„Alles bereit?" fragte der Fürst. „AllcS, zu Befehl," erklang es eben sa kurz dagegen van dcS jungen Oifiziers Lippen. „Auch der Wagen?" „Wie befahlen ani hintersten Portal." „Noch einmal empfehle ich strengste Geheimhaltung nnd Vermeidung jedes Aufsehens." „Zn Befehl, ich bin infvrmirt." „Gut denn," versetzte der Fürst, und wandte sich links einen, halbdunklcn Corridor zu. Offizier und Mannschaften folgten ihm auf dem Fuge. Endlich machte inan Halt. Fürst Muramieff legte seine Hand auf die messingcrne Klinke einer dunkelgetäfclten Thür. Er klopfte. „Herein!" erklang cs von Innen. Der Fürst winkte dem Offizier, dieser trat einige Schritte zurück, und im nächsten Augenblick standen sich Murawieff und Samuel wieder gegenüber. „Ew. Gnaden habe» mich lange warten lassen", äußerte Samuel mit sanftem Borwurf, doch ernst und würdevoll. „Ich darf wohl hoffen, daß der Schmuck" — „Nichts darf Du hoffen, Spion, Berräthcr, der Du bist!" herrschte ihn der Fürst an, ihm ins Wort fallend. „Rach Sibirien kommst Du, dorthin trage Deine Hoffnungen, wenn Du kannst!" Und sich nach rückwärts wendend, fügte er hinzu. „Hier ist Euer Gefangener, Ihr hörtet ihn selbst nach einem Schmuck, seinem Sündenlvhn, fragen. Nehmt ihn in Eure Milte und thut was Eures Amtes ist. Schnell!" Wie betäubt stand Samuel, aber nur einen Augenblick, dann durchzuckte ihn, wie ei» Lichtblitz die klare Erkenntniß seiner Lage. Er crricth sofort deren Ursache und Zusammen¬ hang, verstand, daß der Fürst ihm den Schmuck unter¬ schlagen hatte. Todcsschrccke» und ohnmächtiger Grimm er¬ faßten ihn, dein, er gedachte der Seinen, erinnerte sich seines hcldcnmüthigen, schönen Lieblings, seiner Judith, die ihm nun nicht zur Seite stand, und die sich fern von ihm, in der Gewißheit seines Unglücks, das ihn betroffen, vielleicht krank und elend grüinen und ängstigen würde. Ein tiefer Seufzer entrang sich bei diesen Gedanken seinen, gequälten Herzen. Aus seinen sanften, großen Augen sandte er einen Blick tieffter Verachtung auf seinen fürstlichen Peiniger und An¬ kläger, und bleich, aber gefaßt trat er dem jungen Offizier entgegen, auf den die hoheitgebietcnde Gestalt, das ruhige Wesen des betrogenen Juden nicht ohne Eindruck blieben. Fast unwillkürlich befahl er, dem Gefangenen keine Fesseln anzulegcn. Murawieff erblaßte, knirschte mit den Zähnen, doch wagte er keine Einrede, keinen Gegenbefehl, Samuel aber sandte ein stilles Gebet zu dem Gotte seiner Väter, flehte ihn um Erbarmen an für sich und die Seinen, und bat ihn inbrünstig, daß er doch seine Unschuld an den Tag bringen, und ihm und seiner Familie Kraft zum Ertragen verleihen niöge. Gehobenen Hauptes schritt er eilig inmitten der Be¬ waffneten hinaus, und so wurde er direkt von Petersburg und dem Palast des Fürsten aus, unter dem Vorwände und der von diesem geschickt durchgeführten Anklage vcs Vcrraths und der Spionage, ohne jede weitere Untersuchung »ach Sibirien transportirt, und zwar nach der kleinen, fernen Festung Urdassymsk. Als die Schritte der Abgehenden verhallten, athmete Murawieff tief auf, doch wie gebannt blieb er noch stehen. Sein Ohr lauschte, nein, jede Fiber seines Körpers lauschte. Da erklang das Rollen eines davonfahrendenWagens; doch ihm erklang es wie das dumpfe Grollen eines zürnenden Gottes, und es war ihm, als rollten ihm Steine lawinenartig auf die breite Brust, und bedrückten sie mit Centnerlast. Er rang „ach Luft, er ermannte sich, verließ das ihn wie mit Geister¬ spuck beängstigende Gemach, und wie mit Flügeln an den Füßen eilte er in sein Arbeitszimmer und geheimes Cabinet zurück. Hastig öffnete er eine kleine Cassctte von Ebenholz und Perlmutterauslegung, feinster Arbeit. Werthpapiere und Gold strotzten ihm daraus entgegen. Fürst Murawieff lächelte. Er ließ die