1885 m 1_L Jüdisches t i r K‘§lnt/ 3nr llittrrtfflltung n. Ktlehrung für die israelitische Jugend. Inhalt Tic 'Kutter bcs nolbcncu von Or. I. G o lösch m i dt-Weilburg. — Judith oder das Perlenhalsband. Grznliluna. <Fortsetzung',. — Jüdische Silhouetten aus Galizien. Von Nathan Samuel». XVII. Zwei Denkmiiler. — Allerlei l»r den Familientisch: Weihnacht und Neujahr. — Anfrage. — Aus Ruhland. — Horadno. — Auch eine „Morene". — Uns dem Spruchschah des Talmud. - Räthfcl-Aufgabcu und Räthsel-Löjungcn. Die Mutter des goldne» Kalbes. >Zu Parfchan Poro und sidra Xi Szisso. 1 ) Auf Sc» Sinai Moses war gegangen, Die Gesetzestafeln z« erlangen. Vierzig Tage war er dort geblieben, Und das Volk, von Unrrilic getrieben, Daß dem Moses Nnglüek widerfahre» Sprach zu Ahron in erregte» Schaarcn: „Mach nns einen Gott, der vor uns wandlc, Der, da Moses fort ist, für »ns handle"! Ahro» könnt' nicht widersteh» der Bande, Und so kam das „goldnc .st alb" zu Stande. — Aber Moses kam vom Berg hernieder. Und er sah die stnnvcrwirrtcii Brüder, stühne» Muthcs, ohne viel Nmstände, Macht dem „goldneu stalbc" er ei» Ende. Und der Herr, er sprach daraus z» Mose: Nimm zur Sühne eine fehlerlose „Rothe stnh", die noch kein Joch geduldet, Daß fic trage, was das stald verschuldet! Sic verbrenne, den» des st i n d c s Sünden Durch die Mutter ihre Sühne finden!"- „Goldnes stalb", d» giltst noch heut' nicht minder Als der Gott der meiste» Menschenkinder! Nicht bloß Jude» nehme» Theil am Tanze Dir zur huld'gc», »ei», die Welt, die ganze; Deine Mutter, wie einst i» der Wüste, Ist auch heut' die . . . thier'sche Gier der Lüste, Die stch gerne, jugendroth, ergötzet, Die fich jedem Joche widersctzet. — Wenn ihr wollt das „goldne Kalb" bezwinge», Müßt die Mutter ihr zum Opfer bringen, Muß die Gier, die thierischc, erliegen, Müßt ihr Glich, das eigne Herz, bcfiegen. — Und auch, wie ihr führt den Kamps, den schweren, Kann am besten Glich »och . . . . Moses lehren! l)r. I. Goldfchmidt-Weilburg. Judith, oder das Perlenhalsband. Erzühlung aus dem russisch-jüdischen Leben. Bon Eniilia P.r. (Fortsetzung.) „Nun, lieber Fürst, was bringen Sie?" fragte ihn der Czar huldvoll. „Ich bringe Etwas, in der That, Majestät," lächelte Murawieff, und schon breitete er das herrliche Halsband vor den Augen des Herrschers aus. Czar Nicolaus war entzückt. Er prüfte es init Kenner¬ blicken und ward noch entzückter. ’) Bgl. Rasch! Anfang lkhukaß, IV. Moses lv,22. u. Tanchu ma z. St „Der Preis, Fürst, der Preis, keiner soll mir zu hoch sein, cs iit ein wahres Kabinctstück." „400,000 Rubel, Majestät," lautete die prompt gegebene Antwort. Czar Nicolaus verzog keine Miene. Er ließ sogleich seinen Adjutanten, den Grasen Dolgoruki, zu sich bescheiden, der ihm eine Anweisung über obige Summe aussertigcn mußte, die der Monarch zustimmend-nickend Unterzeichnete und dem Fürsten überreichte. „So lieber Fürst, und nun, wie kommt Ihr zu diesem Schmuck?" „Majestät", stotterte Murawieff, „es ist die» eine delicate Angelegenheit, meine Gattin"- Czar Nicolaus unterbrach ihn mit einer abwehrenden Haudbeweguug. Er hatte wenig Zeit. Die innere und äußere Politik, der Krieg mit der Türkei beschäftigten ihn vollauf. Auch hatte er keinen Grund, Fürst Muralvieff zu beargwöhnen. „Ich verstehe, lieber Fürst. Ehren Sie das Geheimniß Ihrer Geinahlin," sagte lächelnd der Monarch, „verrathen Sie nichts von dem, was Sie aus Zartgefühl und Edeimuth verschweigen wollen. Ich verzichte." Fürst Murawieff wurde duukelroth aus zweierlei Ur¬ sache». Er erröthete aus Scham, da er sich seiner habsüchtig- unedle» Regung bewußt, und wiederum vor Freude, daß die unwillkürliche Bezugnahme auf seine Gattin, den Kaiser auf eine falsche, ihm so günstige Fährte geleitet, jedem Argwohn entrückt hatte. Mit warmen Worten dankte er dein hohen Herrn. „Beruht auf Gegenseitigkeit, lieber Fürst," lehnte der Monarch freundlich ab. In diesem Augenblick meldete der dienstthuende Kammer¬ herr das Nahen der Kaiserin. „Sic kommt, wie gerufen," sagte der Czar. Bei dem Anblick der Perlen brach die Kaiserin in ein Helles, ungekünsteltes Entzücken aus. Grade Perlen liebte sie so sehr und diese übertrafen an Schönheit alle in ihren: Besitz befindlichen. Mit leuchtete» Augen dankte sie ihrem hohen Gemahl und Murawieff. Wenige Minuten später verließ dieser den kaiserlichen Palast. Fast berauscht von dem überaus glücklichen Erfolg, lehnte er sich in die Kissen seines Staatswagens zurück. „Ja, ja, Kascha, das Glück ist uns günstig," murmelte er dabei triumphirend und selbstzuftieden. Die Erhebung der großen Summe war seine unmittel¬ barste That. Verschiedentliche Besuche, darunter einer auf der Polizeipräfectur folgten dieser. Wozu? — — Fürst Murawieff sah ein wenig bleich und angegriffen, selbst finster aus, als er vor seinem Schlosse vorfuhr. Hastig stieg er die Marmortreppeu hinan, eilte in sein Arbeits-Cabinet und schloß sich daselbst ein. Stimmengemurinel und Waffen¬ geklirr schreckten ihn auf. Wie sonderbar, da er doch darauf gelauscht! — Mit finsterer, starrer Entschlossenheit trat er hinaus. Schon kam man ihm entgegen, ein Offizier und einige Mannschaften. Militärisch begrüßte man sich. |