1885 . M 1 . Jüdisches U»ilt tP§lQt/ Mr ilntf rtjaltung u. §elehrung für -ie igraeliliflhe Jugend, Licht in stürmischer Nacht. Vom sei. Lairdrablriner'Hamburger in Emden. — Judith, oder das Perlenhalsband. Erzählung Crltflrtft* aus dem Russischen von E. P. — Vom Mischen Gottesacker in Berlin. Von Mar Weinberg. — Allerlei für den Familien- ^iUJUil. risch: Naphael Goldftein. — Schwäbischer Humor. — Kleine jüdische Charaktcrzüge. 16. oder der Glaube macht furchtlos. „Habt ihr noch einen Vater, einen Bruder?" Von Dr. I. Goldschmid t-Wcilburg. — Räthsclaufgabcn. — Räthselläsungen. £id)t in stiirmifchcr llnrijt. -Vad) dem Midrasch zu Tehillim 36,14 bearbeitet vom sei. Landrabbiner Hamburger in Emden. Ein Liebt verbreitet schwache» Schimmer Im dunk'lcn Limmcr, Die Llammc bläst ein Windstost fort. Macht finster dort: — Die sich im Dunkeln jetzt befinde», Das Licht wohl zünde», Doch »rängt auf's Ne»' ein Sturm durch's Haus, Loscht'« wieder aus! Als die Versuche, Licht zu dringen, In oft mistlingcn, Weil cs, vom Winde angcwch't, Gar schnell vergeht, Bcschlicstcn, die des Lichtes harrte», Nu» abzuwarte», Bis sic erlöst ans ihrer Noth — Das Morgenroth! „Bleibt nicht bei Sturm die Müh' vergebe», „Nach Licht zu streben? „Kommt erst die Tonn' in ihrer Pracht — „Hört auf die Nacht!" Gar viel der Nächte Juda zählte, Grlcnchtnng fehlte. Gs hat sich stets nur kurze Leit Des Strahls crfren't —: Db Männer auch empor stch raffte», Die iscucr schafften, Erhoben Stürme ihr Gebraus — Das Licht ging ans! Darum so Juda tiefumnachtet, Im Unglück schmachtet, So cs von düst'rer SchrcckenSnoth Sich steht bedroht — Geht nicht auf Menschen sein Vertraue», Um Heil zu schauen —: „Ist doch so flüchtig solche« Licht, „Von Däner nicht. —" Nein! auf )» Gott schwingt stch sein Sehnen» Das A»g' in Thräncn: „O, leuchte D» »nS, Lcbensqnell! „Dann bleibt cs hell". (Pf. 36,14.) Judith, oder das PerleuhalSdand. Erzählung aus dem Russischen von Emilia P.r.*) I. Samuek und Judith. In de,» wichtigsten Stapelplatz des ganzen russischen Handels im schwarzen Meer, dem auf hoher Küste gelegenem Odessa, zu dessen Hafcnplatz eine Treppe von hundert Fuß hinabführt, lebte hochverehrt und zufrieden, im Schvoßc seiner Familie, Samuel Nasaroff. Ausgezeichnet durch seltene Gaben des Geistes und Herzens, ebenso fromm und charakterfest, als liebenswürdig und wohlwollend, genoß dieser Jude, weit über das Weichbild Odcffa's hinaus, den Ruf *) Nachdruck verboten. eines Mannes von Wort, eines Schriftgelehrten und Weisen, der zugleich als Geschäftsmann über jeden Zweifel und Verdacht erhaben war. Seine treffenden Urtheile waren be¬ rühmt, seine bon-vaots begehrt, seine scharfsinnigen Deduc- tionen galten für nnanfechtbar. Da er in seinen Mußestunde» wie fast alle seine frommen Glaubensgenossen, fleißig stndirte und ans alten Büchern lernte, Musik und^Knnst über alles schätzte, so bildete sein Hans zumeist den Sammelplatz aller gebildeten Juden Odcssa's, es wurde ihm gewissermaßen ein Kultus geweiht. Alles nannte ihn „Herr", und huldigte ihm fast wie einem Fürste». Jeden Sonnabend saß er inmitten seiner Familie in dem besten, gediegen, doch immerhin einfach ausgcstattetcn Gemache seines Hauses, um einheimische oder von weither angelangte Gäste , Verwandte oder Freunde zu bewillkommnen. Mit herzgewinnendem Lächeln entbot er Jedem Gruß, für Jeden hatte er ein freundliches und doch gewichtiges Wort, einen Blick aus seinen forschenden, milden Augen. Obgleich seine Geschwister sich schon von der alte», polnisch-russischen Tracht emancipirt hatten, ivar er derselben noch immer treu geblieben, schien doch gleichsam sein ganzes Wesen mit derselben verwachsen, und glaubte er einen Theil seines Selbst mit ihrer Ablegung einbllßen zu müssen. Auch heut, dem Tage, da wir uns mit seiner Persönlichkeit und seinen Lcbensschicksalen zu beschäftigen beginnen, tritt uns seine hohe Gestalt in den typffchen, seidenen Kaftan gehüllt, entgegen, an beiden Schläfen hängen die langen, dunklen Locken herab, und die hohe Denkerstirne ist zum Theil von der üblichen Zvbelmütze bedeckt. Doch der wallende Rock beeinträchtigt in keiner Weise die natürliche Grazie seiner Bewegungen. Eine fast peinliche Sauberkeit kennzeichnet sein ganzes Aeußere, ein jüdischer Edelmann steht er vor uns mit feinen durchgeistigten Zügen, und den edel» Anstand eines Aristokraten. Seine Familie vergöttert ihn fast, sein Weib Rebecca zeigt sich ihm ebenbürtig. Auch sie trug sich zumeist nach alt-polnisch-jüdischer Weise, und schwarze Atlasscheitel lagen ihr platt an den Schläfen. Ihre Züge, obgleich den jüdischen Typus nicht verleugnend, zeigten edle Linien, und ihr großes, dunkles Auge blickte stolz und feuerig, als sie jetzt die eine volle Hand auf ihres Gatten Schulter legend, zu ihm empor blickte. Samuel stand an eineni Fenster des großen Wohngemachcs, schon minutenlang schweigend hinab nach dem Hafen schauend, nach welchem ersteres die freie Aussicht bot. Nun wandte er sein Angesicht fragend seinem Weibe zu. „Du willst also wirklich fortreiscn", sagte dieses, „trotz aller drohenden Kriegsgefahren, Sainucl, mein Väterchen?" „Ich will und ich muß, Rebecca; habe ich nicht Weib und Kinder ztt ernähren; und stehe ich nicht unter dem Schutze des Allmächtigen. Ein Jude ist kein begehrter Kriegsge¬ fangener, es müßte denn sein, daß das Geld, das Gold — „Eben dies beängstigt mich, Saninel", fiel ihm Rebecca erregt >n's Wort, „man weiß, daß Du Juwelenhündlerbist, man wird Schmucksachen oder Gold bei Dir vermuthcn, Geld, Reich- thümer, wie bei jedem Juden, Dich fangen, berauben. Dich —" |