Die IudenLrage im MM. Nnterhause. DaS doppelte Interesse, mit welchem der israelitische Un- gar de» verhandlnuge» deS Landtages folgt, ist bisher in reichem Maße befriedigt worden. Aus ganzer Seele fühlt er mit den edle» Stolz, der dir Brust jedes getreuen Sohnes dieses BaterlanvrS er- füllt, bei ver Wahrnehmung solch hohen BürgerfinneS und begeisterter BaterlaudSliebe, bei dem Anhören dieser mächtigen und glühenden Worte, zugleich io voll tiefer Kenntniß und staatSmännischer Einsicht, bei dem Genüsse solch »goldener Früchte in silbernen Schalen ge- boten." — Gleichzeitig durchstrSmt den Israeliten daS erquickende Bewußtsein, daß sein Recht nicht verwaist ist, daß eS Fürsprecher und Kämpfer findet; und soweit der bisherige, nicht meritorische Eha- rakter der Debatte Muthmaßungen anzuknüpfen gestattet, sieht er fich zur freudigen^Hossnung ermächtigt, baß dieses Recht auch Aner- keunung und Geltung finken werke. — Der, nach unserer Auffassung unzweideutige, Hinweis des gefeierten Antragstellers auf die Nothwendi- gung ter Gleichberechtigung hat nicht nur keinen Widerspruch ersah- ren, sondern es haben hervorragenre Männer und Mitglieder des Unterhauses ihre Hulrigung deS Principes lebhaft und beredt kund- gegeben und mehrere, die in diesen Blättern bereit- genannt, und denen noch Baron Fr. Podmaniczky anzureiben, eine noch klarere Fassung beantragt und ausdrückliche Erwähnung der Israeliten gefordert. Es ist noch selten e i n Plaivoyer für die Judenemancipation in irgend einer gesetzgebenden Versammlung gesprochen worden, mit dem der jüdische Leser oder Hörer ganz und vollkommen rinver- stanken gewesen wäre. Das Eingehen auf die Anklagen und theilweise Zugestrhen derselben und die Nothwendigkeit der Rechtfertigung da- gegen thut demjenigen wehe, der sich, nicht für fehlerfrei aber für nicht besser und nicht schlechter hält als die Mehrheit seiner Mitbürger, und fich doch stets mit ganz apartem Maßstabe gemessen, als gleich- sam im AuSnahmszustance befindlich sich beurtheilt sieht. Es thut wehe auf der Anglagebank immerfort fich zu besinden und daS günstige Berdict im besten Falle dem Ueberwiegen der Milderungsgrüude zu verdanken. ״Trotz meiner Stiefkindschaft ist meine Liebe zur ״Mutter — dem Vaterlande — nicht geringer als die so vieler echten ״und rechten Kinder; meine Jsolirtheit und mein Separatismus, in ״aller angeblichen Schroffheit, machte mich niemals undankbar und ״pflichtvergessen gegen daS Vaterland, ließ meine Blicke niemals ״außerhalb desselben Herumschweifen und mein Heil und meine Stütze ״anderswo suchen; und sicher und fest wahrlich könnte jedes staatliche ״Gemeinwesen sich nennen, wo keine anderen heterogenen Elemente ״Gefahr drohen als der sogenannte ״Staat im Staate', den die Juden ״in den verschiedenen Ländern bilden sollen!" So ungefähr würde der Jude manchem Kläger und manchem Bertheidiger zurufen und könnte noch manches Wort hinzufügen, das er zurückhält, well er'S schwer findet ״die Worte klüglich so zu fügen, daß sie daS Herz bewegen und nicht verletzen." — Wollen wir jedoch gerecht sein, so müssen wir daS Unbehagen über manche Vertheidigung und Fürsprache unter- drücken, müssen die Nothwendigkeü anerkennen selbst gewisse unS un- liebsame Motive geltend zu machen, weil durch diese, und oft gerade nur dadurch, das erwünschte Resultat erzielt wird, und.müssen endlich auch der Menschennatur billige Rechnung tragen. Nur Wenige nämlich und in den allerseltestrn Fällen, find — bei aller Bereitwilligkeit verübtes Unrecht gut zu machen und dem Rechte den Tribut zu zollen — zu dem Gestänrniß geneigt, daß sie um nichts und ohne Grund unrecht gehandelt. Die Rechtfertigung vor fich selber thut dem Men- schenherzen noth, und gerne täuscht es fich mit der Behauptung, kaß der Verkürzte und Znrückgesetzte doch auch genügenden Grund dazu gegeben. Das hier Gesagte findet zum Theil auch Anwendung auf Viele-, was seit Jahren die ungarische Presse und Tribüne zu unseren Gunsten zu Tage gefördert. Nicht Alles und Jedes würde der Jsrae- lite selber unterschreiben, ja er müßte gegen'so manches Einsprache thun. Doch kommt auch hier die obige Erklärung zur Geltung und muß insbesondere, rückfichtlich der jüngsten Zeit der Umstand in Betracht gezogen jverden, daß die Jukenfrage den Anlaß zu gehässigen Angriffen auf Ungarn und seine Wortführer geboten, und zwar von Gegnern, denen es mehr um den Angriff