Literaturblatt der Jüdischen Rundschau Beilage zu Q ״Jüdische Rundschau‘ Jahrg. Xll. No. 32 Herausgegeben von Dr. Heinrich £oeve. d Redaktion: BERLIN N. W. 52, Melanchthonstrasse 4. No. IZ Berlin, 29. Abh 5667 — 9. August 1907 II Jahrg Morris Rosenfeld Hie Saite der Leier, die so ergreifend klagte um Judas Leid, ist zersprungen; der Mund, der so rührende Worte der Liehe zu seinem unglücklichen. Volke sang, ist verstummt; die matten Augen, die schon längst in dem unbarmherzigen, aufreibenden Kampfe ums kärgliche Brot ihr Licht eingebüsst hatten, sind gebrochen. Ein Grosser ist von uns gegangen . . . Morris Rosenfeld! Unendlich traurig war sein Schicksal, wie das seines heissgeliebten Volkes, mit dem es so eng verkettet war. Ein Leben voller Qual, körperlicher und seelischer, voller Entbehrungen und Not, und doch hat er uns noch gegeben! Aus dem unerschöpflichen Jungbrunnen seiner Poesie schöpfte er immer wieder aufs neue herrliche Gaben für uns; wunderbare Worte, der Liebe und des Trostes rief er uns zu, die manchen von uns im herben Leide wieder aufrichteten. Lieder waren es, deshalb so ergreifend, weil sie mit seinem Herzblute, das ihm für sein Volk nicht zu kostbar war, geschrieben waren. Mit alle 1 ־ Kraft, die in seinem siechen, von grausamer Arbeit ausgeso- genen Körper wohnte, sehnte er für Juda eine glückliche Zukunft im Lande der Väter herbei. Er selbst sollte sie nicht mehr erleben; auf fremder Erde im harten Golus ist er dahingegangen; verlassen und in bitterster Not ist der grosse jüdische Dichter, dem die jung- jüdische Literatur so viel Schönes und Erhabenes zu verdanken hat, gestorben, zu einer Zeit, wo jüdische Millionäre zehntausende dem Bau christlicher Prachtkirchen opfern! Seine letzten Tage ver- brachte er scheu zurückgezogen in dem elendesten Dachstübchen, damit er ״seinem Volke nicht zur Last falle.“ Das war Morris Rosenfeld! Als Mensch uns ein leuchtendes Vorbild und als Dichter wert, mit unvergänglichen, ehernen Lettern in das Buch unserer Grossen eingetragen zu werden. Hans Goslar. |