Literaturblatt der Jüdischen Rundschau Beilage zu ״Jüdische Rundschau“ jahrg.XU. No. 19 her&usgcgeben von פ r. Heinrich £oeve. Q Redaktion; BERLI N N. W. 52, Melanchthonstrasse 4 . No. 9 Berlin, 27. Jjjär 5667 — 10. Mai 1907 Iil Jahrg. Otto Flügel: Religionsphilosophie nach Chr. A. Thilo, Langensalze: Hermann Berger & Söhne. 1906. Bespräche n von Dr. Max J osep h. (Schluss.) Anders freilich steht es um die Frage, ob Spinozas Philosophie, wie er selbst meinte, das religiöse und ethische Bedürfnis des Menschen befriedige und also einen vollkommenen oder gar vollkornmneren Ersatz der positiven Religion darstelle. Diese Frage ist unseres Erachtens ganz entschieden zu verneinen. Darin stimmen wir, wenn auch nicht immer aus den gleichen Gründen, mit dern Verfasser überein. Das religiöse Bedürfnis verlangt nach Erhebung des Menschen über die Schranken der Endlichkeit. Gerade die innere Gebundenheit des Menschen, seine Einordnung in den eisernen Naturzusammenhang und die sich daraus ergebenden Kollisionen mit dem Befriedigung heischenden Willen, gerade sie bilden den Quellenpunkt alles religiösen Bedürfnisses. Nun kommt Spinoza und lehrt, dass alle Dinge genau so, wie sie sind, mit Notwendigkeit aus der Natur Gottes folgen, dass Gott weder Liebe noch Hass gegen den Menschen empfindet, also im Grunde um sein Schicksal unbekümmert ist, dass der Mensch durch, das Streben nach wahrer Erkenntnis seine .Liebe zu Gott betätigen soll, ohne zu verlangen, dass er von Gott wieder geliebt werde! Das klingt wohl sehr erhaben und, da Spinozas Empfinden dem zweifellos entsprach, beweist es auch die Erhabenheit seiner Person. Aber eine Befriedigung des reli- giösen Bedürfnisses wird man darin nicht finden können: es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als eine Entwurzelung der menschlichen Natur. Spinozas ״intellektuelle Liebe zu Gott“, zu einein Gott, der durch die ewige Notwendigkeit seines Wesens selbst gebunden ist und also den Menschen nicht aus seinen Nöten befreien kann, ist ein nur scheinbarer und in jedem Falle recht kümmerlicher Ersatz für das Judentum oder das Christentum, sie kann praktisch nur zur Resignation, aber nicht zur Erhebung führen. Dem Spinoza selber mag seine intellektuelle Liebe zu Gott wohl noch etwas mehr als Resignation, sie mag ihm eine gewisse Gemütsruhe eingebracht haben. Die Befriedigung, die ihm aus seiner- Gottesanschauung zufloss, war nicht nur durch ihre blos theoretische Erhabenheit bedingt, sondern auch durch den hohen Selbstgenuss, den jeder mit Leichtigkeit schaffende |