glänzenden Münzen durch seine bebenden Finger gleitcii, und ans dem eichenen Tische dahinrollen, und seine Miene» erheiterte» sich. Ja, sic rollten die goldenen Dinger, ß das rundgeformte Metall, aber in seinem Ohr tönte noch \ ein anderes Rollen immer fort und weiter, und lähmte seine $ Freude von Neuem. „Kascha, Kascha, um Deinetwillen!" seufzte der Fürst I schcher in einen Sessel sinkend, so daß er mit ihm ein Stück l zurückrolltc, „das Glück war uns günstig, doch wie erkauft und wie lange!" — ' Am nächsten Morgen schon befand sich der Fürst bereits i' wieder ans dem Rückwege nach Odessa. 1 _ (Fortsetzung folgt.) f Jüdische Silhouetten aus Galicien. \ Von 9!athan Sainuelli. \. XVII. Zwei Denkmäler. In Krakau war es, >vo ich meinen ruhmreichen Freund ; . aufsuchte — nicht auf dem rcgcii Marktplatze des Lebens, sondern auf dem des Todes. Wahrhaftig auch ein reger Marktplatz! Pompöse Mo- s numcnte von Granit und Marmor erheben sich fast stolz f über die Gräber und ivie auf einer wahren Concnrrenzaus- stellung locken sie mit ihren funkelnden, goldenen Buchstaben I von verschiedenen Seiten den Wanderer zu sich heran: „Hie- J. her Wanderer, hier ruhet der große Mann!" „Hier, hier ist^die wahre Größe zu finden, die Krone des Zeitalters!" i „L-chau doch mal her, Wanderer, da unten findet sich eine ! Perle der Frauen!" Lauter solche Ausgebote, ja, sogar an ! schreiende Auslagsschilden fehlt es nicht, an goldeneil Adlern, ! Löwen und Tauben; gleichsam gemalte Musterpröbchen von dem Inhalte des Grabes. Nein! — unter diesen reklamemachcndcn Monumenten fand ich meinen Freund nicht. Weit abseits erhebt sich ein i sanftes, niedriges Hügelchen, auf deni nichts voii goldenen | Buchstaben zu sehen ist nnd noch weniger von goldenen '■ Löwen oder goldenen Tauben, nur blos ein bescheidenes fast demüthiges Denkmal, so demüthig, daß man zu glauben versucht ist, es wolle sich jeden Augenblick aufs Angesicht werfen — nämlich — ein dünnes, glattgehobeltes Brettchen | und auf diesem fand ich den Namen meines Freundes, aber ^ so schlicht, so kurzweg, nur blos mit den Worten: „Moritz Gvttlieb, selig sein Andenken!" Wer ist dieser Moritz Gottlieb? Was war sein Leben s und Streben? Davon weiß das Denkmal kein Wort zu erzählen — genug, daß das traurige, trübselige Aussehen ,! desselben jedem, der es nur wissen will, erzählt: „Moritz i Gottlieb hat keine Reichthümer zurückgelassen." Haben doch i die wahnwitzigen Menschen den Kastengeist, will sagen den ■ Rassekastengeist über die Gräber hinausgetragen. Läßt einer voll den „Kasten" zurück, dann setzen ihm die dankbaren Erben einen großen, schöneil Marmorstein, malen ihm aus demselben was vor, einen Löwen oder einen Adler und erzählen mit goldenen Lettern, was alles der Verstorbene bei Lebzeiten gewesen. Hinterläßt er hingegen den Kasten leer, dann ; muß er es mit einem kleinen Steinchen,' wenn nicht gar mit so einem plattgehobelten Brettchen vor lieb nehmen und auf eine große Inschrift verzichten, weil ja der Steininetzer für ! jeden Buchstaben Klingendes verlangt. j Die albernen Menschen aber kommen und messen die j Größe des Verstorbenen nach der Größe des Steines und die Anzahl seiner guten Eigenschaften nach der Anzahl der , goldenen Buchstaben, die auf ihm prangen und sie bewundern ; den Marmor und den, der unter ihm liegt — Deit goldenen j Löwen oder die goldene Taube. ! Wer kehrt sich an so ein bescheidenes Hügelchen, wie das, welches ich ausgesucht? Wer würdigt es eines Be¬ suches? Nur die stille Abendsonne fand ich drauf, die all¬ abendlich wie eine liebevolle Mutter sich auf das kleine Hügelchen nicdersenkt, es mit ihren zarten Fäden umspinnt . und da legt sich ein Stückchen Sonncngold auch auf das dünne Brettchen, jenes armselige Grabmal, das in diesem |