als um die Juden zu thun gewesen. ES sei dem aber wie immer, wir «ollen uns nicht verkümmern die Befriedigung ob deS Geiste-, der sich kund gibt, und dankbar anerkennen die edle» Absichten und Gesinnungen, die bezüglich unserer Gleichstellung laut geworden. Janigst erfreut und wahrhaft überrascht zumal fühlen wir unS, und mit uns gewiß nnsere Leser über da» par- lamentarische Auftreten de» jüngsten Wortführer- für die Gleichstellung deS Israeliten, deS jüngsten im Alter, aber gewichtigen n»d her- vorragenden durch Namen und Charakter und durch die Art »nv Weise seine- Auftretens, — des edlen Grafen Bola Szechenyi. ') ״Der ältere Sohn unseres verklärten Genius hat im Unterhaus» ״eine dem Andenken seines Vater- würdige Stellung eingenommen... ״und nicht nur sein gemessener, fließender, bündig motivirter Borttag ״erregtt allgemeine Aufmerksamkeit, sondern auch jene seltene Eigen- ״schast, daß weder seine Ausdrücke, noch sein Gedankengang und die ״Wahl seines Thema's das Haschen nach Popularität verriethrn, sou- ״der» allein den Sieg der Wahrheit im Auge hatten." — So sagt ein bekannter Gegner der Emaucipatiou, de« denn doch hier unwillkürlich da» Bekenntniß entschlüpft, daß in ver Emancipation ein Sieg der Wahrheit liege; — gerne unterschreibe« wir diese Worte und auch noch jene Bemerkung, die er freilich nicht ohne hämischen Beigeschmack anschließt: ״daß der junge Graf vermöge seiner socialen und materiellen Stellung über jedem Verdachte steht, als könnte ihn ein anderes Interesse als die Eingebung seines Her- zens zu seinem Auftreten bewogen haben." Wir müssen aber mehr sagen; für uns war das Auftreten de- Grafen Szechenyi ein E r e i g n i ß. Zeigten die in eben angeführten Worten erwähnten Vorzüge seiner Rede den würdigen Sprößling jenes Unvergeßlichen, der nie für Utopien gestritten, sondern nur ffir das was er al» praktisch heilsam und wahrhaft ersprießlich für sein Vaterland er- kaunt; so werden wir noch besonder- wohlthuend angemuthet von dem Dufte reiner Menschenliebe und von der Milde des jede- Unrecht verabscheuenden Gemüthes, die seine Worte durchwehten. Nicht wie um einer unliebsamen Frage einmal los zu werden, oder um der Nöthigung der eigenen Antecedentien zu genügen, erhob Gr. Sz. vaS Wort, sondern durchdrungen von heiligem Ernst für Wahrheit und Humanität. Sein gerechter Sinn verlangt Recht nicht Gnade für die Israeliten; die klare Einsicht des jugendlichen Redner» konnte manchen greisen Doktrinär in vielen Kammern beschämen mit der Bemerkuüg. daß die Messiashoffnung den Juden nicht abhalten werde, bi» zu ihrer Erfüllung rin treuer Bürger seine- Vaterlan- de- zu sein und daß der Nichtgenuß dieser und jener Speise keinen Grund zur Ausschließung vom Recht« abgebe. Wir glauben nicht unbescheiden zu sein, wenn wir im Namen der Hunderttausende ungarischer Israeliten dem. Herrn Grafen den Tribut de» tiefgefühltesten Danke- und der innigsten Verehrung dar- bringen. — Neben den Namen die wir seit lange schon oder seit den letzten Monaten unverlöschlich in die Tafeln unserer dankbaren Herzen eingegraben haben, werden wir nun noch einen glänzenden einzeichnen — den Namen Dela Szechenyi. — Wir lassen dessen Rede, so weit sie die Judenfrage berührt, so wie die eben darauf bezüglichen Worte de- Freiherr« Friedrich v. Podmaniczky am Schluffe folgen, und wollen vorher noch eine Bemerkung anfügen. Manch bewährten Kämpen für unser Recht sehen wir mit Schmerz aus den Reihen der Gesetzgeber gerissen. Konnte unS ein Trost hiefür zu Theil werden, so ist es das Auftauchen neuer Heller Sterne am politischen Horizonte, die ihr Licht in die Dunkelheit unserer bisherigen Stellung senden, der Anblick von Männem, die, verschieden in ihrem religiösen Bekenntniß, abweichend in politi- scheu Meinungen und Anschauungen, doch eins sind in dem Stre- den und Kampfe für Recht und G e r e ch t i g k e ft. Und darum, wie auch die Geschicke sich" wenden, wie auch in unserer eigenen Mitte die Bestrebungen und Anschauungen auseinandergehen, wir werden als wahrhafte und echte Israeliten auch ein» sein und bleiben in der Liebe und Treue zum Vaterlande. Dr. 8b. '1 Graf B «la Szechenyi (8«rv»r Fel«6 Vidiki), dessen Portrait unser heutige« Biatt bringt. Ist am 3. Februar 1837 geboren. Lr besuchte die Universitäten zu Wien, Bonn und Berlin (1855—57) und sitzt im Uaterhause al« Abgeordneter von Nyek im Oedenburger Lomitate. — |