^ ■' ' WW-2^ Seite 660. Israelitische Wochenschrift. Nr. 46 i Artigkeit. Ueberdies fand sie es reizend, daß man zu ihr so verbindlich sprach. Zum erstenmal erwachte in dem Kinde eine gewisse Koketterie, die später ihr und anderen sehr - böse Streiche spielen sollte; ihre Wangen röteten sich, sie blickte mit schelmischem Lächeln zu dem jungen Grafen auf und sagte: „Es wird dir wohl nicht so ernst sein mit dem werten Namen." „D doch", versicherte Alfred. „Ich heiße Posthuma Stahl." „Posthuma! Ein merkwürdiger Name! Ich habe ihn noch niemals gehört." „Das glaube ich wohl. Mein Onkel Doktor sagt, in dem Flamen läge mein ganzes Malheur. Posthuma heißt eine Nachgeborene." Und bitter seufzte sie hinzu: „Ich bin eben zu allem Glück in der Welt zu spät gekommen!" Die Augen des jungen Grafen sahen gutherzig auf das verzweifelte, kleine Mädel. Ahnte die edle reine Seele des Knaben den großen Schmerz, an dem das vaterlose Kind da litt? „Du mußt dich nicht so grämen", sagte er tröstend. „Vielleicht wäre dir gefällig, einmal mit in unseren Park zu kommen?" Er hatte sein Hütchen abgenommen und bot ihr mit einer Verneigung die Hand — von Kopf bis Füßen ein Kavalier. Posthuma war bezaubert, aber sie wußte auch, was sie sich schuldig war: „Wenn ich nicht störe." „Durchaus nicht", beteuerte Alfred, „meine Eltern sind verreist, nach Paris; mein Bruder Adalbert ist in Liegnitz auf der Ritterakademie, mein Präzeptor ist nach Grünberg gefahren. Ich bin mit der Dienerschaft ganz allein im Schloß. Darf ich bitten?" „Wenn du erlaubst", knirste Postel und ergriff freude¬ strahlend die Hand des neuen Freundes. Der Park der Lautenburg! Posthuma dachte bald mit Geringschätzung an die „bäuerlichen" Vergnügungen ihrer An¬ gehörigen auf der Kirmes. Was war der staubbedeckte, sonnige, nach allerlei Garküchen-Gerüchen mißduftende Markt von Neu¬ salz gegen die reine Luft, den samtweichen Rasen, auf dem die Sonne einen goldenen Ringelreigen tanzte, gegen diese ur¬ alten, wie Postel meinte, turmhohön Bäume, die mit höchster Kunst und vollendetem Geschmack gepflegten Beete, auf denen Blumen blühten von so seltsamer Farbenpracht, wie sie Postel nie gesehen. Und wenn aus dem grünen Dunkel der vielver¬ schlungenen Pfade eine marmorne Göttergestalt auftauchte, mußte sie sich beide Hände auf den Mund drücken, um nicht gegen allen gräflichen Respekt laut aufzuschreien vor Entzücken. Postel kannte sie recht gut, diese Wunderbilder von Hellas: hier eine Artemis und dort eine Demeter, dann Zeus höchst¬ selbst, der Wolkensammler, und bei ihm in sehr verfänglicher Nähe Leda mit dem Schwan. „Woher weißt du ihre Namen?" fragte Alfred erstaunt. „Aus der griechischen Geschichte", bekannte Postel; „näm¬ lich Geschichte Hab' ich schrecklich gern. Und dann besitzt mein Onkel ein Buch, darin sind sehr viele Statuen abgebildet. Ich fall' nämlich überall, wo ich bin, über die Bücher her. Ach, ich habe schon so viel Schelte bekommen um mein vieles Lesen!" „Und ich für das Gegenteil!" seufzte der junge Aristokrat. „Ein Springbrunnen! Nein so etwas Herrliches!" jauchzte Postel begeistert. Ein großes Marmorbecken kristallklaren Wassers, umgeben von weißblühenden Kallen und blauleuchtenden Vergißmeinnicht! In der Mitte des Kunstsees stieg aus einer Riesenmuschel die Schönheitskönigin Aphrodite, und rund um sie trieb ein lustiges Gesindel von Amoretten, Putten und Tritonen aus vollen Backen und Nüstern das Wasser in Strahlenbündel und per¬ lenden Säulen in die Höhe. „Bitte, stelle dich dort hinüber in die Sonne!" bat Alfred; „es sieht hübsch aus, wie die Tropfen funkeln in deinem braunen Haar." Und jetzt hätten alle Majestäten und Fürstlichkeiten der Erde Posthuma nicht zurückgehalten, laut aufzujubeln vor Lust: Rehe grasten hier, wirkliche, lebendige Rehe, eingehegt in einer Schonung, ein braunes und ein weißes. „Blanka, Blanka!" rief Alfred. Das weiße Reh erhob den weißen Kopf und spitzte die Ohren. „Es gehörte meiner Schwester Gvendoline", sprach der junge Graf; „es war ganz zahm, aber seit dem Tod meines Schwesterchens ist es wieder wilder geworden." „Ist der Park aber mächtig groß!" —. Postel ließ entzückt die Augen umherschweifen — „und schön wie das Paradies!" „Ja, aber jetzt kommt das Allerschönste. Mach einmal die Augen zu! Fest! Jetzt gib mir deine Hand. Ich zähle bis zwanzig. So! Nun schau auf!" Postel gehorchte. Vor ihr lag ein großer, stiller Weiher: stolze Schwäne zogen langsam dahin, seltsam gefärbte Enten schwammen in Rudeln nebeneinander und machten den Fischen, die vorsichtig ihre dicken Köpfe in die Höhe steckten, die Brocken streitig, die Alfred ihnen warf. In der Mitte des Wassers, ^ auf einer kleinen Insel, zwischen vier Weiden erhob sich ein bunter, chinesischer Pavillon, gerade groß genug, um all dem Federvieh als Zank- und Tummelplatz zu dienen; aber die sehr romantisch angelegte Posthuma fragte allen Ernstes: „Das ist gewiß ein Elfenschloß?" „Das ist Robinson Eiland", erklärte Alfred. „Diese Insel ist mein Eigentum, der Fürst hat sie mir geschenkt." Er" sagte das mit der gewichtigsten Betonung, dann fragte er ge¬ heimnisvoll: „Hast du Courage?" „Nicht allzuviel", gestand Postel freimütig. (Fortsetzung folgt.) Berichtigung: In Nr. 48 d. Bl., Seite 641, Spalte 1, in dem Artikel „Sprechsaal", Zeile 10 ist statt „uwo lezijaun“ eine un¬ verständliche Buchstabenzusammenstellung gedruckt. Brief- und Lragekasten. Herrn M. T. in S. Die Karte ist drei Monate später gekommen, als ich sie erwartet habe. — Herrn E. B. in B. Sie haben vollständig Recht. Ich habe auch erst nach der Bedeutung fragen müssen. Die Absicht aber ist unverkennbar, und darauf kommt es an. — Herrn E. C. in B. Ich kann mich an dieser „Rettung Israels" so wenig wie an einer anderen beteiligen. Das überlasse ich den Rettern von Beruf und Gewohnheit. “itco Rosenthar 8 Restaurant Gontard-Strasse 3 vla-i-vls Bahnhof Alexanderplatz früher Könlgstraue 31. Säle zu kleinen Festlichkeiten. Verantwortlich für den redaktionellen Teil: M. A. Klausner, für den Inseratenteil: Arthur Scholem in Berlin. Druck und Verlag von Arthur Scholem, Berlin 6., Roßstraße 3. |