Literaturblatt der Jüdischen Rundschau zu Q Herausgegeben ft p Redaktion: BERLIN N.W. 52, Beilage zu ״Jüdische Rundschau“ von Dr. Heinrich £oewe. Jahrg. XII. No.27 Melanchthonstrasse 4. No. 11 Berlin, 23. Tammüz 5667 — 5. Juli 1907 ]1 Jahrg. Judentum und protestantische Theologie Die Wissenschaft des Judentums hat sich in der Not des גלות in ׳erster: Richtung immer nach der apol.agetis.chen Seite geäussert. Und das ist sehr bedauerlich. Denn im Wesen der Apologetik liegt es, dass sie sich zwar wissenschaftlicher Mittel bedient, dass sie aber selbst niemals Wissenschaft sein kann, eben weil sie Apologetik ist, d. h. von vornherein weiss, was sie beweisen will. Aber nicht minder befindet sich die protestantische Theologie, wenn sie das •Judentum behandelt, dauernd im Gefühle der Apologie, und so !lässt sie es auf diesem Gebiete an jener wissenschaftlichen Sachlichkeit fehlen, ׳die der sachlichen Wissenschaft eignet. Die christliche Kirche und nicht zum wenigsten in ihr die protestantische Theologie sieht, im Judentume eine unrechtmässige Auflehnung gegen die vermeintlich allein berechtigte Welt- und Geschichtsauffassung und sie fühlt sich dürch die blosse Existenz und Fortdauer des Judentums kritisiert. Daher kommt die christliche Theologie niemals zu einem sachlichen und ruhigen Urteile über die Juden und besonders über das Judentum. Es ist natürlich sehr verschieden im Grade der Gegnerschaft und in der Form der Polemik, wenn ein Antisemit über dlas Judentum spricht und schreibt und wenn ein theologischer Forscher das Judentum zum Gegen- stan.ide seines Nachdenkens macht. Aber der Standpunkt der Gegnerschaft, das Ziel, dem sie Jielde zustreben, ist gemeinsam. Wenn ein Forscher wie Schürer allerlei Kleinigkeiten zusammenhäuft, um darlaus den Schluss zu ziehen״ dass die Bevölkerung von Galiläa eine nur halbsemitische, kaum hebräische Mischbevöilkerung in der Entstehungszeit ׳des Christentums ge- bildet habe, so ist er sich nicht des Trugschlusses bewusst, den jeder un- kritische oder nicht genügend aufmerksame Leser daraus zieht, dass nämlich die heutigen Juden andern Stammes als der Stifter der christlichen Religion seien. Wenn dagegen antisemitische Nachbeter Jesus zu einem Arier, oder wie es ja geschehen ist, zu einem Deutschen machen, so ist das eine historisch so unhaltbar wie das andere, nur der Grad der Entfernung von der geschichtlichen Wahrheit ist ein verschiedener. Aber das wesentliche Moment, das beiden Betrachtungsweisen zu Grunde liegt, ist es, dass sie beide den Hohn der Geschichte empfinden, dass man ein Volk eines Mannes |