DER AUFSTIEG EINE JUDISCHE ZEITSCHRIFT I. BAND, XI. HEFT THAMMUS 5692 (JULI 1932) BERLIN-WIEN WEITER GILT: DIE GOTTLOSEN UND DIE HULIGANS ÜBER UNS! DAMIT IST UNSERE JETZIGE SITUATION AM BESTEN UMSCHRIEBEN. ZU IHR SPRECHEN IM VORLIEGENDEN HEFTE DIE ARTIKEL „GÖTZENDIENST' UND „DIE VERFOLGUNG DER JÜDISCHEN RELIGION IN SOWJET-RUSSLAND', SOWIE DIE MEHRZAHL DER „BE¬ MERKUNGEN". GÖTZENDIENST. Von URIEL BIRNBAUM. Zu den bedrohlichsten Erscheinungen des heutigen jüdischen Daseins ge¬ hört die seltsame Verschiebung der religiösen Stellung des Judentums. In den Augen der nichtjüdischen Mitwelt ist das alte geläufige Bild des trotz aller Verfolgungen zähe an seinem Gott festhaltenden Juden bereits gänzlich ersetzt worden durch das Bild des Juden als eines Gotteslästerers, Gottesleugners, Gottesfeindes. Das jüdische Volk, bis vor kurzem noch Schulbeispiel uner¬ schütterlicher Frömmigkeit, ist heute in der Weltmeinung ein Muster, geprie¬ senes oder geschmähtes, völligen Unglaubens geworden Immer mehr setzt sich s in der Umwelt die Auffassung fest, das jüdische Volk sei das ungläubigste aller Völker. Diese erschütternde Einschätzung des Judentums muss natürlich einen Grund haben, und die jüdischen Frommen täten sich allzuleicht, wenn sie einfach über diesen Irrtum die Achseln zuckten. Dass gerade jenes Volk, das als erstes Gott der Welt verkündete, in den Ruf der reinsten Gottlosigkeit gelangt ist, birgt soviel Tragik, dass die Ursachen dieses, ob nun falschen oder richtigen, Rufes sicherlich eingehender Betrachtung würdig sind. So entrüstet die gläubige Judenheit begreiflicherweise ihre Gleichstellung mit jenen jüdischen Abtrüningen, von denen aus offenbar auf das ganze jüdische Volk geschlossen wird, ablehnt, so erbittert es darauf hinweisen wird, dass immer noch der zentrale Block der Judenschaft gottgläubig sei und gesetzestreu lebe, — so sind doch zweifellos gerade diese, die frommen Juden für das Ent¬ stehen jener Allerweltsmeinung von den Juden verantwortlich. Denn auch die in jüdischen Belangen nicht sehr bewanderte Umwelt würbe ein scharf als Ausnahme, als entjüdischte Abfallsbewegung kenntliches, nur der Geburt nach lüdisches Gottlosentumm in seiner Renegatenhaftigkeit erkennen und nicht die Gesamtjudenheit dafür verantwortlich machen. Tatsache ist aber, und darin liegt die Gefahr, dass der Aussenstehende einen wirklichen tiefgreifenden geistigen Unterschied zwischen jüdischen Gottgläubigen und jüdischen Gottlosen gar nicht zu sehen vermag. Daran ist natürlich großenteils die Fremdartigkeit jüdischen Denkens, jüdischer Frömmigkeit, jüdischen Brauchtums schuld ; sie verwehrt Nichtjuden in •-. - - » 267 . ------, . « |