaum noch die Rede sein kann, und bei dem Kampfe dagegen darf unter gar keinen Umständen Rück¬ sicht auf einzelne ehrenwerte Juden genommen werden . . . . Entscheidend aber ist, daß nach unserer Ueberzeugung die jüdische Gesamtheit an unserem Unglück schwere, wenn nicht alleinige Schuld trifft. Weshalb ist der ehrbare Kaufmann in den Hintergrund gedrängt? Wo ist unsere deutsche Preffe, unsere deutsche Kunst und Wisienschaft geblieben? Wie schaut unsere Rechtspflege aus und wie unser gesamtes Staatsleben?" ' 3. Dies also sind die Gründe und Urteile des kühl abweisenden Verstandes. Legen wir diese Verstandessätze auf die unerbittliche Wage der biologischen Prüfung. Erinnern wir uns: auf je hundert Stammesdeutsche koinmt kaum ein Jude in deutschen Landen. Mit verhundertfachter Gewalt steht der „deutsche Wille" dem „jüdischen Willen" gegen¬ über. Mp welcher Gelassenheit muß dieser hundertfache deutsche Wille, gesund, bewährt, schöpferisch, in unzählbaren Prüfungen seiner Geschichte nicht gebeugt, sondern gestählt, bereichert und entfaltet, wie es sich für jeden biologisch gesunden Willen ziemt — mit welcher Gelassenheit muß dieser hundertfache Wille dem „jüdischen Willen" gegenüberstehenI Allein was lesen wir in der Klage, die wir oben anführten? Der hundertfache deutsche Wille befindet sich in verzweifelter Not¬ wehr. Er hat so wenig naturhafte Widerstandskraft, daß er die Diktatur der Juden fürchtet. Nicht der hundertfache Wille deutscht den einen Juden ein — sondern der Eine bricht den Willen der Hundert.Der Deutsche verjudet, und dieser Unterwersungsprozeß einer hundertfachen Ueber» macht ist soweit gediehen, daß „von deutschem Wesen kaum noch die Rede sein kann.".Kaufmann, Presse, Kunst, Wissenschaft, Rechtspflege, Staatsleben der stammes¬ deutschen hundertfachen Schaffenskraft sieht O. v. S ch i l l i n g . von dem einen Hundertstel der deutschen Juden verwandelt, der eigenen Art entfremdet und entrissen. Folgt der Biologe dieser Diagnose O. v. Schillings, so mutz- er vor den Gesetzen der Natur selber diesem Deutschtum jede Hoffnung — und jedes Recht auf Leben ab- sprechen. Arten. Volkstümer, so brüchig, so willensschwach, so wenig aus den Elementen des Sieges gebildet, so widerstands¬ unfähig. so leicht zur Entartung zu zwingen und so ärm an > produktiven Schutzenergien sind im Haushalt der physischen wie der seelischen Natur zum Aufgebrauchtwerden, zum Ver¬ gehen bestimfnt. „Nur die stärkere Energie soll leben" ist die Forderung der Natur, die Forderung, der kein Mensch, kein Stamm, kein Volk entrinnt. i |