EINE JÜDISCHE ZEITSCHRIFT I. BAND, XII HEFT KISLEW 5693 (DEZ. 1932) BERLIN-WIEN DIE VORLIEGENDE NUMMER IST DIE LETZTE DES ERSTEN BANDES UNSERER ZEITSCHRIFT. WIR ERBIT¬ TEN DAS INTERESSE UNSERER LESER AUCH FÜR DEN ZWEITEN BAND. UNSERE AUFGABE IST NICHT LEICHT. WIR STEHEN IN SCHWEREM KAMPFE, EBENSO MIT DER HERRSCHENDEN GESINNUNGS-BEQUEMLICHKEIT WIE MIT DER UNGUNST DER ÖKONOMISCHEN VER¬ HÄLTNISSE. IMHIN WEIS AUF DIE LETZTEREN ERSUCHEN WIR UM BALDIGE ERNEUERUNG DER ABONNEMENTS UND UM WERBUNG NEUER ABONNENTEN. REDAKTION „DER AUFSTIEG" UND VERLAG „AULIM". KEIN GRUND ZUR ZUFRIEDENHEIT. Eioer der Väter der neu zeitlichen Arbeiterbewegung hat das Wort von der verdammten Genügsamkeit geprägt und dabei hauptsächlich an Anspruchslosigkeit in materiellen Dingen gedacht. Diese verdient aber viel mehr dann gegeisselt zu werden, wenn sie sich auf Summe und Rang des im Seelischen und Geistigen Erreichten bezieht. Es ist sicher lobens¬ wert und von Vorteil, auch in den Zeiten der Entartung einer Kultur an die Grösse ihres Grundwesens und an di Möglichkeit ihres neuen Emporkommens zu glauben. Aber es ist ein Unfug und durchaus verder¬ blich, sich Erfolge und günstige Situationen, die nicht da sind, einzureden. Gerade das aber ist es, was wir Orthodoxen uns zum Vorwurf machen müssen. Ja. es kann für uns derzeit nichts Wichtigeres geben, als uns dies immer wieder und immer ausführlicher vorzuhalten. Es ist eine recht verbreitete Gepflogenheit worden, sich nicht weiter darüber aufzuregen, dass die Zahl der Ueberlieterungstreuen auf einen minimalen Bruchteil der jüdischen Gesamtzahl herabgesunken ist oder — wie bei den Ostjuden — demnächst herabgesunken sein wird. Allein, selbst wenn darin wirklich noch kein Grund zur Beunruhigung läge, — gegenüber der Tendenz, mit der sich die Dinge weiter entwickeln, sollte Gleichgültigkeit unmöglich sein. Wie kann man noch Optimismus predigen, wenn die Kinder frommer Eltern in wachsender Zahl ins Reich des 291 |